Vierter Teil

Migasiro

[320] 181

Am Tage, da ich Jünger ward

Im Orden hier des wachen Herrn,

Und Freiheit suchte, Freiheit fand,

Entsagt' ich froh dem Sinnenfron.


182

Und Brahmā brachte Gruß mir dar,

Ich grüßt' ihn wieder, herzgeheilt:

»Auf ewig bin ich abgelöst,

Denn alle Bande sind zersprengt.«


Sivako

183

Zerbröckelnd brechen Mauern ein

An allen Orten allgemach:

Den Maurer sucht' ich, sah ihn nicht,

In Leiden lebend immer neu.


184

Gefunden hab' ich, Maurer, dich,

Wirst nimmer mauern neu das Haus!

Zerrissen hab' ich dein Gerüst,

Mit Pfahl und Pfosten umgestürzt:

Mein Herz erhebt sich aus der Haft,

Läßt allen Staub verstoben sein.


Upavāno

185

Der heilig wandert in der Welt,

An Krämpfen ist der Herr erkrankt:

O gib mir Wasser, heiß gewärmt,

Brāhmane, für den Meister mit!


[321] 186

Dem Edlen aus der Edlen Schar,

Dem Ersten aus der Ersten Schar,

Dem Besten aus der Besten Schar:

Ich will den Krug ihm bringen dar.


Isidinno

187

Ich kenne Leute, gläubig, vielerfahren,

»Vergänglich«, klagen die, »sind alle Güter!«

Und Schmuck ergetzt sie gierig, Goldgeschmeide,

An Weibern, Kindern ist ihr Herz gehangen.


188

Ach, diesen mag sich Wahrheit nicht erweisen:

Und nennen gleich die Güter sie vergänglich,

Die Gier, die können sie nicht fassen, fällen,

Gefesselt fest an Weib und Kind und Kammer.


Sambulakaccāno

189 (1)

Der Regen rieselt, rinnt herab,

Der Regen rauscht und raunt,

Ich bin allein am öden Ort,

Im wilden Waldgefels.


189 (2)

Und weil ich also einsam bin,

Im wilden Waldgefels,

Verzag' ich nimmer, zittre nicht,

Erfahre nimmer Furcht.


190

Es ist mir eigen, daß ich da,

Im wilden Waldgefels,

Verzage nimmer, zittre nicht,

Erfahre nimmer Furcht.


Khitako (II)

[322] 191

Wer hat ein Herz wie Felsen fest,

Beständig, unverrückbar stark,

Von keinen Reizen angereizt,

Von keiner Regung aufgeregt:

Wer solches Herz besonnen hegt,

Woher denn litt' er Leiden je?


192

Ich hab' ein Herz wie Felsen fest,

Beständig, unverrückbar stark,

Von keinen Reizen angereizt,

Von keiner Regung aufgeregt:

Besonnen heg' ich solches Herz,

Woher denn litt' ich Leiden je!


Soṇo Poṭiriyaputto

193

Nicht lob' ich Schlaf in dieser Nacht

Mit Sternenkränzen hoch gekrönt,

Zum Wachen taugt sie einzig nur

Dem Denker, der um Wissen wirbt.


194

Wie edler Ilph dem Reiter folgt

Und Führer, der vom Rücken fiel,

So wähl' ich Tod im Schlachtgewühl,

Und nicht um Leben Sklavenlos.


Nisabho

195

Verlassen hab' ich laue Lust,

Verlassen was die Sinne lockt;

Ich hab' entsagt aus Zuversicht,

Will endlich enden alles Leid!


[323] 196

Ich freue mich des Sterbens nicht,

Ich freue mich des Lebens nicht:

Gelassen wart' ich ab die Zeit,

Gewitzigt weise, wissensklar.


Usabho (II)

197

Wie Mangodolden schürzt' ich mir

Den Mantel um die Schulter einst,

Bestieg den Elefanten stolz

Und zog zum Tore also ein.


198

Und als ich ab vom Ilphen stieg

Ergriff mich Ekel, stiller Graus:

Und der ich voller Dünkel war,

Ich fand Erlösung, wahnversiegt.


Kappaṭakuro

199

Da steht er steif im Fetzenwams,

Und Überlast belastet ihn:

Vom Heile schlürfend ist er heilig trunken nun

Und schickt sich an in Schauung einzugehn.


200

Die Schale schüttle nimmer, Kappaṭo,

Berühr' sie rauh auch nur am Rande nie:

Du hast, o Mönch, nicht Maß gehalten weise,

Geschüttelt schon inmitten der Gemeinde.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 320-324.
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