Dahin ob wandeln oder stehn,
Ob sitzen, ob man liegen mag,
Herab sich beugen, richten auf:
Man heißt es Körperregung hier.
Aus Bein und Sehnen aufgebaut,
Mit Muskeln und mit Fleisch bedeckt,
Der Körper, mit der Haut verhüllt,
Er scheint nicht was er wirklich ist.
Der Leib ist voll, der Bauch ist voll,
Von Leber, Zwerchfell, Blase, Darm,
Das Herz, die Lunge faßt er ein,
Die Niere birgt er, birgt die Milz.
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Von Rotz und Speichel ist er voll,
Ist feucht von Schweiße, feucht von Fett,
Mit Blut, Gelenköl angefüllt,
Mit Gallensäure, Saft im Mark.
Aus neun der Quellen quillt es ihm,
Fließt unrein immer Saft ihm aus:
Vom Auge sickert Augenharz,
Vom Ohr ihm wieder Ohrenschmalz,
[49] 198
Bald rinnt ihm aus der Nase Rotz,
Und aus dem Munde Speichel bald,
Von Galle speit er, spuckt von Schleim,
Schwitzt aus dem Körper faulen Schweiß.
Im Haupte, hohl gewölbt empor,
Ist Hirn enthalten allzumal:
Wie schön das sei, vermeint der Tor,
Unwissen blendet ihm den Blick.
Gestorben aber wann er liegt,
Bald aufgedunsen, blau verfärbt,
Zum Leichenplatze fortgeschafft:
Da sehn die Sippen von ihm weg.
201
Der Hunde Beute wird er bald,
Schakale, Wölfe, Würmer Fraß,
Es frißt ihn Krähe, Geier an,
Und was da noch am Aase zehrt.
202
Gehör dem Meister wer geliehn,
Gelauscht hat weise hier als Mönch:
Er mag den Körper wohl verstehn,
Erkennen was er wirklich ist.
»Wie Dieses ist ist Jenes dort,
Wie Jenes wieder Dieses da«:
Nach innen wie nach außen hin
Die Lust am Leibe weist er ab.
204
So Lust wie Reiz wer rein verlor,
Gelauscht hat weise hier als Mönch:
Den Frieden fand er ewig aus,
Erloschen geht er sicher hin. –
[50] 205
Zweibeinig steht es, das Gestell,
Haucht üble Düfte unrein aus,
Mit mancher Jauche vollgefüllt,
Lebendig sickernd Saft um Saft.
Bei so bestandnem Körper da
Sich stolz noch dünken, hochgemut,
Gering auf andre sehn herab:
Wo gäb' es ärgern Unverstand?
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