b. Robinet

[301] Ein anderes Hauptbuch ist das noch gefährlichere De la Nature von Robinet. Darin herrscht ein ganz anderer, gründlicher Geist; häufig wird man vom tiefen Ernst ergriffen, der sich in dem Menschen zeigt.

Er fängt so an: »Es ist ein Gott, d.h. eine Ursache der Phänomene des Ganzen, was wir die Natur nennen. Wer ist Gott? Wir wissen es nicht und sind dazu bestimmt, es für immer nicht zu wissen. Wir können ihn nicht erkennen, weil wir nicht das Mittel dazu haben. Wir könnten über die Tempel schreiben: ›Dem unbekannten Gott‹«. Das ist dasselbe, was man heutigentags sagt: Es soll kein Übergang vom Endlichen zum Unendlichen sein. »Die Ordnung, die im Universum herrscht, ist ebensowenig der sichtbare Typus seiner Weisheit, als unser Schwachsinn das Bild seiner Intelligenz.« Diese erste Ursache aber, Gott, ist wirkend, hat die Natur erzeugt; die einzig mögliche Erkenntnis ist die der Natur. Die Tätigkeit der Natur ist auch Eine, wie Gott Einer ist. Was nun als die Tätigkeit gefaßt wird, ist, daß Keime in allem sind; alles sind organische Wesen, die sich hervorbringen. Nichts ist einzeln, alles ist verbunden, zusammenhängig und in Harmonie.[301]

Robinet geht die Pflanzen, Tiere, auch die Metalle, Elemente durch und sucht von ihnen aufzuzeigen, wie im Lebendigen der Keim ist und wie auch die Metalle in sich organisiert seien, wegen der inneren Struktur, die man bei ihnen findet. Ebenso soll die Luft ihren Keim haben, der erst zur Wirklichkeit kommt, dadurch, daß er sich mit Wasser, Feuer usf. nährt. Robinet nennt die einfache Form in sich, die substantielle Form, den Begriff Keim. Obgleich er dies zu sehr im Sinnlichen nachzuweisen sucht, so geht er doch von in sich konkreten Prinzipien, der Form an sich selbst, aus.

Vom Übel und Guten in der Welt spricht er auch. Das Resultat der Betrachtung ist, daß Gutes und Übel sich die Waage halten; dieses Gleichgewicht mache die Schönheit der Welt aus. Um zu widerlegen, daß des Vorzüglichen in der Welt mehr sei, sagt er, daß alles, worauf wir das Gute reduzieren, nur in einem Genuß, Angenehmen, einer Befriedigung liegt. Dieser muß ein Bedürfnis, Mangel, Schmerz vorausgehen, dessen Aufhebung die Befriedigung ist. Dies ist nicht nur ein empirisch richtiger Gedanke, sondern er spielt an das Tiefere an, daß alle Tätigkeit nur durch Widerspruch ist.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 20, Frankfurt am Main 1979, S. 301-302.
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