Dritter Adhyâya.

[41] Nach den mehr exoterischen und vorbereitenden Betrachtungen des Âtman als personifizierten Gottes und als Prâṇa im ersten und zweiten Adhyâya folgt nun im dritten Adhyâya als der eigentliche Kern der Upanishad die philosophische Lehre vom Âtman. Nur die Einkleidung ist mythisch, sofern der Gott Indra (der auch sonst als Personifikation des Âtman erscheint, Ait. Âr. 2, 2. Ait. Up. 1, 3, 14. Kaush. 2, 6) die Erkenntnis seiner als des Âtman dem Pratardana mitteilt, nachdem dieser der Versuchung, selbst zu wählen und dadurch schlechter zu wählen (wie Naciketas in Kâṭh. Up. 1 andern Versuchungen), glücklich widerstanden hat. – Es[41] folgt sodann eine auf im wesentlichen richtige psychologische Anschauungen gegründete, wohlgeordnete und vortrefflich durchgeführte Betrachtung über die Abhängigkeit der Sinnesobjekte von den Sinnesorganen und dieser wiederum von dem Prâṇa (Lebenshauch) oder Prajñâtman (Bewusstsein-Selbst), d.h. dem Prinzip des unbewussten und des bewussten Lebens, welche beide hier, weil sie »zusammen in dem Leibe wohnen und zusammen aus ihm herausziehen«, für identisch erklärt werden und es auch im tiefsten Grunde sind, wiewohl nur ihrer Wurzel nach, aus der sie als zwei verschiedenartige Stämme hervorgehen (siehe meine Elemente der Metaphysik, Tl. II, Kap. 4: »Der bewusste und der unbewusste Wille«). Das Resultat dieser nachgewiesenen Abhängigkeit aller Sinnesobjekte und Sinnesorgane vom Bewusstsein-Selbste ist die Ermahnung, dass der nach der erlösenden Erkenntnis Trachtende nicht die Objekte, auch nicht die subjektiven psychischen Kräfte, sondern allein das Subjekt des Erkennens und Handelns zu suchen hat, welches in herrlicher Schilderung als der höchste Gott und zugleich als der Âtman in uns gefeiert wird.

Zur leichtern Übersicht mag hier noch eine Disposition des ganzen Abschnittes folgen.

Einleitung (§ 1).

A. Der Prajñâtman und die Sinnesorgane.

1. Die Organe laufen in einer Einheit zusammen (ekabhûyam gacchanti), welche, als die Gesamtheit der Organe, in jedem einzelnen derselben wirksam ist (§ 2).

2. Diese Einheit liegt nicht ausserhalb der Organe oder Prâṇâḥ, sondern in demjenigen unter ihnen, welches über alle andern den Vorrang (niḥçreyasam) hat, d.h. in dem Prâṇa oder Prajñâtman. Sein Vorrang aber beruht auf folgenden Gründen:

a. Entbehrlichkeit der andern Organe;

b. Unentbehrlichkeit des Prâṇa;

c. Sein Fortbestehen im Tiefschlafe und

d. im Tode (§ 3).

B. Der Prajñâtman und die Sinnesobjekte.

1. Die Sinnesobjekte werden als die Organe (d.h. mittels derselben) in den Prajñâtman hineingeschüttet (abhivisṛijyante), so dass er durch die Organe die Objekte erlangt (§ 4).

2. Aus dem Prajñâtman werden die Organe herausgezogen (udûlham), aus ihnen wiederum die betreffenden Objekte nach aussen projiziert (parastât prativihita, § 5), daher die Prajñâ durch die Organe die Objekte erlangt (§ 6).

3. Unmöglichkeit, ohne die Prajñâ und durch die Organe allein die Objekte zu erkennen (§ 7).

C. Das Subjekt des Erkennens.


1. Nicht die Objekte, sondern das Subjekt soll man suchen zu erkennen.

2. Keine Objekte (bhûtamâtrâḥ) ohne subjektive Organe (prajñâmâtrâḥ), keine subjektiven Organe ohne Objekte.

[42] 3. Beide laufen im Subjekte zusammen wie die Radkreisteile und Felgen in der Radnabe.

4. Das Subjekt ist der ewige, selige Gott, der allmächtig zum Guten und Bösen, zum Heil und Verderben prädestiniert.

5. Und dieser Herr aller Welten ist meine Seele, mein Âtman (§ 8).


1. Es begab sich, dass Pratardana, der Sohn des Divodâsa, zu der lieben Wohnung des Indra gelangte, durch Kampf und durch Mannhaftigkeit.

Zu ihm sprach Indra: »Pratardana, wähle dir einen Wunsch!« –

Und Pratardana sprach: »Wähle du selbst für mich was du für den Menschen als das Heilsamste erachtest!« –

Aber Indra sprach: »Der Höhere wählt doch nicht für den Niedern! Wähle du nur selbst; denn du bist doch niederer als ich.« Also sprach Indra.1

Aber Pratardana2 liess sich nicht abbringen von der Wahrheit; denn die Wahrheit ist Indra.

Da sprach Indra zu ihm:

»So erkenne mich! Denn dieses erachte ich für den Menschen als das Heilsamste, dass er mich erkenne. Denn obgleich ich den dreiköpfigen Sohn des Tvashṭar erschlagen habe und die Arunmukha's [die ›Wundmäuligen‹, entstellt aus Arurmaghân, die ›Knauserigen‹, Ait. Br. 7, 28] und die Streber [oder Büsser, yatîn] den wilden Hunden vorgeworfen habe, obgleich ich, viele Verträge brechend, im Himmel die Prahlâdi's (die Polterer), im Luftraume die Pauloma's (etwa: Dickwänste), auf der Erde die Kâlakâñja's (Schwarzköpfe) durchbohrt habe (atṛiṇam = atṛiṇadam?), so wurde mir dafür auch nicht ein Haar (loma) gekrümmt (amîyata), – und so auch, wer mich kennt,[43] dem wird fürwahr durch kein Werk seine Welt [sein Platz im Himmel] geschmälert (loko mîyate), nicht durch Diebstahl, nicht durch Tötung der Leibesfrucht, nicht durch Muttermord, nicht durch Vatermord3, und hat er auch Böses vollbracht (lies cakrusho), so entflieht doch nicht die dunkle Farbe von seinem Angesicht [keine Furcht macht ihn erblassen].«


2. Und er (Indra) sprach:

»Ich bin der Lebenshauch (prâṇa); als das Bewusstsein-Selbst (prajñâtman), als Leben, als Unsterbliches verehre mich. Der Prâṇa ist Leben, und das Leben ist Prâṇa. Denn solange in diesem Leibe der Prâṇa weilt, so lange weilt auch das Leben; denn durch den Prâṇa erlangt man in dieser Welt das Nichttotsein, und durch das Bewusstsein (prajñâ) die wahre Erkenntnis. Wer mich als Leben, als Unsterbliches verehrt, der gelangt in dieser Welt zur vollen Lebensdauer, und er erlangt Unsterblichkeit, Unvergänglichkeit in der himmlischen Welt.«


[Pratardana sprach]: »Einige lehren, dass die Lebenskräfte in eine Einheit zusammenlaufen (ekabhûyam gacchanti); denn niemand kann doch zugleich miteinander durch die Rede den Namen, durch das Auge die Gestalt, durch das Ohr den Ton und durch das Manas den Gedanken zum Bewusstsein bringen; sondern indem vielmehr die Lebenskräfte in eine Einheit zusammenlaufen, so bringen sie nacheinander alles dieses zum Bewusstsein; und wenn die Rede redet, so reden alle Lebenskräfte ihr nach [d.h. mit ihr], und wenn das Auge sieht, so sehen alle Lebenskräfte ihm nach, und wenn das Ohr hört, so hören alle Lebenskräfte ihm nach, und wenn das Manas denkt, so denken alle Lebenskräfte ihm nach, und wenn der Odem atmet, so atmen alle Lebenskräfte ihm nach.«[44]

»Allerdings ist es so«, sprach Indra.

»Aber doch«, fuhr er fort, »besteht unter den Lebenskräften eine Rangordnung. 3. Nämlich,

man lebt auch ohne Rede, denn wir sehen Stumme,

man lebt auch ohne Gesicht, denn wir sehen Blinde,

man lebt auch ohne Gehör, denn wir sehen Taube,

man lebt auch ohne Manas, denn wir sehen Narren,

man lebt auch mit abgeschnittenen Armen,

man lebt auch mit abgeschnittenen Beinen, denn also sehen wir es, aber der Prâṇa ist es, der Prajñâtman, welcher diesen Leib umspannt und aufrichtet (ut-thâpayati), darum soll man ihn als das Uktham (vgl. Ait. Âr. 2, 1, oben S. 10) verehren.

Dieses ist die Durchdringung aller [Lebenskräfte] im Prâṇa.

Was aber der Prâṇa ist, das ist die Prajñâ (das Bewusstsein), und was die Prajñâ ist, das ist der Prâṇa.


Und dieses ist seine Anschauung, dieses seine Erkenntnis: wenn ein Mensch so eingeschlafen ist, dass er kein Traumbild schaut, dann ist er eben in diesem Prâṇa zur Einheit geworden; dann geht in ihn

die Rede mit allen Namen ein,

das Auge mit allen Gestalten ein,

das Ohr mit allen Tönen ein,

das Manas mit allen Gedanken ein.

Und wenn einer erwacht, dann geschieht es, gleichwie aus einem flammenden Feuer nach allen Seiten die Funken auseinanderstieben, dass also aus diesem Âtman alle Lebenskräfte, je nach ihrem Standorte, heraustreten, aus den Lebenskräften [Rede, Auge, Ohr, Manas] die Götter [Agni, Sûrya, Diçaḥ, Candramâḥ], aus den Göttern die Welten [Namen, Gestalten, Töne, Gedanken].

Das ist der Prâṇa, der Prajñâtman, welcher diesen Leib umspannt und aufrichtet, darum soll man ihn als das Uktham verehren.

Dieses ist die Durchdringung aller [Lebenskräfte] im Prâṇa.

Was aber der Prâṇa ist, das ist die Prajñâ (das Bewusstsein), und was die Prajñâ ist, das ist der Prâṇa.


Und dieses ist sein Beweis, dieses seine Erkenntnis: wenn der Mensch, leidend und im Begriffe zu sterben, von Schwäche[45] überkommen, in Bewusstlosigkeit verfällt, und die Leute sagen, sein Geist ist entflohen, er hört nicht, sieht nicht, redet nicht, denkt nicht, – dann ist er eben in diesem Prâṇa zur Einheit geworden; dann geht in ihn

die Rede mit allen Namen ein,

das Auge mit allen Gestalten ein,

das Ohr mit allen Tönen ein,

das Manas mit allen Gedanken ein,

und wenn er aus diesem Leibe auszieht, so zieht er mit ihnen allen aus.4


4. Als Rede werden in ihn alle Namen hineingeschüttet (abhivisṛijyante, viel besser als abhivisṛijate = parityajati, wie der Komm, liest), durch die Rede erlangt er alle Namen,

als Odem werden in ihn alle Gerüche hineingeschüttet, durch den Odem erlangt er alle Gerüche,

als Auge werden in ihn alle Gestalten hineingeschüttet, durch das Auge erlangt er alle Gestalten,

als Ohr werden in ihn alle Töne hineingeschüttet, durch das Ohr erlangt er alle Töne,

als Manas werden in ihn alle Gedanken hineingeschüttet, durch das Manas erlangt er alle Gedanken;

dieses ist die Durchdringung aller im Prâṇa.

Was aber der Prâṇa ist, das ist die Prajñâ, und was die Prajñâ ist, das ist der Prâṇa; denn beide wohnen vereint im Körper und ziehen vereint aus ihm aus.


Nun wollen wir auseinandersetzen, wie auch alle Wesen mit dieser Prajñâ (dem Bewusstsein) eine Einheit bilden:
[46]

5. Die Rede ist als ein Teil von ihm (dem Bewusstsein) aus ihm herausgezogen (lies udûlham); von dieser ist der Name das nach aussen versetzte Wesenselement;

der Odem ist als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesem ist der Geruch das nach aussen versetzte Wesenselement:

das Auge ist als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesem ist die Gestalt das nach aussen versetzte Wesenselement;

das Ohr ist als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesem ist der Ton das nach aussen versetzte Wesenselement;

die Zunge ist als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von dieser ist der Nahrungssaft das nach aussen versetzte Wesenselement;

die Hände sind als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesen ist das Werk das nach aussen versetzte Wesenselement;

der Leib ist als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesem ist Lust und Unlust [Erregendes] das nach aussen versetzte Wesenselement;

das Zeugungsglied ist als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesem ist Geschlechtslust, Liebeslust und Zeugungskraft [nämlich das sie Erregende] das nach aussen versetzte Wesenselement;

die Füsse sind als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesen sind die Gehbewegungen das nach aussen versetzte Wesenselement;

das Manas ist als ein Teil von ihm aus ihm herausgezogen; von diesem sind Gedanken und Begierden [das sie Erregende] das nach aussen versetzte Wesenselement.


6. Durch das Bewusstsein (prajñâ) die Rede besteigend, gelangt man durch die Rede zu allen Namen5;[47]

durch das Bewusstsein den Odem besteigend, gelangt man durch den Odem zu allen Gerüchen;

durch das Bewusstsein das Auge besteigend, gelangt man durch das Auge zu allen Gestalten;

durch das Bewusstsein das Ohr besteigend, gelangt man durch das Ohr zu allen Tönen;

durch das Bewusstsein die Zunge besteigend, gelangt man durch die Zunge zu allen Nahrungssäften;

durch das Bewusstsein die Hände besteigend, gelangt man durch die Hände zu allen Werken;

durch das Bewusstsein den Leib besteigend, gelangt man durch den Leib zu Lust und Schmerz [dem sie Erregenden];

durch das Bewusstsein das Zeugungsglied besteigend, gelangt man durch das Zeugungsglied zu Geschlechtslust, Liebeslust und Zeugungskraft [dem sie Erregenden];

durch das Bewusstsein die Füsse besteigend, gelangt man durch die Füsse zu allen Gehbewegungen;

durch das Bewusstsein das Manas besteigend, gelangt man durch das Manas zu allen Gedanken [und Begierden erregenden Objekten].


7. Denn nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, die Rede irgend einen Namen zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jenes Namens nicht bewusst geworden;

und nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, der Odem irgend einen Geruch zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jenes Geruches nicht bewusst geworden;

und nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, das Auge irgend eine Gestalt zum Bewusstsein zu bringen; denn man[48] sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jener Gestalt nicht bewusst geworden;

und nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, das Ohr irgend einen Ton zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jenes Tones nicht bewusst geworden;

und nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, die Zunge irgend einen Nahrungssaft zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jenes Nahrungssaftes nicht bewusst geworden;

und nicht vermögen, vom Bewusstsein verlassen, die Hände irgend ein Werk zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt (nicht âhatus etc. zu lesen): mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jenes Werkes nicht bewusst geworden;

und nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, der Leib irgend eine Lust oder Unlust zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jener Lust und Unlust nicht bewusst geworden;

und nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, das Zeugungsglied irgend eine Geschlechtslust, Liebeslust und Zeugungskraft zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jener Geschlechtslust, Liebeslust und Zeugungskraft nicht bewusst geworden;

und nicht vermögen, vom Bewusstsein verlassen, die Füsse irgendwelche Gehbewegungen zum Bewusstsein zu bringen; denn man sagt: mein Geist war anderswo, darum bin ich mir jener Gehbewegungen nicht bewusst geworden;

und nicht vermag, vom Bewusstsein verlassen, irgend ein Gedanke zustande zu kommen, oder irgend ein Erkenntnisobjekt zum Bewusstsein zu kommen.


8. Nicht nach der Rede soll man fragen, sondern den erkennen, der da redet6,

nicht nach dem Geruch soll man fragen, sondern den erkennen, der da riecht,[49]

nicht nach der Gestalt soll man fragen, sondern den erkennen, der da sieht,

nicht nach dem Tone soll man fragen, sondern den erkennen, der da hört,

nicht nach dem Nahrungssafte soll man fragen, sondern den erkennen, der den Nahrungssaft schmeckt,

nicht nach dem Werke soll man fragen, sondern den erkennen, der da wirkt,

nicht nach Lust und Unlust [Erregendem] soll man fragen, sondern den erkennen, der Lust und Unlust fühlt,

nicht nach Geschlechtslust, Liebeslust und Zeugungskraft soll man fragen, sondern den erkennen, der die Geschlechtslust, Liebeslust und Zeugungskraft empfindet,

nicht nach den Gehbewegungen soll man fragen, sondern den erkennen, der da geht,

nicht nach dem Manas soll man fragen, sondern den erkennen, der da denkt.

Denn alle diese zehn Wesenselemente sind abhängig vom Bewusstsein, und die zehn Bewusstseinselemente sind abhängig von den Wesen; denn wenn die Wesenselemente nicht wären, so würden auch die Bewusstseinselemente nicht sein, und wenn die Bewusstseinselemente nicht wären, so würden auch die Wesenselemente nicht sein, denn nicht kommt durch die einen ohne die andern irgend eine Erscheinung (rûpam) zustande.

Noch auch ist dieses eine Vielheit: sondern gleichwie der Kranz des Rades an den Speichen befestigt ist, und die Speichen an der Nabe befestigt sind, also sind auch jene Wesenselemente an den Bewusstseinselementen befestigt, und die Bewusstseinselemente an dem Prâṇa befestigt, denn dieser Prâṇa ist eben das Bewusstsein-Selbst (prajñâtman), ist Wonne, ist nicht alternd, ist unsterblich!

Er wird nicht höher durch gute Werke und wird nicht geringer durch böse Werke,

sondern er ist es, der das gute Werk den tun macht, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er ist es, der das böse Werk den tun macht, welchen er abwärts führen will.[50]

Er ist der Hüter der Welt, er ist der Gebieter der Welt, er ist der Weltenherr,

und dieser ist meine Seele (âtman), das soll man wissen, – dieser ist meine Seele, das soll man wissen!«

Fußnoten

1 Irgend ein Abschreiber, der die Worte satyân na iyâya verstand als »er erfüllte sein Versprechen«, scheint p. 75, 1 die beiden Namen vertauscht zu haben, was dann weiter die Korrektur von ma' iti in mâ iti zur Folge hatte. – Will man hingegen am überlieferten Texte festhalten, so muss man avara beide Male in ganz verschiedenem Sinne nehmen und übersetzen: »Aber Indra sprach: ›Der Höhere wählt doch nicht für den Niedern (avarasmai)! Wähle du nur selbst!‹ – ›Dann wird mir also kein Geschenk (avaro) zuteil‹, so sprach Pratardana. – Aber Indra ging nicht ab von der Wahrheit (von dem Halten seines Versprechens); denn die Wahrheit ist Indra.«


2 Irgend ein Abschreiber, der die Worte satyân na iyâya verstand als »er erfüllte sein Versprechen«, scheint p. 75, 1 die beiden Namen vertauscht zu haben, was dann weiter die Korrektur von ma' iti in mâ iti zur Folge hatte. – Will man hingegen am überlieferten Texte festhalten, so muss man avara beide Male in ganz verschiedenem Sinne nehmen und übersetzen: »Aber Indra sprach: ›Der Höhere wählt doch nicht für den Niedern (avarasmai)! Wähle du nur selbst!‹ – ›Dann wird mir also kein Geschenk (avaro) zuteil‹, so sprach Pratardana. – Aber Indra ging nicht ab von der Wahrheit (von dem Halten seines Versprechens); denn die Wahrheit ist Indra.«


3 Wer die Erkenntnis des Âtman und seiner Einheit mit ihm erlangt und dadurch der Illusion der individuellen Existenz enthoben ist, dessen gute und böse Werke werden zunichte; sie sind nicht mehr seine Werke, eben weil er nicht mehr Individuum ist. (In der Sprechweise des Christentums: wer den Glauben hat, dem werden seine Sünden vergeben). – Wie wahr, und doch wie gefährlich, wenn sie nur halb verstanden wird, ist diese Lehre!


4 Der Hauptzweck dieser Betrachtung über Tiefschlaf und Ohnmacht ist der, die Identität des Prâṇa (des Lebenshauches) und der Prajñâ (des Bewusstseins) zu beweisen. In Tiefschlaf und Ohnmacht besteht der Prâṇa fort, während die Prajñâ erloschen zu sein scheint. In Wahrheit aber ist sie nicht erloschen, sondern nur mit dem Prâṇa eins geworden, aus dem sie beim Erwachen wieder hervorgeht. Somit ist die Prajñâ nur vorübergehend, im Wachen, vom Prâṇa verschieden, und bildet im übrigen mit diesem eine Einheit. – Mit der Prajñâ tauchen aber auch die Sinnesorgane, mit diesen die Sinnesobjekte im Tiefschlafe in den Prâṇa ein; somit gehen auch sie im Prâṇa zur Einheit zusammen, wie das nun Folgende näher ausführt.


5 Der Kommentator Ça karânanda bemerkt hierzu: »Der Sinn ist folgender: Nicht ist ohne Bewusstsein (prajñâ) das betreffende Organ (indriyam), und nicht ist ohne das betreffende Organ des betreffenden Objektes (vishaya) Erlangung. Folglich, da, wenn etwas ohne ein andres nicht existiert oder doch nicht perzipiert wird, es mit ihm wesenseins ist, – wie das Gewebe, weil es ohne die Fäden nicht perzipiert wird, wesenseins mit den Fäden ist, – oder wie das Silber, weil es ohne den Perlmutterglanz nicht perzipiert wird, wesenseins mit dem Perlmutterglanz ist, – so ist auch das Objekt, da es ohne das betreffende Organ nicht existiert, d.h. nicht perzipiert wird, wesenseins mit dem betreffenden Organe, und das betreffende Organ, da es ohne das Bewusstsein nicht perzipiert wird, wesenseins mit dem Bewusstsein.«


6 In summa: Nicht nach der empirischen Erkenntnis der Vielheit (nach Avidyâ), sondern nach der metaphysischen Erkenntnis der Einheit (Vidyâ) soll man trachten.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 41-51.
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