Fünftes Buch.

[89] Ein lichter Streifen sind sie in der Nacht,

Die dunkeln Wege, welche Gott bereitet.

So sanft, so heimlich hat er mich geleitet,

Und schnell umfloß mich seines Morgens Pracht.

Ich nahm so lang den Führer nicht in Acht,

Ich hatte mir den Sündenpfad geweitet,

Vermeßen alle Segel ausgebreitet,

Und bin doch froh im Friedensport erwacht.

Von meinen Bahnen fällt der Nebelschleier,

Ich sehe meines Herzens bösen Rath,

Ich sehe deine Vaterhand am Steuer.

Die böse Straße ward ein Gnadenpfad

Im Zweifelsmeer, im wilden Leidensfeuer;

Ich zog ihn wohl, doch ist er deine That.[89]


I.

Nimm hin das Opfer meiner Bekenntnisse aus meinem Munde, den du mir gebildet und nur aufgeschloßen hast, daß er deinen Namen bekenne, und heile alle meine Gebeine, damit sie bekennen: Herr, wer ist dir ähnlich? Wer vor dir bekennt, lehrt dich nicht, was in ihm vorgehe, weil auch von einem verschlossenen Herzen dein Auge nicht ausgeschloßen, noch von des Menschen Härte deine zurückgeschlagen wird; du enthüllst sie erbarmend und rächend, wenn du willst, und Keiner ist, der sich verbergen kann vor deinem brennenden Eifer. Aber meine Seele lobe dich, damit sie dich liebe; sie bekenne sich zu deinem Erbarmen, damit sie dich lobe. Nicht weicht, noch schweigt von deinem Lobe das All deiner Schöpfung: nicht des Menschen Geist, der durch seines Mundes Bekenntnis sich zu dir wendet, nicht der Thiere, nicht der leiblichen Naturen Reich, die dich bekennen durch den Mund derer, die sie schauen, damit unsere Seele sich aus ihrer Läßigkeit zu dir erhebe, wenn sie nach dem sich wendet, das du schufest, und dann hintritt zu dir, der du es so wundervoll bildetest, daraus ihr Erquickung wird und wahre Stärkung.


II.

Ob sie auch gehen und friedenlos und sündig von dir fliehen, du schauest doch auf sie und scheidest die Schatten; und siehe, da ist Alles schön um sie, nur sie sind häßlich. Was vermochten sie dir zu schaden, wo konnten sie dein Reich verunehren, das gerecht bleibt und unverletzt von den uralten Himmeln bis zu den Jüngsten deiner Erschaffenen? Wo flohen sie hin denn, da sie flohen vor deinem Angesicht? Oder, wo ist[91] der Ort, da du sie nicht findest? Aber sie flohen, um dich, der sie sieht, nicht zu sehen, um sich verblendet gegen dich zu empören; denn du läßest nicht von dem, das du schufest. Mit Unrecht empörten sie sich wider dich und werden geplagt mit Recht; sie entzogen sich deiner Milde, traten auf gegen deine Gerechtigkeit und fielen hin in ihre Verwilderung. Vielleicht wißen sie nicht, daß du, den kein Raum beschränkt, überall bist, daß du allein es bist, der gegenwärtig bleibt auch denen, die weit von ihm wegkamen. Daher sollen sie umkehren und dich suchen, denn nicht, wie sie ihren Schöpfer verließen, hast auch du dein Geschöpf verlaßen. Umkehren sollen sie und dich suchen, und siehe, da bist du in ihrem Herzen, im Herzen derer, die dir bekennen, die sich hinwerfen vor dich und in deinem Schooße weinen, nach dem sie den Weg ihres Widerwillens verließen. Und bereitwillig wischest du ihre Thränen ab, reichlicher weinen sie und freuen sich in ihren Thränen, daß du Herr und nicht ein Mensch von Fleisch und Blut, daß du Herr, der sie schuf, sie erquickest und tröstest. Und ich, wo war ich, da ich dich suchte? Du warest vor mir, ich aber war auch von mir gewichen, und mich selber fand ich nicht, wie viel weniger dich!


III.

Neun und zwanzig Jahre alt war ich, als nach Karthago ein manichäischer Bischof, mit Namen Faustus, kam, eine gewaltige Schlinge des Satans, der ihm Viele mit dem lockenden Laut seiner schmeichelnden Rede fieng. Wenn ich diese auch lobte, so unterschieb ich sie doch von dem Wesen der Dinge selbst, die ich eifrig zu lernen begehrte, und darum sah ich nicht auf das Gefäß, auf die Sprache, sondern auf das, was mir darin an gelehrter Nahrung Faustus vorsetzte, der von ihnen glücklich Gepriesene; denn groß war sein Ruf in diesen Dingen,[92] und er ein in den Wißenschaften überhaupt wohl unterrichteter Mann. Weil ich aber in den Philosophen belesen war, und Vieles von ihnen im Gedächtnis behalten hatte, so verglich ich manches von ihnen mit den langen Fabeln der Manichäer, und mir schienen die Aussprüche der Philosophen bewährter, weil sie auf die Durchforschung der Welt gegründet waren, deren Herrn sie freilich nicht entdeckten, da du deine Größe zeigst, o Herr, indem du des Demüthigen dich annimmst, den Stolzen aber in seiner Entfernung kennst. Und so nahest du nur denen, die ein zerschlagen Gemüth haben, von den Stolzen aber wirst du nicht entdeckt. Auch jene Weisen entdecken dich nicht, wenn sie auch in ihrer vorwizigen Gelehrsamkeit die Sterne und den Sand zählen, den Sternenhimmel messen und der Gestirne Bahnen erforschen. Mit dem Geist unternehmen sie das, den du ihnen gegeben hast, viel fanden sie, viele Jahre zuvor wissen sie die Sonnen- und Mondsfinsternisse zu verkündigen und zwar auf Tag und Stunde hin, sowie von welchem Durchmesser sie sein werden und sie täuscht ihre Berechnung nicht, es kommt, wie sie vorhergesagt. Genau wird das von ihnen verzeichnet, und gelesen, jetzt was kommen wird auf den Tag und die Stunde, sowie auf den Umfang der Sonnen- und Mondsscheibe. Das bewundern die Menschen, die es nicht verstehen entsetzen sich, die Kundigen aber erheben sich und werden erhoben, fallen und weichen in ihrem Stolz von deinem Lichte, sehen lange vorher der Sonne Verfinsterung, aber die ihrige sehen sie nicht; denn nicht mit frommem Sinne fragen sie, woher ihr Geist sei, der da Jenes erforsche. Und wenn sie entdecken, nach was sie forschten, weil du sie so bereitetest, so geben sie sich selbst dir nicht, damit du bewahrest, was du bereitet hast. Zu was sie sich auch selber machten, sie richten dir sich zu Grunde; hetzen ihren vermessenen Flug, wie die Vögel der Lüfte, ihre Neugier wie die[93] Fische des Meeres, mit welchen sie schweifen durch der Tiefe verborgene Pfade; ihre Lüste wie des Feldes Thiere, bis du Gott, ein freßend Feuer, ihre ersterbenden Sorgen zerstörest und sie wiederschaffst zu unsterblichem Leben. Noch lernten sie den Lebensweg, dein Wort nicht kennen, durch welches du schufest, was sie zählen, und sie, die da zählen, und den Sinn, mit dem sie sehen was sie zählen, und den Verstand, durch den sie zählen; aber deiner Weisheit ist keine Zahl. Er selbst, der Eingeborne ist uns gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung, wurde zu uns gezählt und zahlte in Demuth den Schoß dem Kaiser. Nicht lernten sie diesen Weg kennen, auf welchem sie von sich zu ihm hinabsteigen, und zu ihm hinaufsteigen sollen durch ihn: sie lernten Weg nicht kennen, und halten sich für leuchtend und erhaben wie die Sterne. Aber siehe, sie stürzten zur Erde und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. Wohl sagen sie des Wahren viel von der Schöpfung, aber die Wahrheit der Schöpfung, den Bildner, suchen sie nicht mit frommen Herzen, und darum finden sie ihn nicht; oder wenn sie ihn finden und Gott erkennen, so ehren sie ihn nicht als Gott und danken ihm nicht. Ja in ihren Gedanken sich ins Leere verlierend, halten sie sich für weise, und schreiben sich zu, was dein ist. Daher suchen sie in verkehrter Blindheit dir zuzuschreiben, was das Ihre ist, häufen Lügen auf dich, der du die Wahrheit bist, und verwandeln die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild, gleich der vergänglichen Menschen und der Vögel, und der vierfüßigen und der kriechenden Thiere, verkehren deine Wahrheit in Lüge, ehren die Geschöpfe und dienen ihnen mehr als dem Schöpfer. Doch behielt ich von ihnen der wahren Aussprüche viele über die Schöpfung; ihre Berechnungsweise der Zeiten, von den sichtbaren Zeugnissen in den Gestirnen bestätigt, wurde mir einleuchtend und[94] ich verglich sie mit den Aussprüchen des Manichäers, welcher viel darüber schrieb in unerschöpflichem Faseln, während mir daraus nichts verständlich wurde über Sonnenwenden, Tage- und Nachtgleichen und Finsternisse, wie denn von seinem Ausspruche auch nichts in den Schriften unserer Weltweisen stund. Hier mußte ich blindlings glauben, meine Kenntnisse, aus den Berechnungen und dem Augenschein entstanden, halfen mir nichts, da war alles ganz anders.


IV.

Gefällt dir der schon, der solches weiß, du Herr und Gott der Wahrheit? Unglückselig ist der Mensch, der das Alles kennt, und dich nicht, kennt, selig aber, wer dich kennt, ob er Jenes auch nicht kenne. Und wenn er auch dich und Jenes erkennt, so ist er Jenes wegen nicht glückseliger; er ist es allein durch dich, wenn er, da er dich erkennt, dich preiset als seinen Gott, Dank dir erstattet und sich mit seinen Gedanken nicht in's Leere verliert. Beßer ist ja wohl daran, wer weiß, daß er einen Baum besitzt und für dessen Nutzen dir dankt, ob er gleich nicht weiß, wie hoch und wie breit sein Baum ist: als der, welcher ihn ausmißt und alle seine Zweige zählt, während er ihn weder besitzt, noch den Schöpfer desselben erkennt und liebt. So ist dem Glaubigen beßer, des die Welt mit allen ihren Schätzen ist; der Alles hat, wenn er auch nichts besitzt, weil er dir anhangt; dem Alles dient, ob er auch die Zonen der Mitternacht nicht kenne; beßer ist ihm, als dem, der den Himmel mißt, die Sterne zählt und die Elemente wägt, und dich vernachläßigt, der du Alles in Maaß, Zahl und Gewicht brachtest.
[95]

V.

Aber von Manes, dem Stifter der Manichäer erwartete man nicht einmal, daß er auch nur über jene Dinge richtig schreibe, die Erlernen der Frömmigkeit nicht nöthig waren. Denn du sprachst zum Menschen: siehe, Frömmigkeit ist Weisheit, in welcher er unerfahren sein konnte, wenn er auch jene Dinge völlig verstand; weil er sie aber nicht verstand und sie doch mit unerhörter Frechheit zu lehren wagte, so konnte er von der Frömmigkeit durchaus nichts wissen. Sich mit diesen Dingen spreizen, auch wenn man sie versteht, ist doch nur weltliche Eitelkeit, die Frömmigkeit bekennt vor dir. Und die Kenntnishabenden konnten aus seiner Unwißenheit in diesen Dingen, über die er so Vieles plauderte, leicht erkennen, welch eine Gesinnung er über die höheren, verborgenen Dinge hatte; ob er gleich für nichts Geringes gehalten werden wollte und die Menschen zu überreden suchte, der heilige Geist, der Tröster und Bereicherer aller deiner Treuen, sei in seiner Fülle in ihm persönlich worden und die Kenntnis der Gestirne und ihrer Veränderungen komme ihm als einer göttlichen Person zu. Und er besaß doch nicht einmal diese Kenntnis! War nicht auch hierin seine Vermeßenheit Gotteslästerung? Und so war seine Frechheit, auch wenn sie nicht eben eine Religionslehre berührte, doch offenbare Gotteslästerung. Denn wenn ich irgend einen christlichen Mitbruder über jene Dinge Folgewidriges reden höre, weil er sie nicht versteht, so habe ich doch Geduld mit ihm, und weiß, daß ihm seine falschen Meinungen keinen Schaden bringen, da er von dir, Herr und Schöpfer des Weltalls, nichts Unwürdiges glaubt, wenn er auch von Lage und Beschaffenheit der leiblichen Natur nichts weiß. Schaden brächte er ihm etwa nur, wenn er wähnte, das gehöre zur Lehre von der Gottseligkeit,[96] und wenn er nun das, was er nicht verstände, hartnäckig zu behaupten wagte. Doch auch solche Schwäche in der Kindheit des Glaubens wird von der Liebe wie von einer Mutter ertragen, bis der neue Mensch zum vollkommenen Mann wird und nicht mehr von jedem Winde der Lehre sich umherwerfen läßt. Aber Jener wagte es, als der Lehrer, Stifter, Führer und Herrscher der von ihm Beredeten aufzutreten, so daß seine Schüler meinten, sie folgten nicht einem Menschen, sondern dem heiligen Geiste. Wer muß solchen Wahnsinn, auch wo er erweislich Irres ausspricht, nicht verdammlich und abscheulich finden? Doch mir war es noch nicht klar, ob nicht auch nach Manis Worten der Wechsel der Tag- und Nachtdauer und der Finsternisse gegen das, was ich in andern Schriften gelesen hatte, erklärt werden könnte, so daß ich ungewiß darüber blieb. Aber des Mannes Ansehen, das man für Heiligkeit hielt, ließ ihn mir als den Glaubwürdigeren erscheinen.


VI.

Fast neun Jahre hindurch, in welchen ich, umherschweifenden Gemüthes, solche Leute anhörte, hoffte ich mit brennender Sehnsucht auf die Ankunft jenes Faustus, auf den mich die Andern vertrösteten, so oft sie meinen Fragen nicht genügen konnten, indem sie mir versicherten, durch persönlichen Verkehr mit ihm werde mir das Alles und noch viel Höheres, wenn ich es erkunden wolle, bestens ausgelegt werden. Er kam, und ich lernte einen einnehmenden, anmuthig redenden Mann kennen, der über das, was Jene abzuhandeln pflegten, weit angenehmer schwatzte. Aber was frommte meinem Durste auch der gefälligste Darreicher der kostbarsten Gefäße? Schon war ich jener Dinge übersatt, sie schienen mir dadurch nicht beßer, daß sie beßer gesagt und dadurch nicht wahrer, daß sie mit Beredtsamkeit vorgetragen[97] wurden; noch schien mir ein Geist darum weise, weil seine Miene sprechend, und seine Rede geschmackvoll war. Jene aber, die mich auf ihn vertröstet hatten, verstunden die Sache schlecht und sie schien ihnen klug und weise, weil sie seine Beredtsamkeit ergötzte. Aber auch eine andere Gattung von Menschen lernte ich kennen, welche die Wahrheit verdächtigen, so bald sie mit geschmückter, reicher Rede vorgetragen wurde. – Mich aber hattest du, mein Gott, schon gelehrt, auf wunderbare und verborgene Weise, und nur darum glaube ichs, weil du es mich gelehrt hast, denn darum ist es wahr und es gibt außer dir keinen Lehrer der Wahrheit, woher er auch kommen möge. Schon hatte ich von dir gelernt, man müße etwas nicht deshalb für wahr halten, weil es beredt gesagt werde, noch deshalb für falsch, weil die Rede ungebildet über die Lippen komme. Aber auch nicht darum sei es wahr, weil es kunstlos gesagt werde, noch darum falsch, weil die Rede glänzend sei. Mit Wahrheit und Thorheit verhalte es sich wie mit gesunden und ungesunden Speisen, mit geschmückten und schmucklosen Worten aber wie mit feinen und rohen Gefäßen, die beide Speisen enthalten können. So wurde meine lang harrende Begierde nach jenem Menschen zwar gestillt durch das einnehmende Wesen, mit welchem er bei seinen Auseinandersetzungen in gewandten Worten seine Sätze schmückte. Vielen that ich es mit Loben und Preisen zuvor; doch nahm ich es übel auf, daß ich im Hörerkreise nichts gegen ihn einwenden und ihm meine dringenden Fragen nicht zur Beantwortung vorlegen durfte, denn er ließ sich auf trauliches Wechselgespräch nicht ein. Als ich dies endlich konnte, als er mir und meinen Freunden zugleich Gehör gab und ich ohne zudringlich zu werden mit ihm disputirte und Einiges vorbrachte, das mich am meisten bewegte, fand ich in ihm einen Mann, der in den freien Künsten unbewandert[98] war, die Grammatik ausgenommen, die er auch nur nach gewöhnlichem Maaß verstund. Er hatte einige Reden Cicero's gelesen, sehr wenig von Seneka's Schriften, Etliches aus den Poëten und das was in seiner Sekte in gutem Latein geschrieben war; dazu kam seine tägliche Uebung im Reden halten. Dadurch stand ihm eine Beredtsamkeit zu Gebot, die sich angenehm der Fassungskraft der Hörer einschmeichelte und mit natürlichem Witz geschmückt war. Ist es nicht so, Herr mein Gott, der du schon damals mich mit deiner geheimnisvoll verborgenen Vorsehung leitetest und meine schmählichen Irrthümer schon mir vor Augen brachtest, daß ich sie sah und haßte?


VII.

Nachdem ich mich von seiner Unwissenheit in den freien Künsten überzeugt hatte, in denen ich ihn für stark gehalten, verzweifelte ich an seiner Fähigkeit, mir das was mich bewegte zu eröffnen und auszulegen. Doch hätte er, auch in diesen Künsten unwissend, sich an die Wahrheit der Frömmigkeit halten können, wenn er nur kein Manichäer gewesen wäre. Denn ihre Bücher sind voll von den längsten Fabeln über den Himmel, die Sterne, Sonne und Mond und schon merkte ich, daß er mir keine genaue Auskunft geben konnte, ob die Vergleichung astronomischer Berechnungen, die ich anderswo gelesen hatte, auch die der Manichäer sei. Als ich ihm diesen Gegenstand zur Betrachtung und Besprechung vorlegte, beschied er sich, und wagte nicht in die schwierige Sache einzugehen, denn er wußte wohl, daß er sie nicht verstund, und schämte sich nicht, dieß zu gestehen. Jener Schwätzer einer war er nicht, von welchen ich so viele ertragen mußte, die mich über jene Dinge zu belehren trachteten und nichts sagten; sein Herz war zwar nicht zu dir gekehrt, aber es hielt nicht zu vermeßen auf sich selbst; so sehr unbekannt[99] war er mit seiner Unbekanntschaft nicht, wollte sich nicht blind in Abhandlungen einlaßen, aus welchen er sich nicht herausziehen und von welchen er sich dann nicht leicht mehr zurückziehen konnte, und auch darin gefiel er mir beßer. Denn diese Bescheidenheit einer aufrichtigen Seele ist beßer, als daß, was ich zu wißen wünschte. Und so fand ich ihn bei allen schwierigen und verwickelten Fragen. Nun ließ ich ab von dem Eifer, den ich auf die Schriften der Manichäer gewendet hatte, und verzweifelte um so mehr an ihren anderen Lehrern, da dieser berühmte sich also erwies. Ich fieng an mit ihm in wissenschaftlichen Verkehr zu treten, weil er sich sehr auf die Wissenschaften warf, die ich damals in Karthago als Lehrer der Beredsamkeit die jungen Leute lehrte, und las mit ihm Schriften, die er nur vom Hörensagen her kannte und kennen zu lernen wünschte oder die ich einem solchen Geist für angemessen hielt. So wurde eben durch die Bekanntschaft mit diesem Manne mein Eifer, mich in der Sekte hervorzuthun, untergraben; aber da ich noch nichts Beßeres fand, als was sie mir gab, so wollte ich mich vorläufig zufrieden geben, bis etwa etwas Beßeres erschiene, das eher zu wählen wäre. Und so begann Faustus, der so Vielen eine Schlinge des Todes war, die zu lösen, in der ich gefangen lag, ohne daß er es wollte und wußte, denn deine Hände, o Gott, hatten mich nach dem verhüllten Rathe deiner Vorsehung nicht verlaßen. Meiner Mutter blutendes Herz brachte dir Tag und Nacht für mich das Thränenopfer, und du thatest mit mir auf wundervolle Weise. Von dir ja werden die Schritte des Menschen gelenkt, auf daß er Lust habe an deinen Wegen. Und wo sonst wird Heil geschafft, als durch deine Hand, die wiederbringt, was du schufest?
[100]

VIII.

Du veranstaltest es mit mir, daß mir gerathen wurde, nach Rom zu reisen, um dort bequemer zu lehren, was ich in Karthago lehrte. Auch wie mir dieß gerathen ward, will ich vor dir bekennen, weil auch hierin dein verborgener Rath zu erkennen, und dein allwaltendes Erbarmen zu preisen ist. Nicht des Erwerbes und der Ehre wegen wollte ich nach Rom, obgleich auch das mich ansprach, und mir von Freunden in Aussicht gestellt wurde. Ich wollte hin hauptsächlich, weil ich vernahm, die jungen Studirenden lebten dort ruhiger und würden durch geordnetere Zucht in Schranken gehalten, so daß sie nicht in die Schule dessen, den sie nicht zum Lehrer hatten, frech und schaamlos sich eindrängten, daß sie überhaupt dort ohne Erlaubnis des Lehrers gar nicht zugelaßen würden. Dagegen leben in Karthago die Studirenden in der ungebundensten Zügellosigkeit, sie drängen sich unverschämt ein und stören mit fast wüthender Frechheit die Ordnung, die Jeder seinen Schülern, zu ihrem Nutzen, auflegt. Mit unbegreiflicher Rohheit verüben sie viele Vergehungen, welche gerichtlich bestraft werden müßten, wenn sie die Gewohnheit nicht schirmte, die sie um so heilloser zeigt, als sie wie etwas Erlaubtes ausüben, was durch dein Gesetz nie erlaubt ist, und es ungestraft zu begehen meinen, während sie doch schon durch diese sündige Verblendung gestraft werden und über alle Vergleichung mehr böses leiden, als sie thun. Die Sitten, welche ich als Studirender mir nicht aneignen wollte, sollte ich als Lehrer an Andern ertragen und darum wollte ich dahin gehen, wo solches, nach dem Zeugniß Aller, nicht geschah. Aber du, meine Hoffnung und mein Theil im Lande der Lebendigen, bewegtest mich für das Heil meiner Seele, meine Wohnung zu ändern; du erregtest in Karthago die mich forttreibenden Stacheln,[101] und veranlaßtest die nach Rom mich ziehenden Lockungen durch Menschen, welche das Leben des Todes liebten, darin unsinniges übend, und daher Werthloses verheißend. So benütztest du zu Lenkung meiner Schritte sowohl die Verkertheit Anderer, als die meine, denn die mich um meine Ruhe brachten, waren blind in schändlicher Verwilderung und die mich anderswohin luden, hingen an der Erde. Ich aber verwünschte hier das wahre Elend und suchte dort das falsche Glück. Du, Gott, wußtest, warum ich dort fortzog und dahin gieng; machtest es aber weder mir, noch der Mutter kund, die wegen meiner Abreise heftig um mich weinte und mich bis ans Meer begleitete. Ich betrog sie, die mich gewaltsam, um mich entweder zurückzuhalten, oder selbst mit mir zu gehen, festhielt, und gab vor, bei einem Freunde noch bleiben zu wollen, bis ihm günstiger Wind die Einschiffung möglich mache. So belog ich die Mutter, und welch eine Mutter! und entrann, während du mir erbarmend auch dieß vergabest und mich, der ich voll verdammlichen Unraths war, vor den Waßern des Meeres für das Waßer deiner Gnade aufbewahrtest, durch das ich gereinigt wurde, damit die Ströme der Mutteraugen getrocknet würden, mit welchen dir ihr Angesicht täglich für mich die Erde benetze. Ich vermochte sie, da sie sich weigerte, ohne mich zurückzukehren, mit Mühe zu überreden, daß sie in einer zum Gedächtniß des heiligen Cyprian errichteten Kirche, die unserem Schiffe nahe war, übernachtete. In dieser Nacht fuhr ich heimlich ab, und sie blieb zurück in Flehen und Weinen. Wohl bat sie von dir, mein Gott, mit solchen Thränen, du solltest mich nicht abreisen laßen; doch du erhörtest mit deinem erhabenen Rathe die Hauptsache all ihres Flehens um[102] mich, und thatest nicht, um was sie damals bat, damit du in mir thuest, was sie immer bat. Der Wind wehte, unsere Segel füllend, und entzog unsern Augen das Ufer, an dem am Morgen meine Mutter in ihren Schmerzen jammerte und mit Klagen und Aechzen dein Ohr erfüllte, als hättest du ihr Gebet verachtet, während du mich durch meine Leidenschaften hinwegrißest, um diese Leidenschaften zu enden, und während du der Mutter fleischliches Verlangen mit der gerechten Geißel der Schmerzen schlugest. Denn sie wünschte mich bei sich zu haben nach der Mütter Weise, in der sie es freilich vielen zuvorthat; sie wußte nicht, welche Freude du ihr durch meine Abwesenheit bereiten wolltest. Sie wußte es nicht, darum weinte und klagte sie, mit diesen Qualen tragend, was seit der ersten Menschenmutter jede trägt, das Seufzen um ihrer Liebe Kind, das sie mit Seufzen gebar. Und doch, nachdem sie meinen Trug und meine Grausamkeit angeklagt, wendete sie sich wieder, dich für mich um Verzeihung anzuflehen und gieng zu ihrer gewohnten Lebensweise – ich aber nach Rom.


IX.

Und siehe, da wurde ich von der Geißel leiblicher Krankheit getroffen und zog hinab, den Todten zu, mit mir tragend alles Böse, das ich viel und schwer gegen dich und mich und Andere verübt hatte, zu der Erbsünde Feßel, durch die wir alle in Adam sterben. Denn keine meiner Sünden hattest du mir noch in Christus vergeben, noch hatte er am Kreuze die Feindschaft nicht gelöst, in die ich gegen dich durch meine Sünden eingegangen war; denn wie hätte er sie am Kreuze als jenes Scheinbild, für das ich ihn gehalten, zu lösen vermocht? So[103] unwahr mir der Tod seines Leides schien, so wahr war der Tod meiner Seele, und so wahr der Tod seines Lebens war, so unwahr war das Leben meiner Seele, welche nicht daran glaubte. In schwerer werdendem Fieber ging ich schon dem Untergange zu; denn wo sollte ich hingehen, der ich von dir weggieng, als in Feuer und Qualen, meiner Thaten würdig nach der Wahrheit deiner Gesetzgebung? Die Mutter wußte nicht davon, und bat doch für mich auch, fern von mir; und du Allgegenwärtiger erhörtest sie, wo sie auch war, und wo ich war, da erbarmtest du dich mein, daß ich meine Gesundheit wieder erlangte, ob auch noch krank bleibend durch das gottlose Herz. Denn auch in solcher Gefahr verlangte ich nicht nach deiner Taufe! Ach, beßer war ich als Knabe einst, da ich sie, erweckt durch der Mutter Frömmigkeit, verlangte. Gewachsen war ich in meiner Schändlichkeit, wahnsinnig verlachte ich den Rath deines Heils, der du mich als einen solchen nicht zweimal wolltest sterben laßen. O wäre von diesem Schmerz meiner Mutter Herz verwundet worden, es wäre nimmer genesen, denn nicht genug kann ich es aussprechen, mit welcher Liebe sie mich liebte, und mit wie viel größerer Traurigkeit sie mich geistig gebar, als sie mich leiblich geboren hatte. Daher sehe ich ein, wie sie hätte genesen sollen, wenn mein Tod, wie er mich damals hätte treffen müßen, ihr Herz zerrißen hätte. Und wo wären jene großen, ohne Unterlaß vorgebrachten Bitten geblieben? Sie blieben bei dir; solltest wohl du, o Gott des Erbarmens, das zerstoßene und gedemüthigte Herz einer reinen und verständigen Wittwe verachtet[104] haben, die anhaltend ihre Almosen gab, deinen Heiligen folgte und diente, an keinem Tage ihre Darbringung zu deinem Altar unterließ, zweimal täglich, am Morgen und am Abend, ohne auszusetzen, deine Kirche besuchte, nicht leerer Fabeln und altweibischer Geschwätze wegen, sondern damit sie dich höre in deinen Reden, und du sie hörtest in ihren Gebeten? Solltest du ihre Thränen verachten und versagt ihnen deine Hülfe haben, mit welchen sie nicht Gold und Silber von dir hat, noch sonst ein wandelbar, flüchtiges Gut, sondern das Seelenheil ihres Sohnes, du, durch dessen Wirken sie also war? Nein, du warest da, und thatest erhörend nach dem Rathschluße, dessen Erfüllungszeit du vorher bestimmt hattest. Ferne sei es, daß du sie in jenen Gesichten und Offenbarungen getäuscht hättest, die ich schon erwähnte, die sie bewahrte im treuen Herzen, um deren Erfüllung sie immer flehte, als mahnte sie dich an eine ihr ausgestellte schriftliche Versicherung; denn so lange dein Erbarmen währt in der Zeit, läßest du dich herab, denen Schuldner durch deine Verheizungen zu werden, welchen du alle ihre Schulden erläßest.


X.

So hast du mich denn von jener Krankheit hergestellt und den Sohn deiner Magd an seinem Leibe gefunden lassen, damit er fähig werde, deine beßere, bleibendere Heilung zu empfangen. Auch in Rom wurde ich jetzt mit jenen betrogenen und betrügenden Heiligen verbunden und nicht nur mit denen, welche noch den niederen Grad der sogenannten Hörer hatten, zu denen auch der Hausvater gehörte, bei dem ich krank gelegen und genesen war, sondern auch mit denen, welche man die Auserwählten nennt. Und schon schien es mir wie ihnen, nicht wir seien es, die da sündigten, sondern in uns sündige eine andere Natur.[105] Und es freute meinen Stolz, ohne Sündenschuld zu sein, und wenn ich etwas Böses begangen hatte, nicht bekennen zu müssen, ich habe es begangen, worauf du doch meine Seele geheilt hättest, weil sie bekannt hätte, gegen dich gesündigt zu haben. Aber ich liebte es, meine Sünde zu entschuldigen und statt meiner etwas Anderes anzuklagen, das geheimnißvoll in mir sein sollte, ohne daß ich es selber war. Aber das Ganze war ich und wider mein Heil hatte mich meine Gottlosigkeit zertheilt. Und eben in dem bestand das Unheilbarste meiner Sünde, in welchem ich mich nicht selbst für einen Sünder hielt, und das war die fluchwürdige Ungerechtigkeit, daß ich lieber dich, o allmächtiger Gott, dich in mir zu meinem Verderben, als mich von dir zu meinem Heile überwunden haben wollte. Noch hattest du nicht behütet meinen Mund, noch nicht bewahrt meine Lippen, daß ich mein Herz nicht neige auf böse Reden, noch meine Sünden entschuldige mit den Uebelthätern (Psalm 141, 3. 4.). Doch wurde ich irre an der Manichäer Lehre und wurde in ihr läßiger, entschlossen wenigstens so lang mich ihr zu fügen, als ich nichts Beßeres fände. Auch war schon der Gedanke in mich gekommen, jene Weltweisen, die sogenannten Akademiker, seien die Klügsten, welche lehrten, man müße über Alles zweifeln, und der Mensch vermöge nichts wahres zu begreifen. Das schien mir, nach dem allgemeinen Urtheil, ihre Meinung zu sein, der ich nicht erkannte, worauf sie ausgiengen. Auch suchte ich ohne Scheu meinen Hausherrn von dem zu großen Vertrauen abzubringen, das er, wie ich merkte, in die Fabeln setzte, von welchen die Schriften der Manichäer voll sind. Doch blieb es bei der engern Verbindung mit den Manichäern, deren Viele Rom verbarg, und wenn ich ihren Lehren auch nicht mehr mit der frühern Glut zugethan war, so machte mich doch ihr Umgang träger gegen das Suchen eines Andern, da ich ja außerdem[106] schon an der Möglichkeit verzweifelte, es könne das Wahre in deiner Kirche gefunden werden, Herr des Himmels und der Erde, Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, von der mich jene abgewendet hatten. Für gar häßlich hielt ich den Glauben, du habest die Gestalt des menschlichen Fleisches und werdest begränzt von den leiblichen Umrißen unserer Glieder. Aber weil ich, wenn ich über meinen Gott denken wollte, nichts zu denken wußte, als körperliche Massen, so war dieß die erste unvermeidliche Ursache meines Irrthums. Darum meinte ich auch, es gebe ein ähnliches Körperwesen des Bösen, das entweder seine ungestalte, plumpe Masse habe, welche die Manichäer Erde nannten, oder eine dünne, feinere, wie der Luftkörper ist, und von welcher sie sich einbildeten, sie durchschleiche als ein boshafter Geist die Erde. Und weil meine Religiosität, wie sie auch sein mochte, mich doch zu glauben nöthigte, der gute Gott habe keine böse Natur erschaffen, so nahm ich zwei einander entgegengesetzte Massen an, beide unendlich, aber die böse im engeren, die gute im weiteren Sinne. Aus diesem verderblichen Anfang folgten meine übrigen gottlosen Meinungen, und diese schreckten mich vom Glauben der Kirche ab, während dieser Glaube gar das nicht war, für was ich ihn hielt. O mein Gott, zu dessen Erbarmen ich mich bekenne, wenn ich von dir glaubte, du bestehest endlos aus allen Theilen des Weltalls, obgleich ich dich durch einen Theil, in dem sich dir die Masse des Bösen entgegensetzte, begränzt sehen mußte, so hielt ich mich in diesem Glauben für gottseliger, als wenn ich geglaubt hätte, du werdest, statt von allen Theilen, nur von der Gestalt des menschlichen Körpers eingegränzt. Denn ich vermochte das Geistige gar nicht zu denken, und hielt es nur für einen feinen Körper, der sich durch den Raum ausgieße. Selbst von unserem Erlöser, deinem Eingeborenen, meinte ich, er sei aus dem Stoffe deiner lichthellsten[107] Masse zu unserem Heile herausgehalten worden, aber diese Lichtnatur könne nicht aus der Jungfrau Maria geboren werden, wenn sie nicht mit dem Fleische vermischt werde; diese Vermischung aber wäre ohne Befleckung nicht möglich, weil ich alles Fleisch für böse hielt. Und so fürchtete ich, an einem Fleisch Geborenen zu glauben, um nicht an einen im Fleisch Besteckten glauben zu müßen. – Wohl werden mich deines Geistes Kinder belächeln, wenn sie solche Bekenntnisse von mir lesen, aber so war ich.


XI.

Auch hielt ich für vertheidigungslos, was die Manichäer in deinen Schriften getadelt hatten, doch wünschte ich zuweilen mit gesunderem Geist, mich mit einem in der heiligen Schrift wohl Erfahrenen genauer zu besprechen, um seine Ansicht zu vernehmen. Schon in Karthago hatten mich die Reden eines gewissen Helpidius angeregt, mit welchen er Dinge über die Schrift von den Manichäern und gegen sie vorbrachte, welche sie nicht leicht widerlegen konnten; und schwach dünkte ihre Antwort mir, mit der sie, aus Furcht mehr heimlich als öffentlich, vorbrachten, die Schriften des neuen Testaments seien von unbekannten Händen verfälscht worden, die das jüdische Gesetz dem christlichen Glauben einpflanzen gewollt. Jedoch vermochten sie keine unverfälschten Exemplare vorzuzeigen und darum nicht zu sagen, was verfälscht sei. Aber immer noch erdrückten und erstickten mich jene Körpermassen in meinen das Geistige nicht begreifenden Gedanken, und unter ihnen seufzend vermochte ich nicht in der klaren, reinen Luft deiner Wahrheit zu athmen.
[108]

XII.

Mit Eifer führte ich nun das aus, wegen dessen ich nach Rom gekommen war; ich lehrte die Beredsamkeit und versammelte zuerst Einige zu Hause um mich, mit welchen und durch welche ich bekannt wurde. Und auch hier blieb ich nicht frei von Unrecht; zwar kamen hier jene Zügellosigkeit Karthago's nicht vor, aber plötzlich betrügen hier oft viele junge Leute den Lehrer um seine Belohnung, indem sie ihn, ehe seine Vorlesungen geendet sind, verlaßen und zusammen zu einem Andern laufen. Ich haßte sie, wenn auch nicht mit gerechtem Haß, denn ich haßte was sie thaten nur deshalb, weil sie es mir gethan. Und wahrlich schändlich genug sind Alle, die so von dir in Untreue wegschweifen, die flüchtige Lust, den schmutzigen Gewinn liebend, der wenn er ergriffen wird, die Hand befleckt. Während sie die flüchtige Welt umfaßen, verachten sie dich, der du bleibest und sie zurückrufst, damit du vergebest der aus sündiger Buhlschaft rückkehrenden Seele. Ja ich haße sie noch und liebe sie doch, um sie zu bessern, damit sie die Lehre selbst, die sie lernen, dem Gelde, ihr aber dich, o Gott, vorziehen, der du die Wahrheit bist und der Reichthum des wahren Guten, und der seligste Friede. Ich haße ihre Bosheit und liebe, sie ihnen zu nehmen. Aber damals mochte ich weit eher die Bösen nicht lieben meinetwegen, den sie beleidigten, als daß ich sie gut gewollt hätte deinetwegen, der du sie selig machst.


XIII.

Als daher von Mailand aus um einen Lehrer der Beredsamkeit nach Rom geschrieben, und damit die kostenfreie Reise auf der Staatsreise verbunden wurde, so bewarb ich mich darum durch die vom manichäischen Irrthum Benebelten, während[109] ich gieng, um von ihnen los zu werden; ob wir das gleich beide nicht wußten, als mich Symmachus, der damalige Stadtpräfekt nach genauer Proberede absandte. So kam ich nach Mailand zu dem Bischof Ambrosius, welcher der Erde als einer der Besten bekannt war, zu deinem frommen Verehrer, dessen Predigten damals eifrig das Beste deines Waizens, dein erfreuendes Oel und die nüchterne Trunkenheit deines Weines dem Volke boten. Zu ihm aber wurde ich, ohne daß ich es wußte, von dir geführt, damit ich von ihm, wohl darum wißend, zu dir geführt würde. Väterlich nahm mich dieser Gottesmann auf und freute sich mit Hirtenliebe meiner Uebersiedlung nach Mailand; und ich lernte ihn lieben, anfänglich zwar nicht als einen Lehrer der Wahrheit, weil ich verzweifelte, das Heil in der Kirche zu finden, sondern nur als einen gegen mich gütigen Mann. Eifrig hörte ich seine öffentlichen Vorträge, wohl nicht in der Absicht, die ich schuldig war, sondern nur, um zu prüfen, ob seine Beredtsamkeit ihren Ruf erreiche, ob sie herrlicher oder dürftiger ströme, als man von ihr pries. Von seinen Worten wurde meine Aufmerksamkeit gefeßelt, um die Gegenstände aber, die sie vortrugen, kümmerte ich mich nicht, und war als Verächter gegenwärtig. Mich ergötzte die Annehmlichkeit seines Vortrags, der gründlicher, aber weniger erheiternd und einschmeichelnd war, als der des Faustus, so weit er die Worte an sich betraf, denn die Gegenstände selbst litten keine Vergleichung; jener irrte ja durch die manichäische Trugfelder, dieser aber lehrte auf die heilsamste Weise das Heil. Doch das ist fern von den Sündern, deren einer ich damals mich einfand, und dennoch naht' ich ihm allmählich und unvermerkt.
[110]

XIV.

Denn ob es mir auch nicht darum zu thun war, zu lernen, was er sprach, sondern nur zu hören, wie er sprach, so kamen doch in mein Gemüth mit den Worten die ich liebte, zugleich auch die Dinge selbst; die ich geringschätze; ich konnte sie nicht davon losreißen, obgleich noch voll eitlen Kummers daran verzweifeln, daß dem Menschen irgend ein Pfad zu dir sich aufthue. Während ich nun das Herz aufschloß, um zu erfaßen, was er so beredt sprach, gieng zugleich das auch ein, was er so wahr gesprochen hatte, aber nur allmählich. Zuerst kam mir vor, es sei möglich, auch diese Dinge zu vertheidigen und es sei nicht zwecklos, den kirchlichen Glauben zu behaupten, der mir bisher unhaltbar gegen die Angriffe der Manichäer geschienen. Mit Eifer hörte ich dieses und jenes erklären, nicht selten wurde mir ein Räthsel in den Schriften des alten Bundes gelöst, während ich es buchstäblich nehmend, den Geist verlor. Die meisten Stellen der Schrift wurden mir ausgelegt und schon tadelte ich meine Rathlosigkeit, in der ich meinte, Gesetz und Propheten vermöchten sich gegen die Verwünschungen und Spötereien nicht zu halten, welche die Manichäer gegen sie ausstößen. Doch war ich da durch noch nicht der Ansicht, der kirchliche Glaubensweg müße schon darum betreten werden, weil er gelehrte Vertheidiger habe, die beredt und verständig die Einwürfe zurückweisen, und ich meinte, das, zu dem ich mich bekannte, müße deßwegen noch nicht verdammt werden, weil einige Theile seiner Vertheidigung zu Nichte gemacht wurden. So schien mir der Kirchenglaube nicht mehr überwunden, aber er konnte mir noch nicht als Sieger auftreten: Nun aber strengte ich mich nach bestimmten Beweisen an, mit welchen ich die Manichäer der Falschheit überweisen könnte, und hätte ich ein geistiges Wesen zu[111] denken vermocht, so wären alle diese Trugwerke entschleiert und aus meiner Seele geworfen worden; doch ich vermochte es nicht. Nun urtheilte ich nach sorgfältiger Erwägung, die meisten Philosophen haben über die Körperwelt und über jedes Wesen, das sich der sinnlichen Betrachtung darbeut, richtiger gedacht. Nach der Weise, die man den Akademikern zuschrieb, zweifelte ich an Allem und wurde zwischen Allem unentschieden umhergeworfen, doch entschloß ich mich endlich, die Manichäer zu verlassen, denn ich mochte in meiner Zweifelzeit nicht mehr in einer Sekte bleiben, der ich bereits einige Philosophen vorzog. Aber ich wollte auch diesen meiner Seele Heilung nicht anvertrauen, weil sie ohne den heilsamen Namen Christi waren. Und so beschloß ich, so lange in der mir von den Eltern empfohlenen Kirche als Katechumen zu bleiben, bis ein helleres Licht meine Schritte lenke.[112]

Quelle:
Augustinus: Die Bekenntnisse. Stuttgart 41863, S. 89-113.
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