2. Das Schwierige ist darum noch nicht sittlich

[140] »Herrschsucht, Prahlerei, Groll, Begierde nicht gehen lassen: das kann für sittlich gelten.« Der Meister sprach: »Das kann für schwierig gelten, ob sittlich: das weiß ich nicht.«


Es hatte irgend jemand die Theorie aufgestellt, daß die Sittlichkeit darin bestehe, jede Äußerung egoistischer Triebe zu unterlassen. Der Meister urteilte darüber, daß eine solche Handlungsweise zwar schwer sei, daß sie aber noch nicht genüge, um die Sittlichkeit eines Menschen daraus zu erkennen; denn für die ethische Beurteilung kommen überhaupt keine bloßen Äußerlichkeiten, am wenigsten rein negative Unterlassungen in Betracht, sondern die innere Gesinnung.

Quelle:
Kungfutse: Lun Yu. Gespräche. Düsseldorf/Köln 1975, S. 140.
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