c. Der Klang
§ 300

[171] Die spezifische Einfachheit der Bestimmtheit, welche der Körper in der Dichtigkeit und dem Prinzip seiner Kohäsion hat, diese zuerst innerliche Form, hindurchgegangen durch ihr Versenktsein in das materielle Außereinander, wird frei in der Negation des für sich Bestehens dieses seines Außereinanderseins. Es ist dies das Übergehen der materiellen. Räumlichkeit in materielle Zeitlichkeit. Damit, daß diese Form so im Erzittern, d.i. durch die momentane ebenso Negation der Teile wie Negation dieser ihrer Negation, die aneinander gebunden eine durch die andere erweckt wird, und so, als ein Oszillieren des Bestehens und der Negation der spezifischen Schwere und Kohäsion, am Materiellen als dessen Idealität ist, ist die einfache Form für sich existierend und kommt als diese mechanische Seelenhaftigkeit zur Erscheinung.

Reinheit oder Unreinheit des eigentlichen Klanges, die Unterschiede desselben von bloßem Schall (durch einen Schlag auf einen soliden Körper), Geräusch usf. hängt damit zusammen, ob der durchdringend erzitternde Körper in sich homogen ist, aber dann ferner mit der spezifischen Kohäsion, mit seiner sonst räumlichen Dimensionsbestimmung, ob er eine materielle Linie, materielle Fläche und dabei eine begrenzte Linie und Fläche oder ein solider[171] Körper ist. – Das kohäsionslose Wasser ist ohne Klang, und seine Bewegung, als bloß äußerliche Reibung seiner schlechthin verschiebbaren Teile, gibt nur ein Rauschen. Die bei seiner inneren Sprödigkeit existierende Kontinuität des Glases klingt, noch mehr die unspröde Kontinuität des Metalls klingt durch und durch in sich, usf.

Die Mitteilbarkeit des Klangs, dessen sozusagen klanglose, der Wiederholung und Rückkehr des Zitterns entbehrende Fortpflanzung durch alle in Sprödigkeit usf. noch so verschieden bestimmten Körper (durch feste Körper besser als durch die Luft – durch die Erde auf viele Meilen weit, durch Metalle nach der Berechnung zehnmal schneller als durch Luft) zeigt die durch sie frei hindurchziehende Idealität, welche ganz nur deren abstrakte Materialität ohne die spezifischen Bestimmungen ihrer Dichtigkeit, Kohäsion und weiterer Formierungen in Anspruch nimmt und ihre Teile in die Negation, ins Erzittern bringt; dieses Idealisieren selbst nur ist das Mitteilen.

Das Qualitative des Klanges überhaupt, wie des sich selbst artikulierenden Klanges, des Tones, hängt von der Dichtigkeit, Kohäsion und weiter spezifizierten Kohäsionsweise des klingenden Körpers ab, weil die Idealität oder Subjektivität, welche das Erzittern ist, als Negation jener spezifischen Qualitäten, sie zum Inhalte und zur Bestimmtheit hat; hiermit ist dies Erzittern und der Klang selbst danach spezifiziert und haben die Instrumente ihren eigentümlichen Klang und Timbre.
[172]

§ 301

An dem Erzittern ist das Schwingen, als äußere Ortsveränderung, nämlich des räumlichen Verhältnisses zu anderen Körpern, zu unterscheiden, welches gewöhnliche eigentliche Bewegung ist. Aber obzwar unterschieden, ist es zugleich identisch mit der vorhin bestimmten inneren Bewegung, welche die freiwerdende Subjektivität, die Erscheinung des Klanges als solchen ist.

Die Existenz dieser Idealität hat, um ihrer abstrakten Allgemeinheit willen, nur quantitative Unterschiede. Im Reiche des Klanges und der Tone beruht daher ihr weiterer Unterschied gegeneinander, ihre Harmonie und Disharmonie auf Zahlenverhältnissen und deren einfacherem oder verwickelterem und entfernterem Zusammenstimmen.

Das Schwingen der Saiten, Luftsäulen, Stäbe usf. ist abwechselnder Übergang aus der geraden Linie in den Bogen, und zwar in entgegengesetzte [Bögen]; mit dieser so nur scheinenden äußeren Ortsveränderung im Verhältnisse zu anderen Körpern ist unmittelbar die innere, die abwechselnde Veränderung der spezifischen Schwere und der Kohäsion verbunden; die gegen den Mittelpunkt des Schwingungsbogens zu liegende Seite der materiellen Linie ist verkürzt, die äußere Seite aber verlängert worden, die spezifische Schwere und Kohäsion von dieser also vermindert, von jener vermehrt, und dies selbst gleichzeitig.

In Ansehung der Macht der quantitativen Bestimmung in diesem ideellen Boden ist an die Erscheinungen zu erinnern, wie eine solche Bestimmung, durch mechanische Unterbrechungen in eine schwingende Linie, Ebene gesetzt, sich selbst der Mitteilung, dem Schwingen der ganzen Linie, Ebene über den mechanischen Unterbrechungspunkt hinaus mitteilt und Schwingungsknoten darin bildet, was durch die Darstellungen Chladnis anschaulich gemacht wird. – Ebenso gehören hierher die Erweckungen[176] von harmonischen Tönen in benachbarten Saiten, denen bestimmte Größenverhältnisse zu der tönenden gegeben werden; am allermeisten die Erfahrungen, auf welche Tartini zuerst aufmerksam gemacht, von Tönen, die aus anderen, gleichzeitig ertönenden Klängen, welche in Ansehung der Schwingungen in bestimmten Zahlenverhältnissen gegeneinanderstehen, hervorgehen, von diesen verschieden sind und nur durch diese Verhältnisse produziert werden.
[177]

§ 302

Der Klang ist der Wechsel des spezifischen Außereinanderseins der materiellen Teile und des Negiertseins desselben; – nur abstrakte oder sozusagen nur ideelle Idealität dieses Spezifischen. Aber dieser Wechsel ist hiermit selbst unmittelbar die Negation des materiellen spezifischen Bestehens; diese ist damit reale Idealität der spezifischen Schwere und Kohäsion, – Wärme.

Die Erhitzung der klingenden Körper wie der geschlagenen, auch der aneinandergeriebenen, ist die Erscheinung von der dem Begriffe nach mit dem Klange entstehenden Wärme.[184]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 171-173,176-178,184-185.
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