16. Rückkehr zur Wurzel[17] 1

Wenn wir die äußerste Selbstenteignung erreicht,

die Stille unerschütterlich bewahren,

so mögen alle Wesen zugleich sich regen:

wir schauen zu, wie sie wiederkehren.

Der Wesen zahllose Menge entwickelt sich,

doch jedes wendet sich zurück zu seiner Wurzel.

Zurückgewandt sein zur Wurzel: das ist Stille.

Stille: das ist Rückkehr zur Bestimmung.

Rückkehr zur Bestimmung: das ist Ewigkeit.

Die Ewigkeit erkennen: das ist Weisheit.

Wer die Ewigkeit nicht erkennt, der handelt blindlings und unheilvoll.

Erkenntnis der Ewigkeit bringet Duldsamkeit.

Duldsamkeit bringet Edelsinn.

Edelsinn bringet Herrschaft.

Herrschaft bringet himmlisches Wesen.

Himmlisches Wesen bringet den SINN.

Der SINN bringet Dauer.

Ist das Ich nicht mehr, so gibt es keine Gefahren.


Erklärung

1 Zeile 10 und 11 unterbrechen einigermaßen den Zusammenhang der Stufenleiter. Sie sind wohl anderswoher interpoliert, um das sonst als minderwertig angesehene Wort »Erkenntnis« (vgl. No. 3) zu rechtfertigen bezw. durch »Weisheit« zu ersetzen.

Zeile 10 findet sich in No. 55 wohl in besserem Zusammenhang. Der Schlußsatz, der hier auch etwas nachhinkt, findet sich in No. 52. Zur Stufenleiter selbst bemerkt der Komm. II: Erkenntnis der Ewigkeit macht das Herz leer, so daß Platz darin wird, um die Wesen aufzunehmen (vgl. No. 49). Nimmt man so die Wesen in sich auf, so verschwinden parteiische Zu- und Abneigungen. Damit ist die Verfassung gegeben, die zum Herrscher tauglich macht. Auf der höchsten Stufe kommt dieses Wesen dem Himmel gleich, der selbst wiederum im SINN sein Vorbild hat (vgl. dazu No. 21 und 25).

Quelle:
Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Düsseldorf/Köln 1952, S. 17-18.