a. Die Gestalt
§ 353

[436] Gestalt ist das animalische Subjekt als ein Ganzes nur in Beziehung auf sich selbst. Es stellt an ihm den Begriff in[436] seinen entwickelten und in ihm existierenden Bestimmungen dar. Diese sind, obgleich in sich als in der Subjektivität konkret, α) als dessen einfache Elemente. Das animalische Subjekt ist daher 1. sein einfaches, allgemeines Insichsein in seiner Äußerlichkeit, wodurch die wirkliche Bestimmtheit unmittelbar als Besonderheit in das Allgemeine aufgenommen und dieses in ihr ungetrennte Identität des Subjekts mit sich selbst ist, – Sensibilität; 2. Besonderheit als Reizbarkeit von außen und aus dem aufnehmenden Subjekte kommende Rückwirkung dagegen nach außen, – Irritabilität; 3. die Einheit dieser Momente, die negative Rückkehr zu sich selbst aus dem Verhältnisse der Äußerlichkeit und dadurch Erzeugung und Setzen seiner als eines Einzelnen, – Reproduktion; die Realität und Grundlage der ersteren Momente.
[437]


§ 354

Diese drei Momente des Begriffs sind β) nicht nur an sich konkrete Elemente, sondern haben ihre Realität in drei Systemen, dem Nerven-, Blut– und Verdauungssystem, deren jedes als Totalität sich nach denselben Begriffsbestimmungen in sich unterscheidet.

1. Das System der Sensibilität bestimmt sich so αα) zu dem Extreme der abstrakten Beziehung ihrer selbst auf sich selbst, die hiermit ein Übergehen in die Unmittelbarkeit, in das unorganische Sein und in Empfindungslosigkeit, aber nicht ein darein Übergegangensein ist, – das Knochensystem, das gegen das Innere zu Umhüllung, nach außen der feste Halt des Innern gegen das Äußere ist; ββ) zu dem Moment der Irritabilität, dem Systeme des Gehirns und dessen weiterem Auseinandergehen in den Nerven, die ebenso nach innen Nerven der Empfindung, nach außen des Bewegens sind; γγ) zu dem der Reproduktion angehörenden System, dem sympathetischen Nerv mit den Ganglien, worein nur dumpfes, unbestimmtes und willenloses Selbstgefühl fällt.

2. Die Irritabilität ist ebensosehr Reizbarkeit durch Anderes und Rückwirkung der Selbsterhaltung dagegen als umgekehrt aktives Selbsterhalten und darin sich Anderem Preisgeben. Ihr System ist αα) abstrakte (sensible) Irritabilität, die einfache Veränderung der Rezeptivität in Reaktivität, – Muskel überhaupt; welcher, an dem Knochengerüste den äußerlichen Halt (unmittelbare Beziehung auf sich für seine Entzweiung) gewinnend, sich zum Streck- und Beugemuskel zunächst differenziert und dann ferner zum eigentümlichen Systeme der Extremitäten ausbildet. ββ) Die Irritabilität, für sich und different gegen andere sich konkret auf sich beziehend und sich in sich haltend, ist die Aktivität in sich, Pulsieren, lebendige Selbstbewegung, deren Materielles nur eine Flüssigkeit, das lebendige Blut, – und die nur Kreislauf sein kann, welcher zunächst zur Besonderheit, von der er herkommt, spezifiziert, an ihm selbst ein gedoppelter und hierin zugleich nach außen gerichteter ist, – als Lungen- und Pfortadersystem,[439] in deren jenem das Blut sich in sich selbst, in diesem anderen gegen Anderes befeuert, γγ) Das Pulsieren als irritable sich mit sich zusammenschließende Totalität ist der von ihrem Mittelpunkte, dem Herzen, aus in der Differenz der Arterien und Venen in sich zurückkehrende Kreislauf, der ebenso immanenter Prozeß als ein allgemeines Preisgeben an die Reproduktion der übrigen Glieder, daß sie aus dem Blute sich ihre Nahrung nehmen, ist.

3. Das Verdauungssystem ist als Drüsensystem mit Haut und Zellgewebe die unmittelbare, vegetative, in dem eigentlichen Systeme der Eingeweide aber die vermittelnde Reproduktion.
[440]

§ 355

γ) Aber für die Gestalt vereinigen sich die Unterschiede der Elemente und deren Systeme ebensowohl zu allgemeiner konkreter Durchdringung, so daß jedes Gebilde der Gestalt sie an ihm verknüpft enthält, als sie selbst sich 1. in die Centra von den drei Systemen abteilt (insectum), Kopf, Brust und Unterleib, wozu die Extremitäten zur mechanischen Bewegung und Ergreifung das Moment der sich nach außen unterschieden setzenden Einzelheit ausmachen. 2. Die Gestalt unterscheidet sich nach der abstrakten Differenz in die zwei Richtungen, nach innen und nach außen. Jeder [Gestalt] ist aus jedem der Systeme die eine nach innen, die andere nach außen gehende Seite zugeteilt, wovon diese als die differente an ihr selbst diese Differenz durch die symmetrische Zweiheit ihrer Organe und Glieder darstellt [454] (Bichats »vie organique et animale«). 3. Das Ganze als zum selbständigen Individuum vollendete Gestalt ist in dieser sich auf sich beziehenden Allgemeinheit zugleich an ihr besondert zum Geschlechtsverhältnisse, zu einem Verhältnisse mit einem anderen Individuum nach außen gekehrt. Die Gestalt weist an ihr, indem sie beschlossen in sich ist, auf ihre beiden Richtungen nach außen hin.
[455]

§ 356

Sie [die Gestalt] ist als lebendig wesentlich Prozeß, und zwar ist sie als solche der abstrakte, der Gestaltungsprozeß innerhalb ihrer selbst, in welchem der Organismus seine eigenen Glieder zu seiner unorganischen Natur, zu Mitteln macht, aus sich zehrt und sich, d.i. eben diese Totalität der Gliederung, selbst produziert, so daß jedes Glied, wechselseitig Zweck und Mittel, aus den anderen und gegen sie sich erhält; – der Prozeß, der das einfädle unmittelbare Selbstgefühl zum Resultate hat.[459]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 436-441,454-456,459-460,464.
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