[60] 12. Jagderlebnis

Siang Dsï von Dschau ging mit einem Gefolge von hunderttausend Mann zur Feuerjagd in den Mittelberg. Mit dürrem Reisig ward der Wald angesteckt, daß die Lohe sich meilenweit ergoß. Da kam ein Mann aus einer Felswand hervor und schwebte mit dem Rauch und den Funken auf und nieder. Alle hielten ihn für ein Geisterwesen. Als das Feuer vorüber war, da kam er gemächlich hervor, als wäre ihm nichts widerfahren.

Siang Dsï verwunderte sich und behielt ihn bei sich und untersuchte ihn bedächtig. Er hatte die Gestalt und die Züge eines Menschen, er atmete und redete wie ein Mensch. Da fragte er ihn: »Durch was für ein Geheimnis kannst du in den Felsen weilen, durch was für ein Geheimnis kannst du durch das Feuer schreiten?« Jener Mensch sprach: »Was für ein Ding nennst du Fels, was für ein Ding nennst du Feuer?« Siang Dsï sprach: »Das, woraus du vorhin hervorkamst, ist Fels; das, was du vorhin durchschrittest, ist Feuer.« Jener Mensch sprach: »Das kenne ich nicht.«

Der Fürst Wen von We hörte davon und fragte den Dsï Hia: »Was für ein Mensch war das?« Dsï Hia sprach: »Nach dem, was ich den Meister reden hörte, ist der, der inneren Einklang hat, in Gemeinschaft mit den Dingen, so daß die Dinge ihm nichts anhaben können. Er vermag durch Metall und Stein zu dringen und in Wasser und Feuer zu wandeln.« Der Fürst Wen sprach: »Warum tut Ihr das nicht, mein Herr?« Dsï Hia sprach: »Meiner Gefühle mich entäußern[60] und mein Bewußtsein aufgeben, das kann ich noch nicht. Immerhin habe ich Muße, um zu versuchen, darüber zu reden.« Der Fürst Wen fragte weiter: »Und warum hat es der Meister nicht getan?« Dsï Hia sprach: »Der Meister hätte es vermocht; aber er vermochte es, darauf zu verzichten.« Da war der Fürst Wen hoch befriedigt.

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 60-61.
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