Dreizehnte Rede

Dreiveden

[166] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene im Lande Kosalo von Ort zu Ort und kam, von vielen Mönchen begleitet, mit einer Schar von fünfhundert Mönchen, in die Nähe von Manasā-Bad, wie die Kosaler ein Priesterdorf dort genannt hatten262.

Bei Manasā-Bad weilte nun der Erhabene, im Norden von Manasā-Bad, am Gestade der Aciravatī, im Mangohaine.

Um diese Zeit nun hielten sich gar manche wohlbekannte, wohlberühmte hochmögende Priester zu Manasā-Bad auf, als da waren Caṉkī der Priester, Tārukkho der Priester, Pokkharasāti der Priester, Jāṇussoṇi der Priester, Todeyyo der Priester, und noch andere wohlbekannte, wohlberühmte hochmögende Priester.

Als nun eines Tages Vāseṭṭho und Bhāradvājo, zwei der jüngeren Priester, auf einem Spaziergange lustwandelnd sich ergingen, kam es über Weg und Weg unter ihnen zu einem Gespräche. Vāseṭṭho, der junge Priester, sagte nämlich:

»Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn, der da von Pokkharasāti dem Priester verkündet ward.«

Bhāradvājo aber263, der junge Priester, sagte:

»Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn, der da von Tārukkho dem Priester verkündet ward.«

Aber weder vermochte der junge Vāseṭṭher den jungen Bhāradvājer zu seiner Ansicht zu bringen, noch auch vermochte der junge Bhāradvājer den jungen Vāseṭṭher zu sich zu bekehren. Da wandte sich denn der junge Vāseṭṭher also an den jungen Bhāradvājer:

»Es hält sich da, o Bhāradvājo, der Asket Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, bei Manasā-Bad auf, im Norden von Manasā-Bad, am Gestade der Aciravatī, im Mangohaine. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ›Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter [167] der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene.‹ Wir wollen uns, o Bhāradvājo, dorthin begeben wo der Asket Gotamo weilt und den Asketen Gotamo darum befragen: wie es uns der Asket Gotamo erklären wird, so wollen wir es halten.«

»Gut, Herr!« sagte da zustimmend der junge Bhāradvājer zum jungen Vāseṭṭher.

Alsbald nun begaben sich Vāseṭṭher und Bhāradvājo die jungen Priester dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt tauschten sie höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzten sich beiseite nieder. Beiseite sitzend wandte sich dann der junge Vāseṭṭher also an den Erhabenen:

»Während wir, o Gotamo, auf einem Spaziergange lustwandelnd uns ergingen, kam es über Weg und Weg unter uns zu einem Gespräche. Ich nämlich sagte: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn, der da von Pokkharasāti dem Priester verkündet ward.‹ Der junge Bhāradvājer aber sagte: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn, der da von Tārukkho dem Priester verkündet ward.‹ Da ist es, o Gotamo, eben hierüber zu Streit und Hader gekommen, wir sind verschiedener Meinung.«

»Das heißt also, Vāseṭṭho, daß du behauptest: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn, der da von Pokkharasāti dem Priester verkündet ward‹; während der junge Bhāradvājer wieder meint: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn, der da von Tārukkho dem Priester verkündet ward‹: worüber denn aber seid ihr nun, Vāseṭṭho, in Streit und Hader geraten, worüber seid ihr verschiedener Meinung geworden?«

»Über Weg und Weg, o Gotamo. Wenn auch, o Gotamo, die Priester verschiedene Wege aufweisen, die Altarpriester und Opferpriester, die Sangespriester, die Spruchpriester264: so sind sie doch alle ausreichend, sie reichen dem Vollbringer aus um in brahmische Gemeinschaft einzugehn. Gleichwie etwa, o Gotamo, als wenn in der Nähe eines Dorfes oder einer Burg eine Menge verschiedener Wege und Pfade sich zeigen, aber sie alle nach dem Dorfe hin zusammenlaufen: ebenso nun auch, o Gotamo, mögen immerhin die Priester verschiedene Wege aufweisen, die Altarpriester und Opferpriester, die Sangespriester, die Spruchpriester, es sind doch alle ausreichend, sie reichen dem Vollbringer aus um in brahmische Gemeinschaft einzugehn265

[168] »Sie reichen aus, Vāseṭṭho, sagst du?«

»Sie reichen aus, o Gotamo, sag' ich.«

»Sie reichen aus, Vāseṭṭho, sagst du?«

»Sie reichen aus, o Gotamo, sag' ich.«

»Sie reichen aus, Vāseṭṭho, sagst du?«

»Sie reichen aus, o Gotamo, sag' ich.«

»Wie nun, Vāseṭṭho: gibt es unter den Dreivedenpriestern auch nur einen einzigen, der Brahmā selber gesehn hätte?«

»Das wohl nicht, o Gotamo!«

»Wie nun, Vāseṭṭho: gibt es unter den Dreivedenpriestern auch nur einen einzigen Meister oder Altmeister, der Brahmā selber gesehn hätte?«

»Das wohl nicht, o Gotamo!«

»Wie nun, Vāseṭṭho: gibt es irgendeinen unter den Dreivedenpriestern, bis zum siebenten Großmeisterahnen hinauf, der Brahmā selber gesehn hätte?«

»Das wohl nicht, o Gotamo!«

»Wie nun, Vāseṭṭho: die da vormals der Dreivedenpriester Seher waren, die Verfasser der Sprüche, Verkünder der Sprüche, deren uralte Spruchlieder, wie sie gesungen, ausgesprochen, gesammelt wurden, die Dreivedenpriester heute und hier ihnen nachsingen, ihnen nachsagen, das Gesagte weitersagen, das Gelehrte weiterlehren, als da waren Aṭṭhako, Vāmako, Vāmadevo, Vessāmitto, Yamataggi, Aṉgiraso, Bhāradvājo, Vāseṭṭho, Kassapo, Bhagu266: haben etwa diese gesagt: ›Wir wissen es, wir sehn es wo Brahmā ist, wie Brahmā ist, wann Brahmā ist?‹«

»Das wohl nicht, o Gotamo!«

»Das heißt also, Vāseṭṭho: es gibt unter den Dreivedenpriestern auch nicht einen einzigen, der Brahmā selber gesehn hätte; es gibt unter den Dreivedenpriestern auch nicht einen einzigen Meister oder Altmeister, der Brahmā selber gesehn hätte; es gibt unter den Dreivedenpriestern auch nicht irgendeinen, bis zum siebenten Großmeisterahnen hinauf, der Brahmā selber gesehn hätte; die aber, wie man sagt, vormals der Dreivedenpriester Seher waren, die Verfasser der Sprüche, Verkünder der Sprüche, deren uralte Spruchlieder, wie sie gesungen, ausgesprochen, gesammelt wurden, die Dreivedenpriester heute und hier ihnen nachsingen, ihnen nachsagen, das Gesagte weitersagen, das Gelehrte weiterlehren, als da waren Aṭṭhako, Vāmako, Vāmadevo, Vessāmitto, Yamataggi, Aṉgiraso, Bhāradvājo, Vāseṭṭho, Kassapo, Bhagu: auch diese haben nicht gesagt: ›Wir wissen es, wir sehn es wo Brahmā ist, wie Brahmā ist, wann Brahmā ist‹; jene267 Dreivedenpriester haben nur gesagt: ›Den wir nicht kennen, den wir nicht sehn, zur Einkehr bei ihm weisen wir den Weg: das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft [169] einzugehn‹; was meinst du wohl, Vāseṭṭho: haben nun nicht, bei solcher Bewandtnis, die Dreivedenpriester Unbegreifliches ausgesagt?«

»Freilich, o Gotamo, bei solcher Bewandtnis haben die Dreivedenpriester Unbegreifliches ausgesagt.«

»Gut, Vāseṭṭho: daß eben jene Dreivedenpriester, den sie nicht kennen, den sie nicht sehn, zur Einkehr bei ihm den Weg weisen könnten: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn‹: das ist unmöglich268. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, eine Reihe Blinder, einer dem anderen angeschlossen, und kein vorderer sieht, und kein mittlerer sieht, und kein letzterer sieht: ebenso nun auch, Vāseṭṭho, als eine Reihe Blinder will mir das Reden der Dreivedenpriester erscheinen, wo kein vorderer sieht, und kein mittlerer sieht, und kein letzterer sieht; denen gereicht, den Dreivedenpriestern, jene Rede nur zum Spotte, zum bloßen Namen, erweist sich ganz eitel und nichtig. – Was meinst du wohl, Vāseṭṭho: sehn die Dreivedenpriester Sonne und Mond, wie eben auch andere Leute mehr, wo da Sonne und Mond aufgehn und wo sie untergehn, flehn sie an, besingen sie, verneigen sich huldigend vor ihnen, Tag um Tag ihnen dienend269

»Gewiß, o Gotamo: es sehn die Dreivedenpriester Sonne und Mond, wie eben auch andere Leute mehr, wo da Sonne und Mond aufgehn und wo sie untergehn, flehn sie an, besingen sie, verneigen sich huldigend vor ihnen, Tag um Tag ihnen dienend.«

»Was meinst du wohl, Vāseṭṭho: was sie sehn, die Dreivedenpriester, Sonne und Mond, wie eben auch andere Leute mehr, wo da Sonne und Mond aufgehn und wo sie untergehn, die sie anflehn, besingen, vor denen sie sich huldigend verneigen, denen sie Tag um Tag dienen: vermögen sie, die Dreivedenpriester, auch nur bei denen zur Einkehr, bei Sonne und Mond, den Weg zu weisen: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in Sonnen- und Mondengemeinschaft einzugehn270?‹«

»Das wohl nicht, o Gotamo!«

»Das heißt also, Vāseṭṭho: was sie sehn, die Dreivedenpriester, Sonne und Mond, wie eben auch andere Leute mehr, wo da Sonne und Mond aufgehn und wo sie untergehn, die sie anflehn, besingen, vor denen sie sich huldigend verneigen, denen sie Tag um Tag dienen: auch nur bei denen vermögen sie nicht, bei Sonne und Mond, zur Einkehr den Weg zu weisen: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in Sonnen- und Mondengemeinschaft einzugehn‹: wie nun? Die Dreivedenpriester haben, sagen sie, Brahmā nicht selber gesehn; auch die Meister und Altmeister der Dreivedenpriester haben, sagen sie,[170] Brahmā nicht selber gesehn; auch nicht irgendeiner der Dreivedenpriester, sagen sie, bis zum siebenten Großmeisterahnen hinauf, hat Brahmā selber gesehn; die aber, wie man sagt, vormals der Dreivedenpriester Seher waren, die Verfasser der Sprüche, Verkünder der Sprüche, deren uralte Spruchlieder, wie sie gesungen, ausgesprochen, gesammelt wurden, die Dreivedenpriester heute und hier ihnen nachsingen, ihnen nachsagen, das Gesagte weitersagen, das Gelehrte weiterlehren, als da waren Aṭṭhako, Vāmako, Vāmadevo, Vessāmitto, Yamataggi, Aṉgiraso, Bhāradvājo, Vāseṭṭho, Kassapo, Bhagu: auch diese haben nicht gesagt: ›Wir wissen es, wir sehn es wo Brahmā ist, wie Brahmā ist, wann Brahmā ist‹; jene Dreivedenpriester haben nur gesagt: ›Den wir nicht kennen, den wir nicht sehn, zur Einkehr bei ihm weisen wir den Weg: das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn‹; was meinst du wohl, Vāseṭṭho: haben nun nicht, bei solcher Bewandtnis, die Dreivedenpriester Unbegreifliches ausgesagt?«

»Freilich, o Gotamo, bei solcher Bewandtnis haben die Dreivedenpriester Unbegreifliches ausgesagt.«

»Gut, Vāseṭṭho: daß eben die Dreivedenpriester, den sie nicht kennen, den sie nicht sehn, zur Einkehr bei ihm den Weg weisen könnten: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn‹: das ist unmöglich. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, wenn ein Mann also spräche: ›Ich habe nach ihr, die da im ganzen Lande die Schönste ist, Verlangen, habe Sehnsucht nach ihr‹; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, die Schönste des Landes, nach der du verlangst und dich sehnst, kennst du diese, ob es eine Fürstin oder eine Priestertochter, ein Bürgermädchen oder eine Dienerin ist?‹; und er gäbe ›Nein‹ zur Antwort; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, die Schönste des Landes, nach der du verlangst und dich sehnst, kennst du diese, weißt du, wie sie heißt, wo sie herstammt oder hingehört, ob sie von großer oder von kleiner oder von mittlerer Gestalt ist, ob ihre Hautfarbe schwarz oder braun oder gelb ist, in welchem Dorf oder welcher Burg oder welcher Stadt sie zuhause ist?‹; und er gäbe ›Nein‹ zur Antwort; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, die du nicht kennst und nicht siehst, nach der verlangst du, sehnst dich nach ihr?‹; und er gäbe ›Ja‹ zur Antwort; was meinst du wohl, Vāseṭṭho: hätte nun nicht, bei solcher Bewandtnis, jener Mann unbegreifliche Antwort gegeben?«

»Freilich, o Gotamo, bei solcher Bewandtnis hätte jener Mann unbegreifliche Antwort gegeben.«

»Ebenso auch ist es, Vāseṭṭho, mit jenen Dreivedenpriestern. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, wenn ein Mann auf dem Marktplatz eine Leiter errichtete [171] um einen Turm zu ersteigen; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, da du einen Turm zu ersteigen die Leiter errichtest, weißt du was für ein Turm es ist, ob er nach Osten oder nach Süden, nach Westen oder nach Norden zu steht, ob es ein hoher oder ein niederer oder ein mittlerer ist?‹; und er gäbe ›Nein‹ zur Antwort; und man fragte ihn: ›Lieber Mann, den du nicht kennst und nicht siehst, um einen solchen Turm zu ersteigen errichtest du die Leiter?‹; und er gäbe ›Ja‹ zur Antwort; was meinst du wohl, Vāseṭṭho: hätte nun nicht, bei solcher Bewandtnis, jener Mann unbegreifliche Antwort gegeben?«

»Freilich, o Gotamo, bei solcher Bewandtnis hätte jener Mann unbegreifliche Antwort gegeben.«

»Ebenso auch ist es, Vāseṭṭho, mit jenen Dreivedenpriestern: daß etwa sie, den sie nicht kennen, den sie nicht sehn, zur Einkehr bei ihm den Weg weisen könnten: ›Das nur ist der gerade Weg, der den Spuren nachfolgt, der ausreichend ist, der dem Vollbringer ausreicht um in brahmische Gemeinschaft einzugehn‹: das ist unmöglich. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, diese Aciravatī hinfließt, voll von Wasser, schon das Ufer erreicht271, für Krähen schlürfbar; und es käme ein Mann herbei, der hinüber sollte, hinüberzukommen suchte, hinüber müßte, hinübergelangen wollte: der stände hüben am Gestade und riefe das Gestade drüben an: ›O komme, du drüben, herüber! O komme, du drüben, herüber272!‹; was meinst du wohl, Vāseṭṭho: würde nun etwa, weil der Mann da riefe, weil er da flehte, weil er bäte und schmeichelte, jenes Gestade dort über die Wellen der Aciravatī an dieses Gestade hier herkommen?«

»Gewiß nicht, o Gotamo!«

»Ebenso nun auch, Vāseṭṭho, haben die Dreivedenpriester von Dingen, die den Priester ausmachen, sich abgewandt, an Dinge, die keinen Priester ausmachen, sich gewöhnt und dann also gesprochen: ›Den Sonnigen rufen wir, den Mondigen rufen wir, den Himmlischen rufen wir, den Herrlichen rufen wir, den Schaffenden rufen wir, den Heiligen rufen wir, den Mächtigen rufen wir, den Schützenden rufen wir273!‹ Daß aber, Vāseṭṭho, die Dreivedenpriester, die von Dingen, die den Priester ausmachen, sich abgewandt, an Dinge, die keinen Priester ausmachen, sich gewöhnt haben, weil sie da rufen, weil sie da flehn, weil sie bitten und schmeicheln, bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, zu Brahmā gemeinsam eingehn könnten: das ist unmöglich. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, diese Aciravatī hinfließt, voll von Wasser, schon das Ufer erreicht, für Krähen schlürfbar; und es käme ein Mann herbei, der hinüber sollte, hinüberzukommen suchte, hinüber müßte, hinübergelangen wollte: der würde hüben am Gestade mit einer starken Kette, die Hände nach hinten, in feste Fesseln geschlagen; was meinst du wohl, Vāseṭṭho: könnte nun etwa der Mann da von diesem Gestade hier über die Wellen der Aciravatī an jenes Gestade dort hingelangen?«

[172] »Durchaus nicht, o Gotamo!«

»Ebenso nun auch, Vāseṭṭho, werden da die fünf Begehrungen im Orden des Heiligen ›Kette‹ genannt, werden ›Fessel‹ genannt: und welche fünf? Die durch das Gesicht ins Bewußtsein tretenden Formen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Gehör ins Bewußtsein tretenden Töne, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geruch ins Bewußtsein tretenden Düfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geschmack ins Bewußtsein tretenden Säfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Getast ins Bewußtsein tretenden Tastungen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden. Das sind, Vāseṭṭho, die fünf Begehrungen, die man im Orden des Heiligen ›Kette‹ genannt hat, ›Fessel‹ genannt hat. Das sind, Vāseṭṭho, die fünf Begehrungen, wobei die Dreivedenpriester verlockt, geblendet, hingerissen, ohne das Elend zu sehn, ohne an Entrinnung zu denken, ihr Teil genießen. Daß aber, Vāseṭṭho, die Dreivedenpriester, die von Dingen, die den Priester ausmachen, sich abgewandt, an Dinge, die keinen Priester ausmachen, sich gewöhnt haben und bei den fünf Begehrungen verlockt, geblendet, hingerissen, ohne das Elend zu sehn, ohne an Entrinnung zu denken, ihr Teil genießen, von Wunscheswillen gefesselt274, bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, zu Brahmā gemeinsam eingehn könnten: das ist unmöglich. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, diese Aciravatī hinfließt, voll von Wasser, schon das Ufer erreicht, für Krähen schlürfbar; und es käme ein Mann herbei, der hinüber sollte, hinüberzukommen suchte, hinüber müßte, hinübergelangen wollte: der hätte sich hüben am Gestade vom Scheitel bis zur Sohle eingehüllt niedergelegt; was meinst du wohl, Vāseṭṭho: könnte nun etwa der Mann da von diesem Gestade hier über die Wellen der Aciravatī an jenes Gestade dort hingelangen?«

»Allerdings nicht, o Gotamo!«

»Ebenso nun auch, Vāseṭṭho, werden da die fünf Hemmungen im Orden des Heiligen ›Hemmnisse‹ genannt, werden ›Hemmungen‹ genannt, werden ›Zögernisse‹ genannt, werden ›Verwicklungen‹ genannt275: und welche fünf? Die Hemmung durch Wunscheswillen, die Hemmung durch Hassensgroll, die Hemmung durch matte Müde, die Hemmung durch stolzen Unmut, die Hemmung durch Schwanken. Das sind, Vāseṭṭho, die fünf Hemmungen, die man im Orden des Heiligen ›Hemmnisse‹ genannt hat, ›Hemmungen‹ genannt hat, ›Zögernisse‹ genannt hat, ›Verwicklungen‹ genannt hat. In diese fünf Hemmungen, Vā seṭṭho, sind die Dreivedenpriester eingeschlossen, eingeschnürt, [173] verzogen und verwickelt. Daß aber, Vāseṭṭho, die Dreivedenpriester, die von Dingen, die den Priester ausmachen, sich abgewandt, an Dinge, die keinen Priester ausmachen, sich gewöhnt haben und in die fünf Hemmungen eingeschlossen, eingeschnürt, verzogen und verwickelt sind, bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, zu Brahmā gemeinsam eingehen könnten: das ist unmöglich. – Was meinst du wohl, Vāseṭṭho: hast du vielleicht276 von den Priestern, den ergrauten, bejahrten, den Meistern und Altmeistern reden hören: umschränkt ist Brahmā, oder unumschränkt?«

»Unumschränkt, o Gotamo!«

»Ein grimmiger Geist, oder kein grimmiger Geist?«

»Kein grimmiger Geist, o Gotamo!«

»Ein grollender Geist, oder kein grollender Geist?«

»Kein grollender Geist, o Gotamo!«

»Ein unsauberer Geist, oder kein unsauberer Geist?«

»Kein unsauberer Geist, o Gotamo!«

»Selbstgewaltig, oder nicht selbstgewaltig?«

»Selbstgewaltig, o Gotamo!«

»Was meinst du wohl, Vāseṭṭho: sind die Dreivedenpriester umschränkt, oder unumschränkt?«

»Umschränkt, o Gotamo277

»Grimmige Geister, oder keine grimmigen Geister?«

»Grimmige Geister, o Gotamo!«

»Grollende Geister, oder keine grollenden Geister?«

»Grollende Geister, o Gotamo!«

»Unsaubere Geister, oder keine unsauberen Geister?«

»Unsaubere Geister, o Gotamo!«

»Selbstgewaltig, oder nicht selbstgewaltig?«

»Nicht selbstgewaltig, o Gotamo!«

»Das heißt also, Vāseṭṭho: umschränkt sind die Dreivedenpriester, unumschränkt ist Brahmā. Kann es nun etwa zwischen den umschränkten Dreivedenpriestern und dem unumschränkten Brahmā eine Übereinstimmung, ein Übereinkommen geben?«

»Freilich wohl nicht, o Gotamo!«

»Gut, Vāseṭṭho: daß eben die umschränkten Dreivedenpriester, bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, zu dem unumschränkten Brahmā gemeinsam eingehn könnten: das ist unmöglich278. – So sagst du denn, Vāseṭṭho: grimmige Geister seien die Dreivedenpriester, Brahmā sei kein grimmiger Geist; grollende Geister seien die Dreivedenpriester, Brahmā sei kein grollender Geist; unsaubere Geister seien die Dreivedenpriester, Brahmā sei kein unsauberer Geist; nicht selbstgewaltig seien die Dreivedenpriester,[174] Brahmā sei selbstgewaltig. Kann es nun da etwa zwischen den grimmigen, grollenden, unsauberen, nicht selbstgewaltigen Dreivedenpriestern und dem nicht grimmigen, nicht grollenden, nicht unsauberen, selbstgewaltigen Brahmā eine Übereinstimmung, ein Übereinkommen geben?«

»Freilich wohl nicht, o Gotamo!«

»Gut, Vāseṭṭho: daß eben die grimmigen, grollenden, unsauberen, nicht selbstgewaltigen Dreivedenpriester, bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, zu dem nicht grimmigen, nicht grollenden, nicht unsauberen, selbstgewaltigen Brahmā gemeinsam eingehn könnten: das ist unmöglich. Da sind sie aber nun, Vāseṭṭho, die Dreivedenpriester, darauf versessen und bleiben sitzen; sitzen geblieben entsetzen sie sich dann wohl: allzu leicht, mein' ich, leben sie dahin279. Darum wird das der Dreivedenpriester Dreivedenwüste genannt, Dreivedenwildnis genannt, Dreivedenverderbnis genannt.«

Nach diesen Worten wandte sich der junge Vāseṭṭher also an den Erhabenen:

»Reden hab' ich hören, o Gotamo: ›Der Asket Gotamo kennt den Weg, der zu Brahmā eingehn läßt.‹«

»Was meinst du wohl, Vāseṭṭho: ist Manasā-Bad nahebei, liegt es unweit von hier?«

»Freilich, o Gotamo, ist Manasā-Bad nahebei, es liegt unweit von hier.«

»Was meinst du wohl, Vāseṭṭho: es sei da ein Mann, in Manasā-Bad von Geburt auferwachsen, und man fragte ihn, wie weit es noch des Weges nach Manasā-Bad sei: würde da nun, Vāseṭṭho, dieser Mann, in Manasā-Bad von Geburt auferwachsen, um den Weg nach Manasā-Bad gefragt, irgend zögern oder zaudern?«

»Gewiß nicht, o Gotamo!«

»Und warum nicht?«

»Der Mann ist ja, o Gotamo, in Manasā-Bad von Geburt auferwachsen: so kennt er denn alle die Wege um Manasā-Bad genau.«

»Doch könnte, Vāseṭṭho, dieser Mann, in Manasā-Bad von Geburt auferwachsen, um den Weg nach Manasā-Bad gefragt, irgend zögern oder zaudern: nicht aber kann der Vollendete, um brahmische Welt oder den in brahmische Welt geleitenden Pfad gefragt, irgend zögern oder zaudern. Den Brahmā, Vāseṭṭho, kenn' ich wohl, und brahmische Welt, und den in brahmische Welt geleitenden Pfad, und auf welche Weise Brahmā in brahmische Welt gelangt ist, auch das weiß ich280

Also berichtet wandte sich der junge Vāseṭṭher mit diesen Worten an den Erhabenen:

»Reden hab' ich hören, o Gotamo: ›Der Asket Gotamo zeigt den Weg, der zu Brahmā eingehn läßt.‹ Gut wär' es, wenn uns Herr Gotamo den Weg zeigen[175] wollte, der zu Brahmā eingehn läßt: emporziehen möge Herr Gotamo das Priestergeschlecht!«

»Wohlan denn, Vāseṭṭho, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Ja, Herr!« sagte da aufmerksam der junge Vāseṭṭher zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Da erscheint, Vāseṭṭho, der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketentum dar. – Diese Lehre hört ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, oder einer, der in anderem Stande neugeboren ward. Nachdem er diese Lehre gehört hat, faßt er Vertrauen zum Vollendeten. Von diesem Vertrauen erfüllt denkt und überlegt er also: ›Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?‹ So gibt er denn später einen kleinen Besitz oder einen großen Besitz auf, hat einen kleinen Verwandtenkreis oder einen großen Verwandtenkreis verlassen und ist mit geschorenem Haar und Barte, im fahlen Gewande von Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen. – Also Pilger geworden bleibt er in reiner Zucht richtig gezügelt, lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter, Schritt um Schritt; in Taten und Worten heilsam beflissen lebt er rein, ist tüchtig in Tugend, hütet die Tore der Sinne, gewappnet mit klarem Bewußtsein, zufrieden.

Wie aber, Vāseṭṭho, ist der Mönch tüchtig in Tugend? Da hat, Vāseṭṭho, der Mönch Lebendiges umzubringen verworfen, Lebendiges umzubringen liegt ihm fern: ohne Stock, ohne Schwert, fühlsam, voll Teilnahme, hegt er zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid. Das eben gilt ihm als Tugend. – Nichtgegebenes zu nehmen hat er verworfen, vom Nehmen des Nichtgegebenen hält er sich fern: Gegebenes nimmt er, Gegebenes wartet er ab, nicht diebisch gesinnt, rein gewordenen Herzens. Das eben gilt ihm als Tugend. – Die Unkeuschheit hat er verworfen, keusch lebt er: fern zieht er hin, entraten der Paarung, dem gemeinen Gesetze. Das eben gilt ihm als Tugend. – Lüge hat er verworfen, von Lüge hält er sich fern: die Wahrheit spricht er, [176] der Wahrheit ist er ergeben, standhaft, vertrauenswürdig, kein Heuchler und Schmeichler der Welt. Das eben gilt ihm als Tugend. – Das Ausrichten hat er verworfen, vom Ausrichten hält er sich fern: was er hier gehört hat erzählt er dort nicht wieder um jene zu entzweien, und was er dort gehört hat erzählt er hier nicht wieder um diese zu entzweien; so einigt er Entzweite, festigt Verbundene, Eintracht macht ihn froh, Eintracht freut ihn, Eintracht beglückt ihn, Eintracht fördernde Worte spricht er. Das eben gilt ihm als Tugend. – Barsche Worte hat er verworfen, von barschen Worten hält er sich fern: Worte, die frei von Schimpf sind, dem Ohre wohltuend, liebreich, zum Herzen dringend, höflich, viele erfreuend, viele erhebend, solche Worte spricht er. Das eben gilt ihm als Tugend. – Plappern und Plaudern hat er verworfen, von Plappern und Plaudern hält er sich fern: zur rechten Zeit spricht er, den Tatsachen gemäß, auf den Sinn bedacht, der Lehre und Ordnung getreu, seine Rede ist reich an Inhalt, gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt, klar und bestimmt, ihrem Gegenstande angemessen. Das eben gilt ihm als Tugend. – Sämereien und Pflanzungen anzulegen hat er verschmäht. Einmal des Tags nimmt er Nahrung zu sich, nachts ist er nüchtern, fern liegt es ihm zur Unzeit zu essen. Von Tanz, Gesang, Spiel, Schaustellungen hält er sich fern. Kränze, Wohlgerüche, Salben, Schmuck, Zierat, Putz weist er ab. Hohe, prächtige Lagerstätten verschmäht er. Gold und Silber nimmt er nicht an. Rohes Getreide nimmt er nicht an. Rohes Fleisch nimmt er nicht an. Frauen und Mädchen nimmt er nicht an. Diener und Dienerinnen nimmt er nicht an. Ziegen und Schafe nimmt er nicht an. Hühner und Schweine nimmt er nicht an. Elefanten, Rinder und Rosse nimmt er nicht an. Haus und Feld nimmt er nicht an. Botschaften, Sendungen, Aufträge übernimmt er nicht. Von Kauf und Verkauf hält er sich fern. Von falschem Maß und Gewicht hält er sich fern. Von den schiefen Wegen der Bestechung, Täuschung, Niedertracht hält er sich fern. Von Raufereien, Schlägereien, Händeln, vom Rauben, Plündern und Zwingen hält er sich fern. Das eben gilt ihm als Tugend.

Ein solcher Mönch nun, Vāseṭṭho, also tüchtig in Tugend, kann nicht irgendwoher noch Gefahr erspähn, weil er tüchtig gerüstet ist. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, ein gesalbter Kriegerfürst, wann er den Feind niedergestreckt hat, nicht irgendwoher noch Gefahr erspähn kann, weil er ja tapfer gegenübersteht: ebenso auch, Vāseṭṭho, kann der Mönch, also tüchtig in Tugend, nicht irgendwoher noch Gefahr erspähn, weil er ja tüchtig gerüstet ist. Durch die Erfüllung dieser heiligen Tugendsatzung empfindet er ein inneres fleckenloses Glück. Also ist der Mönch, Vāseṭṭho, tüchtig in Tugend.

Wie aber, Vāseṭṭho, hütet der Mönch die Tore der Sinne? Hat da, Vāseṭṭho, der Mönch mit dem Gesichte eine Form erblickt, so faßt er keine Neigung, faßt keine Absicht. Da Begierde und Mißmut, böse und schlechte Gedanken [177] gar bald den überwältigen, der unbewachten Gesichtes verweilt, befleißigt er sich dieser Bewachung, er hütet das Gesicht, er wacht eifrig über das Gesicht. Hat er mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat er mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat er mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt, hat er mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat er mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so faßt er keine Neigung, faßt keine Absicht Da Begierde und Mißmut, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gedenkens verweilt, befleißigt er sich dieser Bewachung, er hütet das Gedenken, er wacht eifrig über das Gedenken. Durch die Erfüllung dieser heiligen Sinnenzügelung empfindet er ein inneres ungetrübtes Glück. Also hütet, Vāseṭṭho, der Mönch die Tore der Sinne.

Wie aber, Vāseṭṭho, ist der Mönch mit klarem Bewußtsein gewappnet? Da ist, Vāseṭṭho, der Mönch klar bewußt beim Kommen und Gehn, klar bewußt beim Hinblicken und Wegblicken, klar bewußt regt und bewegt er sich, klar bewußt trägt er des Ordens Gewand und Almosenschale, klar bewußt ißt er und trinkt er, kaut er und schmeckt er, klar bewußt entleert er Kot und Harn, klar bewußt geht er und steht er und sitzt er, schläft er ein, wacht er auf, spricht er und schweigt er. Also ist, Vāseṭṭho, der Mönch mit klarem Bewußtsein gewappnet.

Wie aber, Vāseṭṭho, ist der Mönch zufrieden? Da ist, Vāseṭṭho, der Mönch zufrieden mit dem Gewande, das seinen Leib deckt, mit der Almosenspeise, die sein Leben fristet; wohin er auch pilgert, nur mit dem Gewande und der Almosenschale versehn pilgert er. Gleichwie da etwa, Vāseṭṭho, ein beschwingter Vogel, wohin er auch fliegt, nur mit der Last seiner Federn fliegt: ebenso auch, Vāseṭṭho, ist der Mönch zufrieden mit dem Gewande, das seinen Leib deckt, mit der Almosenspeise, die sein Leben fristet; wohin er auch pilgert, nur mit dem Gewande und der Almosenschale versehn pilgert er. Also ist, Vāseṭṭho, der Mönch zufrieden.

Treu dieser heiligen Tugendsatzung, treu dieser heiligen Sinnenzügelung, treu dieser heiligen klaren Einsicht, treu dieser heiligen Zufriedenheit sucht er einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Er hat weltliche Begierde verworfen und verweilt begierdelosen Gemütes, von Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er verworfen, haßlosen Gemütes verweilt er, voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läutert er sein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er verworfen, von matter Müde ist er frei; das Licht liebend, einsichtig, klar bewußt, läutert er sein Herz von matter Müde. [178] Stolzen Unmut hat er verworfen, er ist frei von Stolz; innig beruhigten Gemütes läutert er sein Herz von stolzem Unmut. Das Schwanken hat er verworfen, der Ungewißheit ist er entronnen; er zweifelt nicht am Guten, vom Schwanken läutert er sein Herz.

Während er so diese fünf Hemmungen281 in sich aufgehoben erkennt, wird er freudig bewegt. Freudig bewegt wird er heiter. Heiteren Herzens wird der Körper beschwichtigt. Körperbeschwichtigt fühlt er sich wohl. Sich wohl fühlend wird sein Geist einig. Liebevollen Gemütes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, ein kräftiger Trompeter gar mühelos nach den vier Seiten posaunen kann, ebenso nun auch, Vāseṭṭho, kann in also geübter liebevoller Gemüterlösung beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Das aber ist, Vāseṭṭho, der Weg, der zu Brahmā eingehn läßt.

Weiter sodann, Vāseṭṭho: erbarmenden Gemütes, freudevollen Gemütes, unbewegten Gemütes weilend strahlt der Mönch nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüte, mit freudevollem Gemüte, mit unbewegtem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Gleichwie etwa, Vāseṭṭho, ein kräftiger Trompeter gar mühelos nach den vier Seiten posaunen kann, ebenso nun auch, Vāseṭṭho, kann in also geübter erbarmender, freudevoller, unbewegter Gemüterlösung beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Das aber ist, Vāseṭṭho, der Weg, der zu Brahmā eingehn läßt. – Was meinst du wohl, Vāseṭṭho: ein Mönch, der also verweilt, ist der umschränkt, oder unumschränkt?«

»Unumschränkt, o Gotamo!«

»Ein grimmiger Geist, oder kein grimmiger Geist?«

»Kein grimmiger Geist, o Gotamo!«

»Ein grollender Geist, oder kein grollender Geist?«

»Kein grollender Geist, o Gotamo!«

»Ein unsauberer Geist, oder kein unsauberer Geist?«

»Kein unsauberer Geist, o Gotamo!«

»Selbstgewaltig, oder nicht selbstgewaltig?«

»Selbstgewaltig, o Gotamo!«

»Das heißt also, Vāseṭṭho: unumschränkt ist der Mönch, unumschränkt Brahmā. Kann es nun etwa zwischen dem unumschränkten Mönche und dem [179] unumschränkten Brahmā eine Übereinstimmung, ein Übereinkommen geben?«

»Freilich, o Gotamo!«

»Gut, Vāseṭṭho: daß eben der unumschränkte Mönch, bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, zu dem unumschränkten Brahmā gemeinsam eingehn könnte: das ist möglich. – So sagst du denn, Vāseṭṭho: kein grimmiger Geist sei der Mönch, kein grimmiger Geist Brahmā; kein grollender Geist sei der Mönch, kein grollender Geist Brahmā; kein unsauberer Geist sei der Mönch, kein unsauberer Geist Brahmā; selbstgewaltig sei der Mönch, selbstgewaltig Brahmā. Kann es nun da etwa zwischen dem nicht grimmigen, nicht grollenden, nicht unsauberen, selbstgewaltigen Mönche und dem nicht grimmigen, nicht grollenden, nicht unsauberen, selbstgewaltigen Brahmā eine Übereinstimmung, ein Übereinkommen geben?«

»Freilich, o Gotamo!«

»Gut, Vāseṭṭho: daß eben der nicht grimmige, nicht grollende, nicht unsaubere, selbstgewaltige Mönch bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, zu dem nicht grimmigen, nicht grollenden, nicht unsauberen, selbstgewaltigen Brahmā gemeinsam eingehn könnte: das ist möglich.«

Nach dieser Rede wandten sich die jungen Priester, Vāseṭṭho und Bhāradvājo, also an den Erhabenen:

»Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Als Anhänger möge Herr Gotamo uns betrachten, von heute an zeitlebens getreu282

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 2, Zürich/Wien 31957, S. 166-180.
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