Neunzehnter Khaṇḍa.

[115] Zwei althergebrachte Vorstellungen, die von dem in den Urwassern entstehenden Weltei (zurückgehend auf Ṛigv. 10,129,3: tucchyena âbhu apihitam yad âsît, »das Lebenskräftige, das in der Schale eingeschlossen war«, und den Ṛigv. 10,121,1 erwähnten »goldnen Keim«, hiraṇya-garbha) und die von Brahman als Sonne (namentlich in dem alten Liede: brahma jajñânam prathamam purastât), werden hier zu einem Schöpfungsmythus verbunden, der ein wichtiges Mittelglied zwischen den erwähnten ältern Vorstellungen und den Kosmogonien bei Manu und Spätern bildet. Auch die Vorstellung von dem Jauchzen der Kreaturen beim Entstehen der Sonne scheint schon dem alten brahma-jajñânam-Liede angehört zu haben; vgl. an den Stellen, wo Stücke desselben zitiert werden, die darauffolgenden Worte, Atharvav. 2,1,1: jâyamânâḥ svarvido abhyanûshata vrâh; Taitt. Br. 2,8,8,9: tam arkair abhyarcanti vatsam (Gesch. d. Phil. I, 253, 251).


1. Die Sonne ist das Brahman, so lautet die Anweisung [zur Verehrung]. Darüber ist diese Erläuterung.

Diese Welt war zu Anfang nichtseiend; dieses [Nichtseiende] war das Seiende. Dasselbige entstand. Da entwickelte sich ein Ei. Das lag da, solange wie ein Jahr ist. Darauf spaltete es sich; die beiden Eierschalen waren, die eine von Silber, die andre von Gold.

2. Die silberne ist diese Erde, die goldene der Himmel dort. [Hier geht die Vorstellung des Vogeleies in die des Fötus über.] Die äussere Eihaut (jarâyu, Chorion) sind diese Berge, die innere Eihaut (ulvam, Amnion) sind hier Wolken und Nebel, die Gefässadern sind die Flüsse, das Fruchtwasser ist der Ozean.

3. Was aber dabei geboren wurde, das ist die Sonne dort; als sie geboren war, erhob sich lärmendes Jauchzen hinter ihr her und alle Wesen und alle Wünsche. Daher kommt es, dass bei ihrem Aufgange und ihrer jedesmaligen Wiederkehr lärmendes Jauchzen und alle Wesen und auch alle Wünsche sich erheben.

4. Wer, dieses also wissend, die Sonne als das Brahman verehrt, bei dem ist Hoffnung, dass ihm beifälliges Jauchzen entgegenschallt und ihn erquickt, – und ihn erquickt.

Fußnoten

1 Weniger gut bezieht Ça kara diesen Zusatz auf alle fünf Saftarten.


2 Anders ist der Gedanke Ait. Br. 3.44.


3 Wir haben »ist die Haut« eingeschoben, während »ist der Äther« vielleicht zu tilgen ist; vgl. Chând. Up. 5,23,2.


4 Vgl. Talav. Up. Br. 1,43,10.


5 Eine andre, mehr physiologische Erklärung des betreffenden Phänomens enthält Bṛih. Up. 5,9.


6 Geistreich, aber ohne Not konjiziert Böhtlingk taj jânâni. Die Upanishad's lieben solche geheimnisvolle, nur dem Eingeweihten verständliche Ausdrücke. Vgl. tadvanam (Kena 31), brahmajajñam (Kâṭh. 1,17), neti, neti (Bṛih. 2,3,6), dadada (Bṛih. 5,2), viram (Bṛih. 5,12), idandra (Ait. Up. 1,3,13), samyadvâma (Chând. 4,15,2), âmaṅsi âmaṅhi te mahi (Bṛih. 6,3,5).

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 115-116.
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