78. Was man dem Glauben überlassen muß[82] 1

Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres als das Wasser.

Und doch in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt nichts ihm gleich.

Es kann durch nichts verändert werden.

Daß Schwaches das Starke besiegt

und Weiches das Harte besiegt,

weiß jedermann auf Erden,

aber niemand vermag danach zu handeln.

Also auch hat ein Berufener gesagt:

»Wer den Schmutz des Reiches auf sich nimmt,

der ist der Herr bei Erdopfern.

Wer das Unglück des Reiches auf sich nimmt,

der ist der König der Welt.«

Wahre Worte sind wie umgekehrt.


Erklärung

1 Hier wieder ein ausdrückliches Zitat. Die Erdopfer (vgl. Anm. zu Abschnitt 6) sind das Vorrecht des Landesfürsten. Herr der Erdopfer ist also der Fürst bzw. Kaiser. Das Aufsichnehmen der Schuld als Vorbedingung der Herrschaft ist im chinesischen Altertum wie auch in Westasien und Europa eine geläufige Anschauung. Vgl. dazu die Gebete der Könige Tang und Wu, die in Kung, Gespräche XX, 1 (pag. 215) zitiert sind.

Die Schlußzeile würde modern ausgedrückt heißen: Die Wahrheit klingt oft paradox.

Quelle:
Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Düsseldorf/Köln 1952, S. 82-83.