[10] Die Verunglimpfungen durch die bürgerliche Presse wie die Klagelieder der internationalen Polizei fanden selbst in unserer Assoziation ein offenes Ohr. Intrigen, die dem Anschein nach gegen den Generalrat, in Wirklichkeit aber gegen die Assoziation gerichtet waren, wurden in ihrem Schoße gesponnen. Hinter diesen Intrigen steht die unvermeidliche Internationale[10] Allianz der sozialistischen Demokratie, die von dem Russen Michail Bakunin gezeugt wurde. Nach seiner Rückkehr aus Sibirien predigte er in Herzens »Kolokol« als Ergebnis seiner langen Erfahrung den Panslawismus und den Rassenkrieg. Später, während seines Aufenthalts in der Schweiz, wurde er in das leitende Komitee der Friedens- und Freiheitsliga berufen, die in Opposition zur Internationale gegründet worden war. Da die Sachen dieser bürgerlichen Gesellschaft schlecht standen und immer schlechter wurden, schlug ihr Präsident Herr G. Vogt auf Anraten Bakunins dem in Brüssel im September 1868 tagenden Kongreß der Internationale ein Bündnis vor. Der Kongreß erklärte einstimmig, daß nur eines von zwei Dingen möglich wäre: entweder verfolge die Liga dasselbe Ziel wie die Internationale, und in diesem Falle gäbe es für sie keinerlei Existenzberechtigung, oder ihr Ziel sei ein anderes, und dann wäre ein Bündnis unmöglich. Auf dem einige Tage später in Bern abgehaltenen Kongreß der Liga führte Bakunin seine Kehrtwendung durch. Er schlug dort ein Gelegenheitsprogramm vor, dessen wissenschaftlicher Wert nach dieser einzigen Wendung beurteilt werden kann: ökonomische und soziale Gleichmachung der Klassen. Von einer winzigen Minderheit unterstützt brach er mit der Liga, um in die Internationale einzutreten, entschlossen, sein von der Liga abgelehntes Gelegenheitsprogramm an die Stelle der Allgemeinen Statuten der Internationale und seine persönliche Diktatur an die Stelle des Generalrats zu setzen. Zu diesem Zweck schuf er sich ein spezielles Instrument, die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie, die dazu bestimmt war, eine Internationale in der Internationale zu werden.
Die notwendigen Elemente zur Bildung dieser Gesellschaft fand Bakunin durch die Beziehungen, die er während seines Aufenthalts in Italien geknüpft hatte, und in einem Kreis russischer Verbannter, die ihm als Emissäre und Werber unter den Mitgliedern der Internationale in der Schweiz, in Frankreich und in Spanien dienten. Aber erst nach den wiederholten Weigerungen des Belgischen und des Pariser Föderalrats, die »Allianz« anzuerkennen, entschloß er sich, dem Generalrat die Statuten seiner neuen Gesellschaft zur Billigung vorzulegen, die nur die getreue Wiedergabe des »unverstandenen« Berner Programms waren. Der Generalrat antwortete mit folgendem Zirkular vom 22. Dezember 1868.
[11] Der Generalrat an die Internationale Allianz
der sozialistischen Demokratie
Vor ungefähr einem Monat haben sich in Genf einige Bürger als Zentrales Initiativkomitee einer neuen internationalen Gesellschaft konstituiert, genannt die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie, die sich als »spezielle Mission das Studium politischer und philosophischer Fragen auf der Grundlage dieses großen Prinzips der Gleichheit etc.« gestellt hat.
Das von diesem Initiativkomitee gedruckte Programm und Reglement ist dem Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation erst am 15. Dezember 1868 mitgeteilt worden. Nach diesen Dokumenten ist die genannte Allianz »völlig in der Internationale aufgegangen« und zugleich völlig außerhalb dieser Assoziation gegründet. Neben dem von den aufeinanderfolgenden Kongressen zu Genf, Lausanne und Brüssel gewählten Generalrat der Internationale soll nach dem Reglement des Initiativkomitees ein weiterer, ein selbsternannter Generalrat in Genf bestehen. Neben den lokalen Gruppen der Internationale sollen die lokalen Gruppen der Allianz bestehen, die durch ihre nationalen Büros, welche außerhalb der nationalen Büros der Internationale tätig sind, »beim Zentralbüro der Allianz ihre Aufnahme in die Internationale beantragen werden«; das Zentralkomitee der Allianz maßt sich somit das Recht der Aufnahme in die Internationale an. Schließlich soll auch der allgemeine Kongreß der Internationalen Arbeiterassoziation noch sein Doppelstück im allgemeinen Kongreß der Allianz finden, denn das Reglement des Initiativkomitees besagt, daß beim alljährlichen Arbeiterkongreß die Delegation der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation »ihre öffentlichen Sitzungen an einem getrennten Ort abhalten wird«.
In Erwägung,
daß das Vorhandensein einer zweiten internationalen Organisation, die innerhalb und außerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation tätig ist, das unfehlbarste Mittel wäre, diese zu desorganisieren;
daß jede andere Gruppe von Personen an beliebigem Ort das Recht hätte, die Initiativgruppe von Genf nachzuahmen und unter mehr oder weniger plausiblen Vorwänden der Internationalen Arbeiterassoziation andere internationale Assoziationen mit anderen speziellen Missionen aufzupfropfen;
daß die Internationale Arbeiterassoziation auf diese Weise bald zum Spielball der Intriganten aller Nationalitäten und Parteien würde;[12]
daß zudem die Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation in ihrem Rahmen nur lokale und nationale Zweiggesellschaften zulassen (siehe Art. I und VI der Statuten);
daß es den Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation verboten ist, sich Statuten und Verwaltungsverordnungen zu geben, die den Allgemeinen Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationalen Arbeiterassoziation zuwiderlaufen (siehe Art. XII der Verwaltungsverordnungen);
daß die Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationalen Arbeiterassoziation nur von einem allgemeinen Kongreß revidiert werden können, auf dem zwei Drittel der anwesenden Delegierten für eine solche Revision stimmen (siehe Art. XIII der Verwaltungsverordnungen);
daß die Frage durch die auf dem allgemeinen Kongreß zu Brüssel einstimmig angenommenen Resolutionen gegen die Friedensliga präjudiziert ist;
daß der Kongreß in diesen Resolutionen erklärt, die Friedensliga habe keinerlei Existenzberechtigung, da nach ihren jüngsten Erklärungen ihr Ziel und ihre Prinzipien mit denen der Internationalen Arbeiterassoziation identisch seien;
daß mehrere Mitglieder der Initiativgruppe der Allianz in ihrer Eigenschaft als Delegierte des Brüsseler Kongresses für diese Resolutionen gestimmt haben;
hat der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation in seiner Sitzung vom 22. Dezember 1868 einstimmig beschlossen:
1. Alle Artikel des Reglements der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie, die ihre Beziehungen zur Internationalen Arbeiterassoziation bestimmen, sind für null und nichtig erklärt;
2. die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie wird nicht als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation zugelassen.
Odger, Vorsitzender der Sitzung
R. Shaw, Generalsekretär
London, den 22. Dezember 1868
Einige Monate später wandte sich die Allianz von neuem an den Generalrat und fragte ihn, ob er ihre Prinzipien billige, ja oder nein? Im Falle einer Zustimmung erklärte sich die Allianz bereit, sich in den Sektionen der Internationale aufzulösen. Sie erhielt als Antwort das folgende Zirkular vom 9. März 1869.[13]
Der Generalrat an das Zentralkomitee der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie
Nach Artikel 1 unserer Statuten läßt die Assoziation alle Arbeitergesellschaften zu, die dasselbe Ziel verfolgen, nämlich: den gegenseitigen Beistand, den Fortschritt und die vollständige Emanzipation der Arbeiterklasse.
Da die Entwicklungsbedingungen für die Sektionen der Arbeiterklasse in den verschiedenen Ländern verschieden sind, so folgt daraus notwendigerweise, daß ihre theoretischen Ansichten, die die reelle Bewegung widerspiegeln, ebenso verschieden sind.
Die Gemeinsamkeit der Aktion, welche durch die Internationale Arbeiterassoziation hergestellt wird, der Ideenaustausch, der erleichtert wird durch die Veröffentlichungen der Organe der verschiedenen nationalen Sektionen, und schließlich die unmittelbare Debatte auf den allgemeinen Kongressen werden indes nicht verfehlen, nach und nach ein gemeinsames theoretisches Programm zu schaffen.
Es gehört daher nicht zu den Funktionen des Generalrats, das Programm der Allianz kritisch zu prüfen. Wir haben nicht zu untersuchen, ob es ein adäquater Ausdruck der proletarischen Bewegung ist oder nicht. Für uns ist nur wichtig, zu wissen, ob es nichts enthält, was der allgemeinen Tendenz unserer Assoziation, das heißt, der vollständigen Emanzipation der Arbeiterklasse, zuwiderläuft. Es gibt eine Phrase in eurem Programm, die dieser Forderung nicht genügt. In Artikel 2 liest man:
»Sie« (die Allianz) »will vor allem die politische, ökonomische und soziale Gleichmachung der Klassen.«
Die Gleichmachung der Klassen, wörtlich genommen, läuft auf die Harmonie von Kapital und Arbeit hinaus, die die Bourgeoissozialisten so aufdringlich predigen. Nicht die Gleichmachung der Klassen – ein logischer Widersinn, unmöglich zu realisieren –, sondern vielmehr die Abschaffung der Klassen, dieses wahre Geheimnis der proletarischen Bewegung, bildet das große Ziel der Internationalen Arbeiterassoziation. Betrachtet man jedoch den Zusammenhang, worin sich diese Phrase – Gleichmachung der Klassen – findet, so erscheint sie wie ein einfacher Schreibfehler, der sich dort eingeschlichen hat. Der Generalrat zweifelt nicht daran, daß ihr gern eine Phrase, die zu so bedauerlichen Mißverständnissen führen kann, aus eurem Programm entfernen werdet. Mit Ausnahme der Fälle, in denen der allgemeinen Tendenz unserer Assoziation widersprochen würde, entspricht[14] es ihren Prinzipien, jeder Sektion zu überlassen, ihr theoretisches Programm frei zu formulieren.
Es steht also nichts der Verwandlung der Sektionen der Allianz in Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation entgegen.
Wenn die Auflösung der Allianz und der Eintritt der Sektionen in die Internationale endgültig beschlossen sein sollte, so würde es nach unseren Verwaltungsverordnungen notwendig werden, den Generalrat von dem Ort und der zahlenmäßigen Stärke jeder neuen Sektion zu unterrichten.
Sitzung des Generalrats vom 9. März 1869
Nachdem die Allianz diese Bedingungen akzeptiert hatte, wurde sie vom Generalrat in die Internationale aufgenommen. Durch einige Unterschriften unter dem Programm Bakunins irregeführt, nahm er an, daß die Allianz vom Romanischen Föderalkomitee in Genf anerkannt sei, das sie im Gegenteil nach wie vor von sich fernhielt. Nunmehr hatte die Allianz ihr unmittelbares Ziel erreicht: beim Baseler Kongreß vertreten zu sein. Trotz der unloyalen Mittel, deren sich ihre Parteigänger bedienten, Mittel, die nur bei dieser Gelegenheit und sonst nie auf einem Kongreß der Internationale angewandt worden sind, wurde Bakunin in seiner Erwartung enttäuscht, daß der Kongreß den Sitz des Generalrats nach Genf verlegen und öffentlich die alte Saint-Simonsche Schrulle, nämlich die sofortige Abschaffung des Erbrechts, sanktionieren würde, die Bakunin zum praktischen Ausgangspunkt des Sozialismus gemacht hatte. Das war das Signal zum offenen und unaufhörlichen Kriege, den die Allianz nicht nur gegen den Generalrat, sondern auch gegen alle Sektionen der Internationale führte, die sich weigerten, das Programm dieser sektiererischen Koterie und besonders die Doktrin von der absoluten Abstention auf politischem Gebiete zu übernehmen.
Bereits vor dem Baseler Kongreß, als Netschajew in Genf angekommen war, trat Bakunin in Beziehungen zu ihm und gründete in Rußland eine Geheimgesellschaft unter den Studenten. Während er seine eigene Person stets hinter dem Namen verschiedener »revolutionärer Komitees« verbarg, nahm er für sich autokratische Befugnisse in Anspruch, geimpft mit all den Schwindeleien und Mystifikationen der Cagliostro-Zeit. Das große Propagandamittel dieser Gesellschaft bestand darin, unschuldige Personen der russischen Polizei gegenüber zu kompromittieren, indem man ihnen von Genf aus Mittellungen in gelben Briefumschlägen schickte, die auf der Außenseite in russischer Sprache den Stempel des »geheimen revolutionären[15] Komitees« trugen. Die offiziellen Berichte des Netschajew-Prozesses beweisen, daß ein schändlicher Mißbrauch mit dem Namen der Internationale getrieben worden ist.1
Die Allianz begann in dieser Zeit eine öffentliche Polemik gegen den Generalrat, zunächst im »Progrès« von Locle, dann in der Genfer »Égalité«, der offiziellen Zeitung der Romanischen Föderation, wo sich im Gefolge Bakunins einige Mitglieder der Allianz eingeschlichen hatten. Der Generalrat, der die Angriffe des »Progrès«, des persönlichen Organs von Bakunin, nicht beachtet hatte, konnte die der »Égalité« nicht ignorieren, weil er annehmen mußte, daß sie durch das Romanische Föderalkomitee gebilligt waren. Er veröffentlichte daher das Zirkular vom 1. Januar 1870, worin gesagt wird:
»Wir lesen in der ›Égalité‹ vom 11. Dezember 1869:
›Es ist sicher, daß der Generalrat äußerst wichtige Dinge vernachlässigt. Wir erinnern ihn an seine Pflichten durch den Artikel 1 des Reglements: Der Generalrat ist verpflichtet, die Kongreßbeschlüsse auszuführen, etc... Wir hätten genug Fragen an den Generalrat, so daß seine Antworten ein ziemlich langes Dokument ergäben. Sie werden später kommen... In der Erwartung etc...‹
Der Generalrat kennt weder in den Statuten noch in dem Reglement einen Artikel, der ihn verpflichtete, sich in eine Korrespondenz oder eine Polemik mit der ›Égalité‹ einzulassen oder ›Fragen‹ irgendeiner Zeitung zu ›beantworten‹. Allein das Föderalkomitee von Genf vertritt die Zweiggesellschaften der romanischen Schweiz vor dem Generalrat. Wenn das Romanische Föderalkomitee Anfragen oder Vorwürfe auf dem einzig legitimen Wege, das heißt durch seinen Sekretär, an uns richtet, wird der Generalrat immer bereit sein, darauf zu antworten. Aber das Romanische Föderalkomitee hat weder das Recht, seine Funktionen an die Redakteure der ›Égalité‹ und des ›Progrès‹ abzutreten, noch seine Funktionen von diesen Zeitungen usurpieren zu lassen. Allgemein gesprochen: die administrative Korrespondenz des Generalrats mit den nationalen und lokalen Komitees könnte nicht veröffentlicht werden, ohne den allgemeinen Interessen der Assoziation großen Schaden zuzufügen. Wenn also die anderen Organe der Internationale dem ›Progrès‹ und der ›Égalité‹ nachahmen würden, sähe sich der Generalrat vor die Alternative gestellt, sich entweder[16] durch sein Schweigen vor der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder seine Pflichten durch eine öffentliche Antwort zu verletzen. Die ›Égalité‹ hat sich dem ›Progrès‹ beigesellt, um den ›Travail‹ (Pariser Zeitung) aufzufordern, seinerseits den Generalrat anzugreifen. Das ist beinahe eine Liga für das öffentliche Wohl!«
Indessen hatte das Romanische Föderalkomitee, noch ehe es von diesem Zirkular Kenntnis erhielt, die Parteigänger der Allianz aus der Redaktion der ›Éga lité‹ entfernt.
Das Zirkular vom 1. Januar 1870 sowie das vom 22. Dezember 1868 und das vom 9. März 1869 wurden von allen Sektionen der Internationale gebilligt.
Selbstverständlich ist keine der von der Allianz angenommenen Bedingungen jemals erfüllt worden. Ihre angeblichen Sektionen blieben für den Generalrat ein Mysterium. Bakunin versuchte einige in Spanien und Italien zerstreute Gruppen und die Sektion von Neapel, die er von der Internationale losgerissen hatte, unter seiner persönlichen Leitung zu behalten. In den anderen italienischen Städten korrespondierte er mit kleinen Gruppen, die sich nicht aus Arbeitern zusammensetzten, sondern aus Advokaten, Journalisten und anderen doktrinären Bourgeois. In Barcelona hielten einige Freunde seinen Einfluß aufrecht. In einigen Städten Südfrankreichs bemühte sich die Allianz, separatistische Sektionen unter der Leitung von Albert Richard und Gaspard Blanc aus Lyon zu gründen, auf die wir noch zurückkommen müssen. Mit einem Wort, die internationale Gesellschaft in der Internationale fuhr fort, sich geschäftig zu regen.
Der große Schlag der Allianz, der Versuch, sich der Leitung der romanischen Schweiz zu bemächtigen, sollte auf dem am 4. April 1870 eröffneten Kongreß in La Chaux-de-Fonds erfolgen.
Der Kampf entbrannte über das Recht der Delegierten der Allianz auf Zulassung, ein Recht, das von den Delegierten der Genfer Föderation und der Sektionen von La Chaux-de-Fonds bestritten wurde.
Obwohl die Parteigänger der Allianz nach ihrer eigenen Zahlung nur ein Fünftel der Mitglieder der Föderation vertraten, gelang es ihnen dank der Wiederholung der Manöver von Basel, sich eine fiktive Mehrheit von ein oder zwei Stimmen zu verschaffen, eine Mehrheit, die, um ihr eigenes Organ zu zitieren (siehe die »Solidarité« vom 7. Mai 1870), nur fünfzehn Sektionen repräsentierte, während allein Genf derer dreißig hatte! Über diese Abstimmung teilte sich der romanische Kongreß in zwei Teile, die ihre Sitzungen getrennt fortsetzten. Die Parteigänger der Allianz, die sich als die legalen Vertreter der ganzen Föderation betrachteten, verlegten den Sitz des Romanischen Föderalkomitees nach La Chaux-de-Fonds und[17] gründeten in Neuchâtel ihr offizielles Organ, die von dem Bürger Guillaume redigierte »Solidarité«. Dieser junge Schriftsteller hatte die spezielle Mission, »die Arbeiter der Fabrik« von Genf, diese scheußlichen »Bourgeois«, zu verschreien; die »Égalité«, das Blatt der Romanischen Föderation, zu bekämpfen und absolute Abstention auf politischem Gebiete zu predigen. Die bezeichnendsten Artikel über diesen letzten Gegenstand hatten in Marseille Bastelica und in Lyon die beiden Hauptsäulen der Allianz, Albert Richard und Gaspard Blanc, zu Verfassern.
Nach ihrer Rückkehr riefen die Genfer Delegierten ihre Sektionen zu einer Generalversammlung zusammen, die ihre Handlungen auf dem Kongreß von La Chaux-de-Fonds billigte, trotz der Opposition von Bakunin und seinen Freunden. Einige Zeit danach wurden Bakunin und seine aktivsten Helfershelfer aus der alten Romanischen Föderation ausgeschlossen.
Kaum war der romanische Kongreß geschlossen, als das neue Komitee zu La Chaux-de-Fonds in einem Brief um die Intervention des Generalrats ersuchte. Der Brief war unterzeichnet von F. Robert, Sekretär, und Henri Chevalley, Präsident, der zwei Monate später durch das Organ des Komitees, die »Solidarité« vom 9. Juli, als Dieb angeprangert wurde. Nachdem der Generalrat die Beweisstücke der beiden Parteien geprüft hatte, beschloß er am 28. Juni 1870, das Genfer Föderalkomitee in seinen bisherigen Funktionen zu belassen und das neue Föderalkomitee von La Chaux-de-Fonds aufzufordern, einen lokalen Namen anzunehmen. Angesichts dieser Entscheidung, die seine Wünsche enttäuschte, bezichtigte das Komitee von La Chaux-de-Fonds den Generalrat des Autoritarismus, wobei es vergaß, daß es zuerst selbst seine Intervention verlangt hatte. Die Verwirrung, die in der Schweizer Föderation durch seine hartnäckige Usurpation des Namens Romanisches Föderalkomitee hervorgerufen wurde, nötigte den Generalrat, alle offiziellen Beziehungen zu diesem Komitee abzubrechen.
Louis Bonaparte hatte soeben seine Armee in Sedan übergeben. Von allen Seiten erhoben sich die Proteste der Internationalen gegen die Fortsetzung des Krieges. Der Generalrat wies in seinem Manifest vom 9. September, in dem er die Eroberungspläne Preußens entlarvte, auf die Gefahr des preußischen Sieges für die Sache des Proletariats hin und sagte den deutschen Arbeitern voraus, daß sie dessen erste Opfer sein würden. Er veranlaßte in England Meetings, die den preußischen Tendenzen des Hofes entgegenwirkten. In Deutschland veranstalteten die der Internationale angehörenden Arbeiter Demonstrationen, auf denen sie die Anerkennung der Republik und »einen ehrenvollen Frieden für Frankreich...« forderten.
Die kriegerische Natur des hitzigen Guillaume (von Neuchâtel) flößte[18] ihm indes die glänzende Idee eines anonymen Manifests ein, das als Beilage und unter dem Deckmantel der offiziellen Zeitung »Solidarité« veröffentlicht wurde und die Formierung schweizerischer Freikorps forderte, um gegen die Preußen zu kämpfen, woran er selber zweifellos immer durch seine abstentionistischen Ansichten gehindert wurde.
Der Lyoner Aufstand war ausgebrochen. Bakunin eilte herbei und richtete sich, unterstützt von Albert Richard, Gaspard Blanc und Bastelica, am 28. September im Rathaus ein, dessen Zugänge zu schützen er sich als eines politischen Akts enthielt. Er wurde daraus durch einige Nationalgarden in dem Augenblick jämmerlich vertrieben, als sein Dekret über die Abschaffung des Staates nach einer mühseligen Geburt endlich das Licht der Welt erblickt hatte.
Im Oktober 1870 kooptierte der Generalrat in Abwesenheit seiner französischen Mitglieder den Bürger Paul Robin, einen Flüchtling aus Brest. Er war einer der bekanntesten Parteigänger der Allianz und überdies der Verfasser der in die »Égalité« lancierten Angriffe gegen den Generalrat, in dem er von diesem Augenblicke an ununterbrochen als offiziöser Korrespondent des Komitees von La Chaux-de-Fonds fungierte. Am 14. März 1871 schlug er die Einberufung einer internen Konferenz der Internationale zur Erledigung des Schweizer Streites vor. Der Generalrat lehnte kurzweg ab, da er voraussah, daß sich große Ereignisse in Paris vorbereiteten. Robin kam auf die Sache wiederholt zurück und machte sogar den Vorschlag, der Generalrat solle eine endgültige Entscheidung über den Streitfall treffen. Am 25. Juli entschied der Generalrat, daß diese Angelegenheit eine der Fragen sei, die der für September 1871 einzuberufenden Konferenz unterbreitet werden sollten.
Die Allianz war nicht sehr begierig darauf, ihre Umtriebe von einer Konferenz untersucht zu sehen, und erklärte am 10. August, daß sie seit dem 6. desselben Monats aufgelöst sei. Aber am 15. September erscheint sie wieder und fordert vom Generalrat ihre Zulassung unter dem Namen »Sektion der sozialistischen Atheisten«. Nach dem Verwaltungsbeschluß Nr. V des Baseler Kongresses hätte sie der Rat nicht zulassen können, ohne das Genfer Föderalkomitee, das des zweijährigen Kampfes mit den sektiererischen Sektionen müde geworden war, vorher befragt zu haben. Im übrigen hatte der Generalrat schon den englischen christlichen Arbeitergesellschaften (Young men's Christian Association) erklärt, daß die Internationale theologische Sektionen nicht anerkenne.[19]
Am 6. August, dem Datum der Auflösung der Allianz, erneuert das Föderalkomitee von La Chaux-de-Fonds seinen Antrag um Aufnahme offizieller Beziehungen zum Generalrat und erklärt ihm, daß es den Beschluß vom 28. Juni auch weiterhin ignorieren und gegenüber Genf als Romanisches Föderalkomitee auftreten werde, und »daß es dem allgemeinen Kongreß zukomme, diese Angelegenheit zu entscheiden«. Am 4. September schickte dasselbe Komitee einen Protest gegen die Zuständigkeit der Konferenz, deren Einberufung es indessen als erster gefordert hatte. Die Konferenz hätte ihrerseits fragen können, welcher Art denn die Kompetenz des Pariser Föderalrats sei, den dieses Komitee vor der Belagerung ersucht hatte, über den Schweizer Streitfall zu entscheiden? Sie begnügte sich, die Entscheidung des Generalrats vom 28. Juni 1870 zu bestätigen. (Siehe die Beweggründe in der Genfer »Égalité« vom 21. Oktober 1871.)
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