Anmerkungen

Durch gothische Buchstaben ausgedrückt sind die lingualen (cerebralen) Laute mit Einschluss des r-Vokals, aber ausschliesslich des Sibilanten, der durch sh umschrieben wird; ferner der l-Vokal, der Visarga (h) und der Anusvara (m). Der palatale Zischlaut wird durch ç wiedergegeben. – Die kursiv gedruckten indischen Wörter sind teils Sanskrit- teils Pali-Formen; über die technischen Ausdrücke unter ihnen vergl. das den Anmerkungen folgende Parallel-Register. – In eckige Klammern eingeschlossen sind die wenigen rein wissenschaftlichen Anmerkungen. – R.D. = Rhys Davids bezieht sich auf die englische Übersetzung des Milinda-Panha in den Sacred Books of the East (s. Einleitung).[129]


1 Die Menschen sind Träumende, denen über die wahre Beschaffenheit der Welt erst die Augen aufgehen müssen. In diesem Sinne ist Gotama (Gautama) der Buddha, d.h. der Erwachte, oder Sammā-sambuddha »der vollkommen Aufgewachte«. Der Form nach liegt hier ein altererbtes zustandbezeichnendes Verbaladjektiv vor (vgl. die sog. deponentialen Participia Perfecti des Lateinischen), das dem griechischen πυστο in -πυστος »unkundig« buchstäblich entspricht. Die Wurzel ist *bheudh-, bodh-, πευϑ.

2 bāhira-kathā: so genannt im Gegensatz zum eigentlichen Inhalt des Buches, den Gesprächen des Königs mit dem buddhistischen Weisen.

3 Yonakā. »Die Inder benennen die Griechen mit dem, im Orient (cf. die Hebräer, Syrier, Araber und die altpersischen Keilinschriften) allgemein für sie üblichen Namen der Jonier und zwar haben sie diesen Namen zunächst wohl von den Persern entlehnt, sei es schon damals, wo sie, nach Herodots Zeugnis, als persische Hilfstruppen an den Perserkriegen gegen die Griechen teilnahmen, oder sei es erst später, als Alexander bei seinem Einfalle in Indien, sich vermutlich wohl iranischer Dolmetscher zu dem Verkehr mit den indischen Fürsten u.s.w. bediente.« (A. Weber, Die Griechen in Indien, Berl. Acad. 1890, S. 901.) Yonaka ist die durch das Suffix -ka erweiterte Form des neben ihm gebräuchlichen yona (skt. yavana), das auf altpersisch yauna (oder hebräisch yavan) und hierdurch auf das homerische ᾽Ιάονες zurückgeht.

4 Σαγγαλα (Weber, loc. cit. p. 902).

5 So hiessen alle diejenigen, die, auf eigene Faust oder als Angehörige eines Ordens, eine, von der brahmanischen[131] Orthodoxie nicht anerkannte religiöse oder philosophische Idee befolgten oder verkündigten. Von solchen Çramanen (Pāli Samanā) war, infolge der absoluten Religionsfreiheit, schon vor Buddhas Zeit das Land überschwemmt.

6 [Jambudipe Sāgalanagare etc., ed. p. 3 unten. Um den Übergang herzustellen, musste ich hoti statt ahosi lesen.]

7 Dies sind die vier berühmtesten der philosophischen Systeme Indiens.

8 Die gewöhnliche Zahl der sippa (çilpa). d.h. der Wissenschaften und Künste, ist achtzehn. Die Übersetzung von muddā, eigentlich »Siegelkunst«, mit »Urkundenlehre« ist nicht ganz sicher (R.D.).

9 Elefanten, Streitwagen, Kavallerie, Infanterie – entsprechend den Türmen, Läufern, Pferden und Bauern des (aus Indien stammenden) Schachspieles.

10 »Wer hat diese Welt gemacht? Der und der hat sie gemacht Die Krähe ist weiss. Denn ihre Knochen sind weiss. Der Kranich ist rot. Denn sein Blut ist rot. Solche und ähnliche kasuistische und sophistische Dispute und Unterredungen heissen lokakkhāyikā.« Attha-Kathā zum Brahmajāla-Sutta; siehe Childers sub lokāyatam.

11 Die vier patisambhidās sind 1) Erkenntnis des grammatischen Sinnes, 2) Erkenntnis der tieferen (philosophischen) Bedeutung, 3) Erkenntnis des Ursprungs der Worte, 4) Fähigkeit der korrekten Auslegung. Nur der Heilige oder Arahā (Arhat) ist im vollen Besitze dieser Fähigkeiten.

12 Die neun angāni, d.h. »Glieder«, des buddhistischen Kanons sind in ihrer Pāli-Bezeichnung: 1. Sutta, lehrhafte Abhandlungen in Prosa oder in Versen; 2. Geyya, Abhandlungen, die gemischt Prosa und Verse enthalten; 3. Veyyākarana Erklärung; 4. Gäthä, ungemischte Verse; 5. Udäna, Freudengesänge; 6. Itivuttaka, eine Sammlung von 101 Suttas, die mit den Worten: ›So hat der Buddha gesprochen‹ beginnen; 7. Jātaka, Geschichten über frühere Geburten des Buddha; 8. Vedalla, gefühlspsychologische Erörterungen. Geläufiger ist die Einteilung in drei »Körbe«, s. Anm. 43.

13 [Vergl. Anm. 15. Die wörtliche Übersetzung ist: » .... auswendig wissend (= im Auswendigwissen) hatte er die Vollendung erreicht.«] [132] 14 Thera (Sthavira): ein Höflichkeitstitel für die Mönche, die schon längere Zeit dem Orden angehörten.

15 [Mit patisambhidāsu pārami-ppatto vergl. abhiññāsu pāramim gato (Jāt. 17, s. Childers). Hier wie dort ist die speziellere Bedeutung von pārami durch den vorhergehenden Begriff sowohl wie durch den Lokativ ausgeschlossen. Sie ist daher auch oben S. 4 (ed. p. 2117) kaum anzunehmen, obwohl möglich (vgl. R.D.p. 34 Anm. 3).]

16 Vgl. Anm. 11.

17 Es ist eine allgemeinindische Beobachtung, dass infolge eines plötzlichen starken Affektes die Härchen der Poren sich in die Höhe richten. Das Erschrecken des Königs dürfte durch eine Ahnung oder eine vorgeburtliche Reminiszenz hervorgerufen worden sein.

18 Die »langlebigen« (nicht unsterblichen) Götter sind, offenbar wegen des ungetrübten Glückes, in dem sie leben, nicht fähig, den tiefen Ernst der Buddha-Lehre zu erfassen,

weswegen sie in Debatten mit dem Buddha oder einem seiner Jünger in den Pitakas stets den kürzeren ziehen und für zwar dem gewöhnlichen Menschen überlegen, aber tief unter dem überzeugten Buddhisten stehend gelten. Ein Gott kann also Nirvāna nur erreichen, wenn er als Mensch wiedergeboren wird und als solcher zur Erkenntnis kommt, dass alles Dasein, auch das göttliche, unbeständig = leidvoll ist. Nur der Anägāmin (»Nichtwiederkehrende«), d.i. einer, der über das menschliche Dasein hinausgewachsen ist, aber ohne Nirvāna erreicht zu haben stirbt, verbringt sein letztes oder seine letzten Leben in einer Brahman-Welt. Vgl. Anm. 58, 164, 143.

19 »Mandala-māla: eine Halle, die nur aus einem von Pfeilern getragenen Dache besteht. Die Pfeiler verbindet eine kleine zwei bis drei Fuss hohe Mauer, und das Dach geht über die Pfeiler hinaus, so dass der Raum drinnen gut beschattet ist,« R.D.

20 Der Gott steht vor der unangenehmen Notwendigkeit, auf Erden wiedergeboren zu werden, und zwar unter Umständen, die er sich nicht aussuchen kann, die vielmehr durch das Karman (Anm. 84) seines letzten Erdenlebens mit der Unerbittlichkeit des Naturgesetzes bestimmt werden. Das Leben als Gott oder im Himmel spielt nach buddhistischer[133] Ansicht in der Entwicklung der Individualität nur die Rolle einer Ruhe- oder Erholungspause, die Karman, der unbestechlichste aller Richter, für jedes besonders tugendhafte Erdenleben gewährt. Allein der Anāgāmin entwickelt sich weiter in den Himmelswelten und erlangt dort Nirvāna, und nur ein solcher kann auch die besondere Beschaffenheit des Menschendaseins selbst bestimmen, das er, um dem Glauben zu dienen, etwa noch zu führen sich entschliesst. Vergl. Anm. 164, 143, 58, 18.

21 d.h. in der metrischen Bearbeitung der Erzählung; s. Einleitung. In der obigen Übersetzung ist das Versmass des Originals beibehalten.

22 āyasmā (āyushmān). So werden die älteren Mönche (Senioren) nicht allein von den Laien, sondern auch von den jüngeren Mönchen angeredet.

23 Der folgende Passus ist oft übersetzt worden, am genauesten, jedoch mit einigen Kürzungen, von Oldenberg in seinem »Buddha« (4. Aufl. S. 293 fg.).

24 Es gilt für ein Zeichen von Geschmack und Bildung, demselben Gedanken einen mehrfachen Ausdruck zu geben. Daher die umständliche Sprache der alten Pāli-Texte, die übrigens andrerseits auch auf dem Wunsch, möglichst deutlich zu sein, beruht.

25 Wörtlich: »Eine Person (puggala) wird hierin nicht erfasst.« Dies ist der dritte Satz der Lehre von den drei Attributen (Anm. 69): der berühmte, in Indien wie in Europa oft missverstandene und bekämpfte Satz vom Nicht-Selbst (anattā, anātman). Derselbe wendet sich gegen die naive Annahme einfacher und unveränderlicher (substantieller) Träger der Geistes- und Naturerscheinungen. Wie der Stamm des Pisang-Baumes aus lauter übereinander gerollten Blattscheiden ohne einen festen Kern besteht, so, lehrt der Buddha, ist jede, organische wie unorganische, sinnlich erkennbare wie übersinnliche Natureinheit (dhamma, dharma) nur ein entstehendes, durch kürzere oder längere Zeit im »Bestehen« sich erneuerndes (vgl. den durch die moderne Naturwissenschaft nachgewiesenen »Stoffwechsel«) und endlich sich auflösendes System von Kräften oder Samskāras (sankhārā im Pāli, wörtlich »Zubereitungen« = Tendenzen, Strebungen, vgl. Schopenhauers[134] »Willen«) also weder als Ganzes noch im einzelnen ein Feststehendes, Beharrendes oder »Selbst« (attā, ātman). Dass wir im praktischen Denken diese Kräfte stets an Substanzen gebunden glauben, dass wir das Ding als etwas neben seinen sog. Eigenschaften Bestehendes betrachten, kommt daher, dass wir die Dinge und Wesen einheitlich vorstellen und benennen, wie »grob«, »fein« (vgl. III, 7. 14), »Nāgasena«, »Wagen«, »Haar«, »Deichsel« u.s.w. Wohl gibt es ein Unvergängliches in uns. Aber dieses ist nicht in der Natur, sondern über die Natur erhaben, d.h. überräumlich und überzeitlich, also auch überindividuell. Dieses unser wahres Selbst wird offenbar, wenn wir die Natur, den »Willen zum Leben«, überwunden haben, im Nirvāna oder »Aufhören« der Individualität (des Sonderseins). In diesem und keinem anderen Sinne ruft der Buddha immer wieder seinen Jüngern zu: »Werft ab, ihr Mönche, was nicht euer ist: die Körperlichkeit, die Gefühle, die Vorstellungen, die Dispositionen, das Erkennen«, d.h. die sämtlichen fünf Skandhas (s. S. 13 nebst Anmerkungen), aus denen ihr besteht; allein in diesem Sinne fordert er sie auf, alle Daseinselemente zu erforschen und bei jeeem ohne Ausnahme sich zu sagen: »Das ist nicht mein, das bin ich nicht, nicht ist dies mein Selbst«. Über das wahre Selbst aber bewahrt er strengstes Schweigen, weil es »das Ungreifbare, das Unvorstellbare ist, für das es ein Bild nicht gibt«, weil »wo alle Dinge aufgehoben sind, auch alle Möglichkeiten der Sprache aufgehoben sind« (Sutta-Nipāta 1149, 1076).

26 Dies ist eine stehende Liste, die alle gröberen Bestandteile der »Körperlichkeit« umfassen soll. Zum Begriff der letzteren gehört aber ausserdem noch eine Anzahl feinerer Bestandteile: die Kräfte der sinnlichen Wahrnehmung (Sehkraft, Hörkraft etc.), der weibliche Sinn, der männliche Sinn, die Sprache, die Kohäsionskraft etc. Daher die nächste Frage.

27 Die Körperlichkeit (rūpa-kkhandha) wird definiert als »die vier grossen Phänomene (mahābhūtāni: Erde, Feuer, Luft, Wasser) und die aus ihnen abgeleitete Form« (Dhammasangani 584). Sie ist einer der fünf Skandhas (Khandhā), d.h. Gruppen (eigentlich »Stämme«), in die die Erscheinungen des menschlichen Lebens zerfallen.

28 vedanā, der zweite Skandha, 3 x 6 Arten umfassend,[135] nämlich das angenehme, das unangenehme und das indifferente Gefühl, je nachdem diese als Begleiterscheinungen eines Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks-, Hauteindruckes oder einer repräsentativen (Erinnerungs-) Vorstellung auftreten.

29 saññā (samjña), eigentlich »Bezeichnung, Name«. Gemeint sind die den Sinneserregungen folgenden Wahrnehmungen und die entsprechenden Erinnerungsbilder sowie diejenigen Allgemeinvorstellungen oder Begriffe, die ein solches »Markieren« erfordert.

30 Dieses Wort kann im Deutschen als engl. temper sowohl wie disposition) verstanden werden und scheint deshalb zur Wiedergabe von sānkhārā (samskārās) in dem oben vorliegenden engeren Sinne ganz geeignet. Denn unter den 52 Samskāras ist keiner, der nicht in einer der folgenden drei Kategorien Platz fände: 1. Allgemeine menschliche (tierische) Fähigkeiten (Überlegung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit etc.); 2. individuelle Charakteranlagen (Dummheit, Sanftmut, Habsucht etc.); 3. vorübergehende Stimmungen (Furcht, Hass, Ärger etc.). 1 und 2 sind = engl. disposition, 3 = engl. temper (= deutsch Disposition im engeren Sinne, vgl. »ich bin gut, schlecht disponiert«). Diese Samskāras sind, genau wie in der Philosophie des Sāmkhya-Yoga, wo sie auch rāsanās heissen, das moralische Ergebnis der früheren Lebensläufe und zugleich dasjenige, was als der subjektive Niederschlag des Karmans oder Tuns die Art der künftigen Geburt bestimmt (Anm. 84), wobei man sich erinnern muss, dass für den Buddhismus der Charakter nicht, wie für Schopenhauer, etwas Unveränderliches ist, sondern, wie alle Dinge, in einer beständigen, wenn auch oft unmerkbaren, Wandelung sich befindet. – Mit dem Samskāra-Skandha darf nicht verwechselt werden das Wort samskāra in seinem weiteren Sinne. In diesem nämlich bedeutet es (vgl. Anm. 25) alles, woraus überhaupt ein Ding oder Wesen besteht, sämtliche Kräfte, die im Universum tätig sind, also alles in Raum und Zeit Existierende. Auf diese Weise und dadurch, dass mit dharma nicht allein das System von Samskāras bezeichnet wird, das ein Ding ausmacht, sondern auch die Vorstellung, die wir von dem Dinge haben, also ein Samskāra (im weiteren Sinne), ferner durch die Ansicht, dass jeder [136] samskāra zu jeder Zeit nur in Verbindung mit anderen (d. h in einem dharma), niemals für sich existiert, ist es leicht verständlich, dass die Worte samskāra und dharma sehr oft scheinbar und ebenso oft wirklich als vollkommen gleichbedeutend gebraucht werden. Samskāra im engeren Sinne ist also einer der fünf Bestandteile des Individuums, dharma im engeren Sinne ein Ding oder Wesen sowohl wie die Vorstellung, die wir davon haben, während dharma und samskāra in ihrem weiteren Sinne alles Existierende überhaupt bedeuten. Endlich ist dharma auch noch der gewöhnliche Ausdruck für »Wahrheit« und »Lehre Buddhas«.

31 viññāna (vijñāna). Dies ist die eigentlich aktive Seite des Intellekts, dasjenige, was die Wahrnehmungen, Vorstellungen, Gefühle und Zustände als solche erkennt, zur Aussenwelt in Beziehung setzt, beurteilt und bewertet. Daher die Einteilung des Erkennens in heilsames, schädliches und indifferentes u.s.w. (89 Arten). Gleichbedeutend mit riññāna sind citta und mano. Doch ist mano im engeren Sinne, nämlich als der sechste Sinn (man'indriya), die als Gedächtnis und Phantasie reproduktive und produktive Vorstellungskraft. Wo endlich das Erkennen neben den vier Grossen Phänomenen (Anm. 27) und dem Raum (ākāsa) als sechstes Element erscheint (viññāna-dhātu), ist es ohne Zweifel, da die andern fünf Elemente die »Körperlichkeit« ausmachen, als die Gesamtheit der geistigen (cetasikā) Skandhas gedacht.

32 Die Skandhas sind und bleiben nur Skandhas, einerlei zu welcher Form sie zusammentreten. Vergl. das Verhältnis des Waldes zu seinen Bäumen.

33 Eine übersinnliche »Seele«, ein Subjekt oder Ding-an-sich (ātman, attā).

34 Auch vom vedāntischen Standpunkt aus hätte diese Frage verneint werden müssen, da der Ātman des Vedānta gleichfalls nicht Nāgasena, keine Individualität, sondern »Eines ohne ein Zweites« ist, und weil es ferner ein Nebeneinander von Ātman und Māyā ausser in unserer Vorstellung nicht gibt.

35 Wörtlich: »ein mit Unlust verbundenes Hautbewusstsein«. Dies ist eine der 89 Arten von Bewusstsein, die den fünften Skandha (Anm. 31) bilden. Vgl. Anm. 28 über redanā.

[137] 36 [»spokes of the wheels« (R.D.) sind an dieser Stelle nicht zu erwarten und wohl auch als rasmayo nicht belegt. Der Plural ist nicht auffällig, weil der König natürlich mehrspännig fährt.]

37 Wörtlich: »Der Deichsel nachgehend (paticca), der Achse nachgehend u.s.w. kommt der Name, die Benennung u.s.w. ›Wagen‹ zustande.« Mit diesem paticca oder mit nissāya oder ārabbha (»sich anlehnend, anklammernd«) wird jedes Kausalverhältnis umschrieben – ein speziell buddhistischer Usus, der wohl vor allem den Zweck hat, der naiven Meinung von dem Übergehen einer Substanz entgegenzuwirken. Tatsächlich kennen wir ja nur, wie in Europa zuerst Hume zeigte, eine Aufeinanderfolge von Erscheinungen, die, wo sie gesetzmässig erscheint, als Kausalverhältnis verstanden wird.

38 Samyutta-Nikāya V, 10, 6 (R.D.).

39 mam nissāya »an mich sich lehnend«. Vgl. Anm. 37.

40 Der König will die berühmte Schlagfertigkeit Nāgasenas auf die Probe stellen.

41 Diese Namen sind höchst wahrscheinlich, wie Milinda aus Menandros, aus griechischen Originalen entstellt. In Deva-mantiya (»Götterrat«) ist Theomantis, in Ananta-kāya (»Mit unendlichem Körper«) Antiochos, in Mankura (»Spiegel«) Menekles und in Sabbadinna (»Von allen beschenkt« = skt Sarvadatta) eine Übersetzung von Sarapodotos oder Pasidotos vermutet worden. Garbe, loc. cit. p. 269.

42 Als die drei Dispositionen (Samskāras, s. Anm. 30) werden vielfach die Disposition des Körpers, der Rede und des Geistes (kāya-, vacī-, citta-sankhāra) aufgezählt. Die erste gehört natürlich zum körperlichen Aggregat (Anm. 27) und wohl im besonderen zur Lebenskraft (jīvit'indriya). Die zweite und ebenso die dritte besteht aus zwei der zweiundfünfzig Dispositionen, die den vierten Skandha bilden, nämlich die eine aus Betrachtung und Erwägung, die letzte aus Vorstellung und Gefühl.

43 Der buddhistische Kanon zerfällt in drei »Körbe« (Pitaka): den (das) Vinaya-, Sūtra-(Sutta-) und Abhidharma-(Abhidhamma-) Pitaka. Der erste enthält die Ordensregeln u. dgl., der zweite die Reden Buddhas nebst allerlei Dichtungen[138] und Erzählungen, der dritte einen grossen buddhistischen Katechismus.

44 Laienbruder, d.h. einer, der die Lehre Buddhas anerkennt und die Laienvorschriften beachtet.

45 Aus Ehrerbietung und um sich als Schüler zu bekennen.

46 anupādā parinibbānam. Zugrunde liegt der Gedanke, dass alles individuelle Dasein, auch das göttlichste, notwendig unvollkommen und darum leidvoll ist und dass die vollkommene Erlösung daher nur eine Erlösung von der Individualität sein kann, also eine Erlösung von allem, was wir uns vorstellen können. Näheres hierüber bei O. Schrader, »Das Wesen des Buddhismus« (in Vorbereitung im gleichen Verlage).

47 Fehler (kleça, kilesa) im buddhistischen Sinne ist Leidenschaft und alles was damit zusammenhängt: »Gier, Hass, Narrheit, Eitelkeit, Phantasterei, Zweifel, Trägheit, Anmassung, Schamlosigkeit, Hartherzigkeit.« Also Fanatismus sowohl wie Quietismus gehören hierher und nicht weniger die christliche »Liebe«, wenn man sie von dem leidenschaftslosen »Wohlwollen« (metta) der Buddhisten unterscheiden will.

48 yoniso manasikāro, »gründliche Aufmerksamkeit«.

49 paññā.

50 manasikārena mānasam gahetcā.

51 silam, saddhā viriyam, sati, samādhi.

52 indriyabala, bojjhanga, magga, satipatthāna, sammappadhāna, iddhipāda, jhāna, vimokha, samādhi, samāpatti: lauter Termini der buddhistischen Erlösungspraxis, die zum Teil später noch erklärt werden. Die fünf moralischen Kräfte sind Glaube, Ausdauer, ernstes Denken, Konzentration und Einsicht, die sieben Kennzeichen der Heiligkeit ernstes Denken (Meditation), Erforschung der Lehre, Ausdauer, Freude, Ruhe, Konzentration und Gleichmut.

53 Samyutta-Nikāya 1, 3, 3 und VII, 1, 6.

54 Zu Buddhas Zeit teilte man die religiösen und philosophischen Systeme in vier Klassen: solche die Wissen und Sittlichkeit (vidyā-carana), solche, die das blosse Wissen, solche die die Ablehnung alles Wissens (Skepsis) und endlich solche, die die blosse Sittlichkeit für den Weg zum Glück ausgaben. Vgl. Otto Schrader, Über den Stand der indischen Philosophie[139] zur Zeit Mahāvīras und Buddhas, Einleitender und Allgemeiner Teil.

55 Gemeint ist das Vertrauen zu Buddha, seiner Lehre und seiner Gemeinde.

56 Die fünf Hindernisse (nīvaranāni) sind Sinneslust, Bosheit, Lässigkeit, Stolz, Zweifel.

57 Vgl. Anm. 47.

58 Die vier Stufen sind: 1. die des Sotāpanna: dessen der eingetreten ist in den »Strom« (sota) der Lehre; 2) des Sakadāgāmin: der nur noch einmal als Mensch wiedergeboren wird; 3) des Anāgāmin, der nur noch in einer Brahman-Welt wieder geboren wird, und 4) des Arhat, der noch in diesem Leben Nirvāna erreicht bezw. schon erreicht hat.

59 Eine zweifelhafte Stelle, in deren Übersetzung ich Rhys Davids (Hīnati-Kumbure) folge.

60 Ernstes Denken (sati, smrti), wörtlich »Erinnerung«, im weiteren Sinne hat der Mönch zu jeder Zeit zu üben, indem er schlechterdings garnichts gedankenlos tun darf, sondern über jede seiner Handlungen, sogar die rein körperlichen Verrichtungen, sich stets genaue Rechenschaft geben muss. Im engeren Sinne aber sind unter dem ernsten Denken die vier Richtungen (oder Methoden, prasthāna) des ernsten Denkens zu verstehen (s.u.), nämlich das Meditieren über den lebenden und den toten Körper, über die Gefühle, über das Denken und über die Objekte des Denkens.

61 »Satiñ ca kvāham, bhikkhave, sabbatthikam vadāmi.« Von Rhys Davids übersehen.

62 samādhi, wörtlich »Zusammenfügung«, meist mit »Ruhe«, »Sammlung« u. dgl. übersetzt. Auch dieser Terminus hat eine allgemeine und eine spezielle Bedeutung. Die erste liegt in unserm Falle vor, die letzte spielt nur bei den ekstatischen Zuständen (Jhānas, Dhyānas) eine Rolle.

63 samādhi-pamukhā. -nlnnā, -ponā, -pabbārā.

64 kūtāgāram.

65 Samyutta-Nikāya XXI, 5.

66 samāhito.

67 paññā, prajñā.

68 Die vier heiligen Wahrheiten vom Leiden, von der Ursache des Leidens, von dem Aufhören des Leidens und von[140] dem achtfachen Pfad, der zur Überwindung des Leidens führt.

69 Die Lehre von den drei Attributen (tilakkhanam, trilakshanam) ist die metaphysische Basis des Buddhismus. Nur wer sie versteht, kann ernstlich nach Nirvāna streben. Näheres in meiner, Anm. 46 genannten Abhandlung über das Wesen des Buddhismus. Vgl. auch Anm. 25.

70 Freier: »Bleibt man im Werden derselbe oder wird man ein anderer?« Das Verbum (uppajjati) hat sowohl den weiteren Sinn »entstehen« wie den engeren »geborenwerden«, was sich dadurch leicht erklärt, dass nach buddhistischer Anschauung ein Leben in ebenderselben Weise an das andere sich reiht wie innerhalb des einzelnen Lebens die Daseinsmomente einander folgen. Die letzteren verhalten sich zu der Reihe der Lebensläufe wie etwa die kleineren zu den grösseren Schwingungen eines und desselben Tones. Den Übergang von Tod zu Geburt kann man sich auch an dem Bild einer Flamme veranschaulichen, die von einer niedergebrannten Kerze im letzten Augenblick zu einer frischen überspringt. Die Flamme ist die Denkkraft (die geistigen Skandhas in potentia, Anm. 92 und 21), die Kerze die Körperlichkeit, und das langsame Wachsen der neuen Flamme entspräche dem allmählichen Sichbewusstwerden des neuen Individuums. Der Vergleich passt nur insofern nicht, als die Körperlichkeit des neuen Individuums mit dem Überspringen der Denkkraft (wir würden Seele sagen) in den Mutterleib erst gebildet zu werden anfängt und nicht schon fertig da ist. Übrigens handelt, wie gesagt, unser Kapitel nicht speziell vom Problem der Geburt, sondern ganz allgemein von dem des Werdens.

71 Evam eva kho, mahārājā, dhamma-santati sandahati. Über dhamma vgl. Anm. 25 und 30. Das Wort steht hier offenbar in seinem ursprünglichen Sinne: Aggregat von Samskāres, könnte jedoch auch in jenem weitesten Sinne verstanden werden, indem es mit sankhāra zusammenfällt und jedes Ding und jedes Wesen, jede Empfindung, Wahrnehmung und Vorstellung, jeden Begriff und jeden Gedanken, kurz alles in Raum und Zeit irgendwie Existierende bedeutet. Santati bedeutet »Ausbreitung, Ausdehnung, Reihe, Linie, Fortdauer, Fortsetzung, Nachkommenschaft« und ist aus der Präposition sam- (vgl. gr. συν) und der Wurzel tan, idg. ten, zusammengesetzt, die u.a. auch in[141] skt. tantu »Faden«, tanti »Strick«, tanu »dünn«, tanu (tanū) »Leib, Körper, Person«, in gr. τανυ, lat. tenuis sowie in unserem »dünn« und »dehnen« steckt. Das Verbum sandahati bedeutet, wie uppajjati »entstehen« und im engeren Sinne »geboren werden«, so »neuentstehen« und speziell »neugebo renwerden« – sehr rätselhaft, wenn man erwägt, dass die wörtliche Übersetzung und die Bedeutung des entsprechenden Sanskrit-Verbums (samdadhāti aus sam- + dhā = gr. -ϑη- in τιϑημι) »vereinigen, verbinden« ist. Ich glaube, dass die Lösung des Rätsels durch das Sanskritwort sandhyā »Dämmerung« = Verbindungszeit von Tag und Nacht, Nacht und Tag vermittelt wird sowie durch die Bilder, unter denen man sich die Wiederverkörperung vorstellte: das Übergehen einer Raupe von einem Grashalm zu einem anderen (so dass sie einen Augenblick die beiden Grashalme miteinander verbindet, Brh. Up. IV [VI], 4. 3) und das Passieren eines Grabens mittels eines Schwungseiles (Visuddhimagga bei Warren, Buddhism in translations p. 238 fg.). Sandahati (patisandahati) »er wird wiedergeboren« hätte also ursprünglich etwa bedeutet »er schlägt eine Brücke (von diesem zu dem nächsten Dasein)« und wäre dann durch Anlehnung an uppajjati dazu gekommen, auch »erneuert sich« im weiteren Sinne zu bedeuten.

72 Apubbam acarimam viya sandahati. Für den Buddhisten ist alles Dasein nur ein momentanes (absolut dauerloses) Entstehen und Vergehen, Erscheinen und Verschwinden, ein steter Verbrennungsprozess.

73 Hierzu bemerkt Rhys Davids: »Ein Mensch ist in jedem Augenblick genau das dessen er sich bewusst ist. Die Phase seines Selbstbewusstseins, die Totalität seines Bewusstseinsinhaltes, wechselt beständig und ist beim Tode so verschieden von dem was sie bei der Geburt war, dass er in einem gewissen Sinne während der einen Zeit nicht derselbe ist wie der, welcher er zu einer anderen Zeit war. Aber es besteht ein Zusammenhang in der ganzen Reihe – ein Zusammenhang, der von dem ganzen Körper abhängig ist. Und dies macht das Gleichnis passend, insofern in ihm die Lampe der Körper und die Flamme das wechselnde Selbstbewusstsein ist.« Ich kann dem nicht unbedingt beistimmen. Das Gleichnis stimmt jedenfalls insofern garnicht, als es ganz unbuddhistisch ist,[142] den Körper als das Beständige, Unveränderliche hinzustellen, obwohl Buddha einmal gesagt hat, dass es immer noch besser wäre, den Körper für das »Selbst« anzusehen als den sichtbarlich unbeständigen Geist. Nach der Lehre Buddhas ist alles, Körper wie Geist, in momentaner Veränderung begriffen. – Mit dem »letzten Bewusstseinsakt« [pacchima-viññānasangaha] ist entweder der letzte bewusste Augenblick vor dem Eingehen in Parinirvāna gemeint oder, da es die Denkkraft [viññāna] ist, die in den Mutterleib sich senkt [Oldenberg, Buddha p. 258], die letzte Empfängnis, d.h. das letzte Greifen [sangaha] der Denkkraft nach Materie, oder endlich, da die Denkkraft bezw. das »Erkennen« das eigentlich Aktive am Menschen ist, auf das jedes »Ergreifen« [upādāna] der Objekte zurückgeht, das ganze letzte Leben.

74 Ghrta, engl. (ghee, »ist eine Art zerlassene Butter, die im Osten (Ost-Indien) hergestellt wird. Die Butter wird über einem niedrigen Feuer geschmolzen und zum Abkühlen bei Seite gesetzt. Der dicke, undurchsichtige, weissliche und flüssigere Teil oder Ghee, der die grössere Masse der Butter ausmacht, wird dann fortgenommen. Der weniger flüssige Rest wird, mit Erdnussöl gemischt, als eine geringere Sorte des Ghee verkauft« (Encyclopädia Britannica). Das Ghrta wird von den Brahmanen zu fast allen Speisen gebraucht, ausserdem als Medizin, bei Zeremonien, Opfern etc.

75 nissāya. Vgl. Anm. 37.

76 Unter der näheren Ursache (hetu) und der entfernteren Ursache (paccayo) sind hier der Durst oder Wille zum Leben (tanhā) und das Ergreifen oder Haften (upādāna zu verstehen (R.D.). Vgl. Anm. 92.

77 Das Pflügen und das Säen.

78 ñāna und paññā.

79 moho. Die Erkenntnis, dass es eine substanzielle Individualseele (ein »Ich«), wie sie von der naiven Meinung als die Trägerin der subjektiven Phänomene postuliert wird, nicht geben kann (weil Substanz und Kausalität einander ausschliessen), führt im Buddhismus konsequenterweise zur Verselbständigung der Phänomene. Gedanken und Gefühle haben objektive Realität, und das Individuum ist ein stets wechselndes[143] Aggregat von physischen und psychischen Kräften, von denen bald diese, bald jene das Handeln bestimmt.

80 Der Nirvāna schon erreicht hat, aber noch das Ende seines Lebens abwarten muss, um in Parinirvāna einzugehen.

81 Yo hetu yo paccayo. Dies ist eine stehende Wendung, die oft nichts anderes bedeutet als »die verschiedenen Ursachen«.

82 d.h.: wird die religiöse Entwickelung dessen, der solche Gefühle hat, durch diese begünstigt oder aufgehalten oder keins von beidem?

83 Der Verfasser spart sich die Aufzählung, weil jeder mit dem Buddhismus halbwegs Bekannte sofort weiss, dass er bei der Sechszahl an die sechs Sinne – die bekannten fünf und das Gedächtnis (die Erinnerung, Phantasie) – zu denken hat. Jedes angenehme, jedes unangenehme und jedes indifferente Gefühl kann in Verbindung mit einem Gesichtseindruck, einem Gehörseindruck u.s.w. auftreten (vgl. Anm. 28), und jedes dieser 3 x 6 Gefühle kann der Gegenwart, der Vergangenheit oder der Zukunft angehören, und jedes dieser 3 x 6 x 3 Gefühle wird ethisch gewertet dadurch dass es vom Standpunkte des Genusslebens oder aber durch das »ernste Denken« (sati, smrti, s. S. 29) des Jüngers der Wahrheit aufgefasst wird. So ergibt diese freilich sehr künstliche Rechnung in der Tat 3 x 6 x 3 x 2=108 verschiedene Arten von Gefühlen.

84 Das dreifache Karman (Kamma) besteht aus Werken des Körpers, der Zunge und des Denkens. Unter Karman ist 1) die Tat selbst zu verstehen; 2) der Lebenskeim, den jede selbstische Tat (jede Tat, die auf »Durst« und »Unwissenheit« beruht; s. Anm. 92) in Form einer latenten Kraft in dem Täter hinterlässt; 3) die bei der Wiederverkörperung oder auch schon früher sich zeigende subjektive Wirkung dieser Kraft. Jede Neugeburt wird bestimmt durch die Gesamtheit der vorhandenen latenten Kräfte oder Dispositionen (Samskāras), die, entsprechend den Taten, von drei Arten sind; vgl. Anm. 42.

85 Das Wort ist dasselbe wie oben (nāma-rupa) und nur der Abwechselung halber von mir hier anders übersetzt.

86 addhā (Zeit) heisst wörtlich »Strecke« »Weg.«

87 Es wechseln hier, wie überhaupt häufig in den buddhistischen Texten, die Wörter sankhārā und dhammā.

88 Es wechseln hier, wie überhaupt häufig in den buddhistischen Texten, die Wörter sankhārā und dhammā.

[144] 89 »wenn sie gestorben sind« (ye ... kālakatā) ist hier futurisch zu fassen als »wenn sie gestorben sein werden«. Es handelt sich um die bei Lebzeiten Erlösten, die Arhats, die nur äusserlich noch fortfahren, dem »Bereich des Todes« anzugehören, in Wahrheit aber bereits die »todlose Stätte« erreicht haben, in der es Zeit und Werden nicht gibt. In diesem Sinne wird z.B. in unserem ältesten Texte, dem Sutta-Nipāta der noch lebende Erlöste kappâtito »der die Zeit (Zeitlichkeit) überwunden hat«,1 kappamjaho »der die Zeit hinter sich gelassen hat« und sogar parlnibbuto »gänzlich erloschen« genannt (373 1101, 370).

90 Strenggenommen ist hier der Plural unzulässig, da der »gänzlich erloschene« d.h. gestorbene Arhat keine Individualität mehr hat, nicht mehr einer unten vielen, sondern über die Zahl erhaben ist (na upeti samkham, Sutta-Nipāta 1074, 209 749 etc.).

91 paccayā, wörtl. »durch Nachgehen«, vgl. Anm. 37. Man hüte sich, hier an ein Entstehen im Sinne einer Umwandelung zu denken, wie es z.B. in der angeblichen Vorlage des buddhistischen Paticca-samuppāda (s. nächste Anm.), dem Pratyayasarga der Sāmkhya-Philosophie, gelehrt wird. Die »Umwandelungstheorie« (parināma-vāda) steht im direktesten Widerspruch zur Lehre Buddhas vom Nicht-Selbst (Anm. 25), weil sie eine substantielle Urmaterie (pradhāna) voraussetzt, aus der sich alles entwickelt. Das paccayā unserer Formel bedeutet nichts weiter als die gesetzmässige Aufeinanderfolge,[145] also weder die kontinuierliche Entwickelung eines substantiellen Etwas noch, wie neuerdings behauptet wurde2, ein blosses Abhängigkeitsverhältnis ohne Rücksicht auf die Zeit. Die Verschiedenheit vom Sāmkhya, die ganz andere Art des Zusammenhanges der Glieder im Paticca-samuppāda, zeigt – um gleich aus dem Folgenden ein Beispiel zu nehmen – besonders deutlich das Verhältnis des vierten zum fünften Gliede: »Infolge von Name-und-Form entsteht der Sechssinnensitz«. »Name- und- Form« (nāma-rūpa, vgl. S. 45 fg. u.S. 50) ist das psychisch-physische, sinnenbegabte Individuum; das, mit Ausnahme des mano (Anm. 31) und seiner speziellen Objekte, dem Physischen (rūpa) angehörende »Reich der Sechs« (sal-āyatana) sind die sechs Sinne3 nebst allen möglichen ihnen entsprechenden Objekten, aber vor der Sinneswahrnehmung (diese tritt erst mit dem nächsten Gliede, der »Berührung«, ein), also als übersinnliche Bedingungen der letzteren. Von einem Hervorgehen aus dem Individuum kann hier folglich gar nicht die Rede sein. Der Satz besagt vielmehr ganz einfach, dass das geistig-leibliche Wesen, sobald es den Mutterleib verlässt, auch schon in einem zunächst untätigen Verhältnis zu den Dingen der Aussenwelt sich befindet, indem diese und die Sinne wie etwa zwei noch nicht handgemein gewordene Schlachtreihen einander gegenüberstehen.

[146] 92 Dies ist die vielumstrittene Kausalitätsformel, der Paticca-samuppāda (skt. Pratītya-samutpāda), d.h. »Folge-Erscheinen«, später die zwölf Nidānas (»Ursachen«) genannt, durch die Buddha den Kreislauf des Lebens (Geburt–Tod–Wiedergeburt) erklärt. Am Anfange einer jeden Handlung steht die »Berührung« eines Sinnes mit einem oder mehreren der ihm entsprechenden Objekte: des Gesichtes mit den Formen und Farben, des Gehörs mit den Tönen u.s.w.4 (Glied 6). Infolge der »Berührung« entsteht das »Gefühl« (Glied 7) und durch dieses, wofern es auf ein bleibendes Ich bezogen wird (also bei allen, die die Lehre vom Nicht-Ich nicht kennen), der »Durst« (Glied 8), d.h. das selbstische Verlangen, die Leidenschaft. Es folgt alsbald das »Ergreifen« des Begehrten (Glied 9), und hiermit setzt sofort das »Werden«, d.h. das Wachsen oder Entstehen eines Sammskāra, ein (Glied 10). Die weitere Folge ist dann unvermeidlich eine neue Geburt (Glied 11), die wiederum, wie alle früheren, das Elend der Welt uns erleben lässt (Glied 12), und so kommt es immer und immer wieder infolge unserer »Unwissenheit« (Glied 1) über die Beschaffenheit des Daseins (die drei Attribute, Anm. 69) und die Natur des Lebensprozesses (wie sie durch diese Formel erklärt wird) durch neue Samskāras (Glied 2), d.h. neues Karman (Anm. 84), zu neuem Leben: im Moment des Todes beginnt das »Erkennen« (Glied 3), d.h. der Keim der geistigen Skandhas5, in[147] einem neuen Mutterleibe6 mit neuer Materie zu einem neuen geistig-leiblichen Wesen (Glied 4) sich zu verbinden; es erfolgt die Geburt, und wiederum stehen Sinne und Objekte einander gegenüber (Glied 5), es kommt zu neuer »Berührung« (Glied 6), neuem Gefühl (Glied 7), neuem »Durst« (Glied 8) u s.w.

Die »Unwissenheit« ist also die Wurzel der Zeit, insofern sie die Wurzel des Werdens ist. Wir haben es hier mit der (noch nicht zum klaren Bewusstsein erhobenen) Erkenntnis zu tun, dass das Werden das objektiv Reale, die Zeit hingegen nur das Mass der Veränderung, nur ein Verhältnis der Dinge und ohne diese überhaupt nichts ist.

93 Vgl. Anm. 92 Ende. Eine Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Zeit ist dem alten Buddhismus fremd.

94 Vgl. die erste Anm. zu Anm. 91.

95 Gesicht, Gesichtsobjekt, Denkorgan. Vgl. S. 63 nebst Anm. Auf das »Sehbewusstsein« folgt die »Sehberührung« (Mahāvagga I, 21), d.h. auf das Erblicken folgt das Hinsehen, auf die unbewusste die bewusste Anwendung des betr. Organs.

96 Dies bezieht sich nicht allein auf die Wiedergeburt, sondern auch auf die fortwährende Erneuerung des Auges (durch den »Stoffwechsel«) während des einzelnen Lebens. Vgl. Anm 70.

97 Vgl. oben S. 52 fg. und Samyutta Nikāya vol. II, p. 179 fg.: »Die Wanderung der Wesen, ihr Jünger, hat ihren Beginn in der Ewigkeit. Kein Anfang lässt sich erkennen, von welchem an die Wesen, im Nichtwissen befangen, vom Durst nach Dasein gefesselt, umherirren und wandern« (Oldenberg, Buddha, p. 246). [Nâhosîti übersetzt R.D. mit »It is to us as if it were not«, was doch keinen rechten Sinn gibt und auch wegen des Tempus (Aorist) unstatthaft erscheint. Ahosi wird überall im M.P. nur mit Bezug auf den Eintritt eines Zustandes oder einer Handlung, oder auf ein einmaliges Ereignis gebraucht, z. B. ed. p. 5: rājā ahosi »wurde König«; tunhī ahosi »verstummte«; rañño etad ahosi »dem König kam der Gedanke«; [148] Tena kho pana samayena Sāgala-nagaram dvādasa vassāni suññam ahosi ... »Damals wurden es zwölf Jahre, dass die Stadt Sāgala (von Philosophen etc.) leer war,« wörtl.: »Damals wurde die Stadt S. eine seit zwölf Jahren leere.« Zur Bedeutung des Verbums vgl. auch noch ed. p. 52: Atthi keci sankhāra ye abhavantā (»ohne zu werden«) jāyantîti?]

98 Jedes einzelne Leben ist verursacht durch Mangel an Wissen (avidyā, Glied 1 des Kausalnexus: Anm. 92) im vorhergehenden Leben. Es ist also unmöglich, einen ersten Anfang der ganzen Kette von Daseinsläufen zu finden. Hingegen bei den Gliedern der Kette, den Einzelleben, sind Anfang und Ende genau zu bestimmen.

99 Die Skandhas (S. 13, Anm. 27–31) des nächsten Lebens werden in diesem Leben durch das Karman (Anm. 84) schon präformiert.

100 D.h.: »gibt es Neigungen u.s.w. (Samskāras), die nicht angeboren sind, sondern erst während des Lebens entstehen?« Der Weise antwortet mit dem Paticca-samuppāda (Anm. 92), der ja eben zeigen soll, wie die Dispositionen entstehen und dass, da keines der Nidānas ohne das vorhergehende zustande kommt, nur ein einziges derselben vollkommen ausgerottet zu werden braucht, um den ganzes Prozess zum Stillstand zu bringen. Das unmittelbar auszurottende Nidāna aber ist natürlich nicht der Sechssinnensitz, mit dem hier Nāgasena den Paticca-samuppāda beginnt, sondern der »Durst« und das »Ergreifen«, mit deren Vernichtung, da die Nidānas sich im Kreise bewegen (S. 52, 53, 54), dem Entstehen eines neuen Sechssinnensitzes vorgebeugt ist.

101 In den buddhistischen Texten werden die Frauen stets vor den Männern genannt (R.D.).

102 Die Übersetzung der Pāli-Ausdrücke kann hier nur vermutungsweise gegeben werden.

103 vedagū.

104 rūpa = aüssere Erscheinung, Gestalt, Farbe.

105 Von R.D. missverstanden. Es soll hier nicht noch einmal gesagt werden, was schon im vorigen Absatz auseinandergesetzt war: dass jeder Sinn seine spezifischen Wahrnehmungen und keine anderen hat, vielmehr etwas neues: dass nämlich[149] auch die Bedingungen der Sinnestätigkeit keineswegs für alle Sinne die gleichen sind. »Infolge der Helle des Tages« (mahantena ākāsena) wird ausdrücklich wiederholt, was R.D. offenbar übersehen hat.

106 phasso, vedanā, saññā, cetanā, ekaggatā, jīvitindriyam, manasikāro.

107 cakkhu-viññāna.

108 mano-viññāna, vgl. Anm. 31. Auf die Tätigkeit des betr. Sinnes folgt die des Denkorgans.

109 phasso, vedanā saññā, cetanā, vitakko, vicaro.

110 dhammā, Vgl. Anm. 30.

111 Gutes Karman (kusalam kammam), vgl. Anm. 84, hat den doppelten Erfolg, dass derjenige, der es erworben hat, zunächst in einer Himmelswelt und darauf unter günstigen Bedingungen auf Erden wiedergeboren wird.

112 Nach der Zahl der fünf Sinne. Vom sechsten Sinn (manas) wird hier, wie auch sonst bisweilen, abgesehen.

113 saññā, vgl. Anm. 29.

114 sañjānana, vgl. Anm. 29.

115 cetanā.

116 akusalam kammam cetanāya cetayitvā.

117 d.h. er wird in einem der vier unheilvollen Zustände (apāya): als Höllenbewohner, Tier, Gespenst oder böser Geist wiedergeboren.7

118 Zu »Himmelswelt« (sagga-loka) vgl. Anm. 143, ferner S 100 u.a.

119 viññāna, s. Anm. 31.

120 vijānana, wörtlich »Auseinanderkennen«, während sañjānana (Anm. 114) wörtlich »Zusammenkennen« hiesse, was jedoch für die Übersetzung nicht in Betracht kommt, weil Synthese und Unterscheidung ausser in der Theorie nicht von einander zu trennen sind und überdies viññāna alle beide und ausserdem noch den Begriff des Bewertens umschliesst. Vgl. Anm. 158.

121 yañ ca manasā dammam vijānāti, tam viññānena vijānāti. Es handelt sich um das Erkennen der Vorstellungen als solcher.

[150] 122 vitakka.

123 appanā.

124 vicāra.

125 anumajjana.

126 Hier beginnt ein Nachtrag.

127 Salz und Zucker im pulvrisierten Zustande können das gleiche Aussehen und das gleiche Gewicht zu haben scheinen: die direkte (nicht durch Schlüsse vermittelte) Entscheidung liefert dann allein der Geschmackssinn.

128 Z.B. die weisse Farbe Objekt des Gesichtssinnes. – Eine ganz andere, schwerlich richtige Übersetzung gibt R.D.: »It is impossible to bring salt by itself. But all these conditions have run together into one, and produced the distinctive thing called salt. (For instance): salt is heavy too.« Der Text lautet: »Na sakkā, mahārāja, lonam-eva āharitum; ekato bhāvam gatā ete dhammā gocara-nānattam gatā, lonam garubhāvo vā ti.«

129 Das Manas oder Denkorgan wird bisweilen nicht zu den Sinnen gerechnet, weil es nicht, wie diese, der »Körperlichkeit« angehört.

130 Es handelt sich um die allgemeinindische Anschauung, dass die Entstehung und Beschaffenheit jedes einzelnen Sinnes sich nach dem vorwiegend guten oder schlechten Gebrauch richtet, den der Betreffende in dem bw. den früheren Leben von ebendemselben Organ gemacht hat. So wird z.B. angeborene (oder durch Krankheit sich einstellende) Blindheit als die Folge einer im vorigen Leben begangenen Augensünde erklärt,8 Taubheit oder Schwerhörigkeit auf das Nichtbeachten wohlgemeinter Ratschläge zurückgeführt, u.s.w.; vgl. S. 54. Eine freilich[151] nicht von buddhistischer Hand stammende lange Liste der angeborenen Fehler nebst ihren Ursachen gibt der Çabdakalpa-druma in dem Abschnitt »Tatenreife« (karma-vipāka). – R.D. ist im Zweifel, welche der beiden Bedeutungen von āyatana in unserer Stelle vorliegt. Es können aber doch hier nur die Sinne und nicht zugleich auch ihre Objekte gemeint sein, da sogar noch im späteren Milinda-Panha (IX, 7, 18) die Aussenwelt nicht als »karma-geboren«, sondern als das Resultat mechanischer Ursachen oder der Jahreszeiten aufgefasst wird. Überdies behauptet ja auch der Paticca-samuppāda durchaus nicht, dass aus dem nāma-rūpa die Sinne nebst ihren Objekten hervorgehen, sondern lediglich, dass durch das nāmarūpa die Möglichkeit der, erst in der »Berührung« (Glied 6) zur Wirklichkeit werdenden Sinneswahrnehmung gegeben ist; vgl. Anm. 92 u. 91.

131 Karman, s. Anm. 84. Der folgende Ausspruch Buddhas stammt aus III, 4, 5 des Majjhima-Nikāya und wird oft zitiert.

132 nirodha, auch »Hemmung«, »Unterdrückung«, »Zerstörung.«

133 Wörtlich: »Wandert (man) nicht weiter, sondern knüpft (man) wieder an?« (Na ca sankamati patisandahati ca?) Vgl. Anm. 71. Unsere subjektivische Ausdrucksweise passt hier gar nicht, weil ja gerade bestritten wird, dass ein bleibendes Ich aus diesem Dasein in das nächste sich hinüberrette. Das Sterben und das ihm unmittelbar folgende Geborenwerden bedeuten nach buddhistischer Auffassung nicht mehr und nicht weniger als dass ein seit undenklicher Zeit von statten gehender Prozess in eine neue Phase tritt (vgl. Anm. 70). Eine Unsterblichkeit der Seele kann der Buddhismus erstens deshalb nicht lehren, weil er die Existenz einer substantiellen (Individual-) Seele überhaupt nicht zugibt, zweitens weil er sonst die Möglichkeit der Erlösung bestritte, die ja eben in dem Aufhören alles »Ich und Mein« besteht.

134 abbocchinnāya santatiyā »bei ununterbrochener Fortdauer«. Das gegenwärtige Leben ist ein Baum, die besondere Art der Wiederverkörperung seine Frucht, aus der wieder ein Baum sich entwickelt u.s.w., d.h. das Karman als Same (Anm. 84)[152] ist eine Kraft, die in diesem Leben latent bleibt und erst im nächsten Leben an ihren Wirkungen zu erkennen ist.

135 parinibbuto, vgl. Anm. 46.

136 anupādisesāya nibbāna dhātuyā »in dem Nirvāna-Element ohne einen Upādi-Rest«. Upādi ist ein Name für die fünf Skandhas, das Nirvāna mit einem Upādi-Rest (savupādisesa) folglich das vom Arhat schon auf Erden genossene Nirvāna.

1379 Wie, nach indischer (schon vedischer) Anschauung, das Feuer nicht eigentlich entsteht, sondern nur erscheint oder sichtbar wird, aus seinem Versteck hervorkommt, so wird auch sein Ausgehen als ein blosses Unsichtbarwerden, als ein »Heimgehen« aufgefasst und, neben nirvāna »Verwehen«, durch dasselbe Wort ausgedrückt wie das »Untergehen« der Gestirne10, nämlich atta(n)-gama »Nach-Hause-Gehen«. Aggi attham paleti (gacchati) bedeutet also ursprünglich: »Das Feuer geht nach Haus«, d.h. dahin, woher es gekommen ist; es gewinnt aus dem vorübergehenden wieder den ursprünglichen, reinen Zustand zurück, in dem es der sinnnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich ist.

Allein auf diese Weise lässt sich verstehen, dass Ātman-Brahman-Purusha (das Absolute, Gott, die Seele) in mehreren Upanishaden ein Feuer genannt wird, dessen Brennholz verbrannt ist, so in der Çvetāçvatara-Up. (VI, 18, 19): » ... zu jenem Gott (deva) nehme ich, Erlösung suchend, meine Zuflucht, der nur durch des eigenen Geistes Helle erglänzt, der ohne Teile und werklos ist, in seliger Ruhe (çānta, wörtl. ›erloschen‹) tadellos, ungeschminkt, die höchste Brücke der Unsterblichkeit, dem Feuer gleich, dessen Brennholz verzehrt ist. (dagdhêndhanam ivânalam)« und Nrsimhôttaratāpinī-Up. (2 Mitte) ayam ātma cid-rūpa eva yathā dahyam dagdhvā gnir »jener Ātman ist reiner Geist, dem Feuer vergleichbar, nachdem[153] es das Brennbare verbrannt hat,« ferner Maitreyi-Up. (1, 3)11: Yathā nirindhano vahnih sva-yonāv upaçāmyati, tathā vrttikshayāc cittam sva-yonāv upaçāmyati »Gleichwie das brennholzlose Feuer (das Feuer, dem das Brennholz ausgeht) in seiner Wiege zur Ruhe kommt, so kommt durch das Aufhören seiner Bewegungen das Denkorgan (citta) in seiner Wiege zur Ruhe«. Dass in dem letzten Vers unter der »Wiege« (yoni = »Schoss, Mutterleib, Heimat, Ursprung«) das Absolute zu verstehen ist, lassen die vorhergenannten Verse vermuten, ergibt sich überdies aus dem Zusammenhang und wird ausserdem durch die Maitrāyana-Upanishad bestätigt, die in ebendiesem Sinne in VI, 31 unseren Vers zitiert. Das »Aufhören der Bewegungen« (vrtti-kshaya) aber ist so zu verstehen, dass alle Einflüsse der Aussenwelt allmählich gebannt werden sollen, ein Vorgang, der in dem Zur-Ruhe-Kommen des sturmbewegten Meeres sehr schön versinnbildlicht wird, vielleicht aber noch besser, wenigstens soweit es sich um den sterbenden Erlösten handelt, durch das Bild des Diamanten, der von der ihn bedeckenden Staubschicht gereinigt wird – wo dann der Staub alles das bedeutet, was wir uns als unsere geistig-leibliche Persönlichkeit vorstellen, der Diamant dagegen unser gänzlich unvorstellbares wahres Ich. Denn das Ziel dieser Philosophie ist eben, durch »Unterdrückung der Bewegungen des Denkorgans« das »Alleinsein« der Seele (purusha), d.h. ihre Loslösung von der ganzen psychisch-physischen Welt (prakrti) herbeizuführen.

Dieses letzte der obigen Zitate ist nun deshalb besonders beachtenswert, weil es uns das Bild des erloschenen Feuers im Zusammenhange mit dem Grundgedanken der Yoga-Philosophie übermittelt, durch deren Schule Buddha gegangen[154] ist12 und von der er mancherlei, u.a. fast die ganze Praxis der Jhānas (Dhyānas) oder ekstatischen Zustände, in seine Lehre übernommen hat.13 So ist denn wie des Yoga so auch Buddhas beständige Predigt, das Denken (citta, ceto) von den Einflüssen (āsava) der Aussenwelt zu reinigen, so ist auch bei ihm die schon auf Erden zu erreichende Erlösung eine »Erlösung vom Denken« (bezw. des Denkens, ceto-vimutti) – entsprechend der citta-vimukti des Yoga, und als die in der Ekstase und beim Eingehen in das Parinirvāna zu erreichende unmittelbare Vorstufe der Erlösung gilt ihm das »Aufhören der Vorstellungen und Gefühle« (saññā-vedayita-nirodha) – genau wie dem Yogin der asamprajñāta-samādhi, die »Versenkung ohne Bewusstsein«. Es ist unter solchen Umständen wahrscheinlich, dass Buddha das Bild der erloschenen Flamme dem Yoga abgeborgt hat. Entlehnt hat er es auf jeden Fall, wie ja auch alle anderen auf das Nirvāna angewandten Bezeichnungen14. Ist es aber wohl im geringsten wahrscheinlich, das er dieses Bild sich angeeignet habe, um dadurch einem metaphysischen Nihilismus das Wort zu reden, um zu zeigen, dass er an ein absolutes Ich (besser Wesen) nicht glaube?? Wenn nicht, so hat die Mehrzahl unserer moderner Forscher vom Nirvāna eine falsche Auffassung. Denn der Gebrauch des Bildes geht sicher auf Buddha selbst zurück, da er sich ausser im Milinda-Panha auch im ältesten der uns erhaltenen Texte, dem Sutta-Nipāta (V, 7), ferner im Majjhima-Nikāya (II, 3, 2) und im Udāna (VIII, 10), vermutlich auch noch in anderen Teilen des Kanons, findet. Ich will, um jedem ein eigenes Urteil zu ermöglichen, das Wesentliche dieser Stellen übersetzen, zuvor aber noch ein paar hiermit zu vergleichende bzw. das Verhältnis von citta-buddhi-manas und ātman-brahman-purusha-icvara erläuternde Upanishad-Zitate geben.[155]

Die oben zitierte Maitreyi-Upanishad fährt in V. 6 fort: »Durch das Ruhigsein des Denkens (cittasya prasādena) wehrt man das Karman ab, das gute wie das böse; das beruhigte Selbst (prasann' ātma) geniesst, im Selbste fussend, unvergängliches Glück«, und in den folgenden Versen wird der »höchste Herr« (param'eçvara) u.a. wie folgt charakterisiert: »Zeuge des Tanzes der Buddhi (= Citta, Manas),« »ausserhalb des Bereiches von Verstand und Sprache,« »jenseits der Grenze des Vorstellens«, der »Tiefe« (gambhīra), »den man den Nirvānaartigen15 nennt« (nirvānamaya-samvidam).

Maitrāyana-Up. VI, 2016: »Wer so durch sein Selbst das Selbst, feiner als das Feine erglänzend, unter Schwinden des Manas, sieht, der, indem er durch sein Selbst das Selbst gesehen, wird selbstlos (mirātman), und vermöge der Selbstlosigkeit ist er als unzählbar (asankhya) und grundlos (ayoni) zu denken.«

Brahmabindu-Up. 1. fg.17: »Denn das Manas wird erklärt als von zweierlei Art: rein und unrein. Unrein ist das lustbegehrende, rein das lustentfremdete. Das Manas ist den Menschen die Ursache der Bindung wie der Lösung: der Bindung, wenn es an den Sinnendingen haftet, der Erlösung, wenn es von Ihnen frei ist .... ...... Wenn man das Manas im Herzen niedergezwungen hat und (auf diese Weise) in den manaslosen Zustand18 gelangt, der da frei ist vom Haften an den Dingen, so ist das seine (des Manas) höchste Stätte. Solange muss man es hemmen, bis es im Herzen zunichte geworden ist .... ...... Alsdann erlangt man das weder zu denkende noch nicht zu denkende, das nicht zu[156] denkende und zu denkende Brahman .... .... ..... das unterscheidungslose, unendliche, grund- und beispiellose, unmessbare (aprameyam), anfanglose.«

Ohne weiteres dürfen diese Stellen allerdings nicht mit den uns interessierenden des buddhistischen Kanons in Parallele gestellt werden. Man muss sich zuvor klar machen und im Auge behalten: 1) dass Buddha aus praktischen Gründen (und vermutlich auch aus theoretischen: als das schlechthin Unsagbare) das Absolute, das raum- und zeitlose Brahman, überhaupt nicht nennt; 2) dass für ihn die Erlösung eine Erlösung vom Werden und damit von der Zeit in einem so strengen Sinne ist, dass er dem Erlösten jede Art von Fortdauer, auch die ewige abspricht;19 3) dass die von ihm gelehrte Erlösung eine Erlösung von der Individualität und also nicht identisch mit der des Purusha im Sāmkhya-Yoga ist; 4) dass er zwar den Theismus und das pantheistisch missverstandene Tattvamasi (so loko so attā »Welt und Seele sind eins«)20, niemals aber den echten Vedānta (eines Yājñavalkya u.a.) bekämpft.

Dann aber ist, wie mir scheint, die Folgerung unabweislich, dass in den genannten Stellen des Sutta-Pitaka, zu denen wir uns nunmehr endlich wenden, das völlige Aufhören der Individualität des Erlösten nicht nur als ein solches gedacht ist.

Majjh. Nik. I, 1, J. erklärt, wie man die ceto-vimut ti die Befreiung von weltlicher Gesinnung, und damit Nirvāna erreichen könne: » ...... Nach allen Richtungen hin durchstrahlt er (der Mönch), alles umfassend, die ganze Welt mit seinem ruhevollen21 Gemüte, dem weiten, grossen, schrankenlosen,[157] hasslosen, tückelosen. Er erkennt: ›Es gibt Gemeines und es gibt Edles [in der Welt], und es gibt jenseits dieser Sinnenwelt eine Zuflucht.‹22 Und indem er dieses erkennt, dieses einsieht, wird sein Denken befreit von den Einflüssen der Sinnlichkeit, wird sein Denken befreit von den Einflüssen des Werdens, wird sein Denken befreit von den Einflüssen der Unwissenheit. ›Im Erlösten (ist) (ein) Erlöstes‹23: diese Erkenntnis geht ihm auf. ›Versiegt ist die Geburt, ausgelebt das heilige Leben, getan was zu tun war, nichts bindet hinfort an diese Welt‹: so erkennt er.«

Majjh. Nik. II, 3, 2 (Aggi-Vacchagotta-Sutta):

»Ein Mönch, Freund Gotama, der nun auf solche Weise sein Denken befreit hat (vimutta-citto), wo ersteht der (uppajjati)24 [nach dem Tode]?«

»Dass er ersteht, Vaccha, kann man nicht sagen.«

»Also, Freund Gotama, ersteht er nicht?«

»Dass er nicht erstehe, Vaccha, kann man nicht sagen«.

»Also, Freund Gotama, ersteht er sowohl wie auch ersteht er nicht?«

»Dass er sowohl erstehe wie auch nicht erstehe, Vaccha, kann man nicht sagen.«

»Also, Freund Gotama, ersteht er weder noch ersteht er nicht?«

»Dass er weder erstehe noch nicht erstehe, Vaccha, kann man nicht sagen.«25[158]

»Jetzt bin ich, Freund Gotama, unwissend geworden, jetzt bin ich verwirrt geworden, und alle Befriedigung, die ich durch das frühere Gespräch mit dem Herrn Gotama gewonnen hatte, die ist mir jetzt verloren gegangen.«

»Nicht länger, Vaccha, sollst du unwissend, nicht länger verwirrt sein. Tief, Vaccha, ist dieses Ding, schwer zu schauen, schwer zu verstehen, ruhig, edel, jenseits des Vernunftbereiches, subtil, (nur) von Weisen zu finden. Schwer wirst du es erkennen, der du nicht die gleiche Anschauung, Ausdauer, Neigung, Zügelung und Lebensweise hast (wie ich). Deshalb, Vaccha, will ich dir einstweilen eine Gegenfrage stellen; wie es dir gefällt, magst du sie beantworten. Was meinst du wohl, Vaccha: wenn da vor dir ein Feuer brennte, wüsstest du dann: ›Vor mir brennt dieses Feuer‹?«

»Wenn, Freund Gotama, vor mir ein Feuer brennte, so wüsste ich: ›Vor mir brennt dieses Feuer‹.«

»Wenn nun, Vaccha, jemand dich fragte: ›Jenes Feuer, das da vor dir brennt, wodurch (kim paticca) brennt es?‹ So gefragt, Vaccha, was würdest du antworten?«

»Wenn mich, Freund Gotama, jemand fragte: ›Jenes Feuer, das da vor dir brennt, wodurch brennt es?‹ so würde ich, also gefragt, Freund Gotama, dieses antworten: ›Das Feuer, das da vor mir brennt, brennt dadurch, das es Heu und Holz ergreift (tina-katth' upādānam paticca jalatîti).‹«

»Wenn nun, Vaccha, das Feuer vor dir erlösche (nibbāyeyya), wüsstest du dann: ›Jenes Feuer vor mir ist erloschen (nibbuto)‹?«

»Wenn, Freund Gotama, das Feuer vor mir erlösche, so wüsste ich: ›Jenes Feuer vor mir ist erloschen‹.«

»Wenn aber, Vaccha, jemand dich fragte: ›Jenes vor dir erloschene Feuer, nach welcher Richtung ist es von hier gegangen: nach Osten, Westen, Norden oder Süden?‹ So gefragt, Vaccha, was würdest du antworten?«

»Das kann man nicht sagen, Freund Gotama, weil ja, Freund Gotama, das Feuer dadurch brennt, dass es Heu und Holz ergreift, und, nachdem es sich desselben bemächtigt hat und anderes nicht mehr erreichen kann, ohne Nahrung ausgegangen genannt wird.«

»Genau so, Vaccha, verhält es sich mit der Körperlichkeit, die man dem Erhabenen etwa zuschreiben wollte. Denn jene[159] Körperlichkeit hat ja der Erhabene [durch sein Eingehen in Parinirvāna] abgeworfen, mit der Wurzel ausgerissen, einem Palmstumpf gleichgemacht, zum Aufhören gebracht, so dass sie künftig nicht mehr erstehen kann; und der von der Kategorie der Körperlichkeit befreite Erhabene, Vaccha, ist tief, unmessbar, schwer zu ergründen (gambhīro, appameyyo, duppariyôgālho) gleichwie der grosse Ozean. Dass er erstehe, kann man nicht sagen; dass er nicht erstehe, kann man nicht sagen; dass er sowohl erstehe wie auch nicht erstehe, kann man nicht sagen; dass er weder erstehe noch nicht erstehe, kann man nicht sagen.

Und ebenso, Vaccha, verhält es sich mit dem Gefühl, dem Vorstellen, den Dispositionen, dem Erkennen26, das (die) man dem Erhabenen etwa zuschreiben wollte. Denn .... .... [wie oben] .... .... ... kann man nicht sagen.«

Hierauf preist Vaccha die Klarheit von Buddhas Rede und bittet um Aufnahme in den Orden.

Diese Rede Buddhas an Vaccha ist in der Tat unzweideutig. Wie die Flamme aufhört, wenn sie keinen Brennstoff mehr ergreift, so hört die Persönlichkeit auf, wenn ihr Durst (tanhā), ihr Greifen (upādāna), nach Dasein (bhava) aufhört. Und wie die Flamme, indem sie erlischt, nur als solche, als Feuer, nicht aber überhaupt, zu existieren aufhört, so hört auch der von den Skandhas befreite Tathāgata nur als solcher, als Persönlichkeit, nicht aber überhaupt, zu existieren auf. Das Erlöschen der Flamme wie das Sterben des Tathāgata ist ein Transcendentwerden, ein Verschwinden aus der Sphäre des sinnlich Wahrnehmbaren. Das Sterben des Tathāgata aber ist insofern noch mehr, als es nicht allein ein Übersinnlichwerden, sondern zugleich eine Überwindung des Werdens, ein Heraustreten aus Raum, Zeit und Kausalität, ein Übernatürlichwerden bedeutet.

Udāna VIII, 9–10 wird berichtet, wie der Jünger Dabba, nachdem er dem Buddha gemeldet, dass seine Zeit gekommen sei, und sich von ihm verabschiedet hatte, in das Parinirvāna einging und so restlos verschwand, dass bei der Verbrennung seines Leibes nicht einmal Asche oder Russ übrig blieb. »Gleichwie,[160] wenn Fett oder Öl von der Flamme verzehrt wird, keine Asche wahrgenommen wird und kein Russ: ebenso wurde, als der ehrwürdige Dabba .... gänzlich erloschen war (parinibbutassa), bei der Verbrennung seines Leibes keine Asche wahrgenommen und kein Russ.« Buddha habe hierauf, als er dieses erfuhr, den Vers ausgesprochen: »Zerbrochen ist der Körper, aufgehört hat das Vorstellen, alle Gefühle sind vergangen, zum Stillstand gekommen sind die Samskāras, das Erkennen ist ausgegangen (atham agamā).«27 Er habe dann später auch in Sāvatthi den Mönchen das Ereignis erzählt und durch den Spruch erläutert: »Gleichwie vom Feuer, das unter den Schlägen des Schmiedehammers aufflammt, nicht gesagt werden kann, wohin es gegangen, nachdem es naturgemäss erloschen ist: ebensowenig ist zu erkunden der Verbleib der wahrhaft Erlösten, die hindurchgekommen sind durch den Strom der Sinnesbanden, die das unerschütterliche Heil (acalam sukkam) errungen haben.«

Sutta-Nipāta 1074–1076 (Upasīva-mānava-pucchā). Buddha: »Gleichwie die Flamme, von der Gewalt des Windes umgeworfen, ausgeht (attham paleti) und nicht mehr zählt: (na upeti samkham)28, ebenso geht der Weise, von Geist und Körper (nāma-kāya) erlöst, aus und zählt nicht mehr.«

Upasīva: »Ist er (nur) ausgegangen (= entschwunden)29 oder existiert er nicht mehr oder ist er ewig glückselig?30 Dies, Weiser, erkläre mir wohl. Denn genugsam verstehst du diese Frage.«

Buddha: »Für den Ausgegangenen (Entschwundenen, Erloschenen: atthan gatassa) gibt es kein Mass. Was man ihm zuschreibt,31 das gibt es für ihn nicht (mehr.) Wo alle Dinge[161] aufgehoben sind, da sind auch alle Redemöglichkeiten aufgehoben.«32

Endlich sei noch auf eine spätere Stelle unseres Textes wenigstens hingewiesen. Milind. IV, 8, 88 wird erklärt, dass das Nirvāna- ebenso wie ein Feuer, das man entzünde, nur offenbar gemacht, nicht erzeugt werde (Nirvāna ist nach IV, 8, 76 »unerzeugt« sowohl wie »unerzeugbar«).

138 Ohren, Augen, Nasenlöcher, Mund, After, Zeugungsorgan.

139 ajjhosito zu sā, si »binden«.

140 atthiko.

141 Diese Lehre ist von der entsprechenden christlichen insofern doch sehr verschieden, als sie dem reuigen Sünder keineswegs die ewige Seligkeit verheisst, sondern nur eine sehr lange Zeit ruhigen Geniessens, auf die, falls das alsdann wieder in Kraft tretende böse Karman es verlangt, die Wiedergeburt des Betreffenden in einer Höllenwelt, dem Dämonen-, Gespenster- oder Tierreich erfolgen kann.

142 Das Gebot, »Du sollst nicht töten« hat im Buddhismus eine umfassendere Bedeutung als im Christentum, indem es auch die Tötung von Tieren verbietet. Hieraus sollte eigentlich folgen und ist auch von vielen gefolgert worden, dass Buddha und seine Jünger vegetarisch lebten. Diese Annahme ist jedoch irrig. Niemals hat Buddha den Fleischgenuss verboten; nur rohes Fleisch oder rohes Getreide anzunehmen verbietet er seinen Mönchen,33 (z.B. Majjh. Nik. 38 gegen Ende), ferner das Fleisch von eigens zu ihrer Bewirtung geschlachteten Tieren.34[162]

Im übrigen solle »ohne hinzusehen, ohne hinzuhören (woher sie stammt u.s.w.), ohne Argwohn« die Speise empfangen werden. Ein direkter Beweis dafür, dass Buddha und seine Jünger auch Fleisch assen, ist u.a. Majjh. Nik. 55 (Jīvakasutta), wo es heisst, dass, wer, um den Buddha oder einen seiner Jünger damit zu bewirten, einem Wesen das Leben raube, in fünffache schwere Schuld falle, nämlich 1) wegen der Mordabsicht, 2) wegen der Todesangst des Opfers, 3) wegen des Totschlages, 4) wegen der Todesqualen des Opfers, 5) weil er den Buddha u.s.w. zu einem ungebührenden Mahl veranlasse (tathāgatam ..... akappiyena assādeti). Also: es ist verboten, zu schlachten, und ganz besonders sträflich, für den Buddha u.s.w. zu schlachten oder schlachten zu lassen, dagegen erlaubt, wenigstens dem, der zu dem betreffenden »Morde« in keinerlei ursächlichem Verhältnis steht, das Fleisch des geschlachteten Tieres (ausser in rohem Zustande) zu essen. Dass im ältesten Buddhismus wirklich diese Auffassung herrschte, dafür haben wir auch einige aus gegnerischem Munde, nämlich aus dem Kanon des Buddha feindlich gesinnten Jaina-Ordens,35 stammenden und daher um so interessanteren Bestätigungen. Im Sutrakrtânga z.B. (I, 2, 28) wird als tadelnswerte Lehre (Buddhas)36 angegeben: »Ein Vater der die Selbstzucht nicht kennt,37 kann seinen Sohn erschlagen und verzehren (während einer Hungersnot); ein Weiser (Mönch), der am Mahle teilnimmt, wird durch die Tat nicht befleckt«, und in einem späteren Kapitel (II, 6, 28) derselben Schrift erklärt ein Buddhist einem Jaina: wenn jemand versehentlich einen Menschen tötet und dessen Fleisch brät, »so ist das ein Mahl, das Buddhas zur Mittagsspeise dienen kann«,38[163]

Zweifellos hätte Buddha dem Gebot des Nichttötens grösseren Nachdruck verliehen, wenn er den Fleischgenuss überhaupt verboten hätte. So weit aber wollte er offenbar, und zwar wohl hauptsächlich wegen der zahlreichen Hungersnöte, nicht gehen. Denn, seit er die Vergeblichkeit der Askese erkannt hatte, war für ihn ausgemachte Sache, dass man, um ein religiöses Leben mit Erfolg führen zu können, der regelmässigen Mahlzeiten nicht entraten kann, und überdies war ihm nicht verborgen geblieben, dass zwischen der Zerstörung von animalischem und der von vegetabilischem Leben ein wesentlicher Unterschied nicht besteht,39 vielmehr schrieb er sogar auch Gefühl und Bewusstsein den Pflanzen zu.40

143 Nach buddhistischer Anschauung besteht jedes der unzähligen Weltsysteme oder Cakravālas, die das Universum bilden, aus drei grossen Sphären, Avacaras, Lokas oder Dhātus genannt, die sich übereinander erheben und ihrerseits wieder aus verschiedenen Stockwerken bestehen, nämlich 1) Kāmaloka oder »Sinnenwelt«, die Höllenbewohner, Tiere, Gespenster, Dämonen, Menschen und endlich sechs Arten von Göttern (unter ihnen als zweitniedrigste Klasse die dreiunddreissig vedischen Gottheiten) umfassend; 2) Rūpa-brahma-loka »Körper-Brahman-Welt« mit sechzehn Arten von Göttern, die von Sinnlichkeit frei, aber noch körperhaft sind (unter ihnen als dritte Klasse von unten die Mahābrahmans); 3) Arūpa-brahma-loka »Nichtkörper-Brahman-Welt« mit vier Arten[164] körperloser Götter. In unserem Texte steht Brahma-loka = »Oberwelt« oder »Himmelswelt« wohl einfach als Gegensatz zu Kāma-loka, also für die beiden höchsten Sphären zusammen, während die Entfernung (48000 Yojanas) als von dem Beginn der Brahman-Welt, d.h. vom entferntesten Stockwerk des Rñpa-brahma-loka, aus gemessen zu betrachten sein dürfte. Übrigens ist, wie die Unterabteilungen des Kāma-loka zeigen, in diesem System die Idee des räumlichen Übereinander wohl kaum die ursprüngliche, vielmehr die des moralischen Übereinander.

144 kūtāgāram., vgl. S. 32.

145 1 yojana = 7 engl. Meilen, R.D.

146 ceto-vasi-ppatto, R.D.: »who has ... the mastery over his mind«. Das Kompositum ist wohl nur eine Erklärung des vorhergehenden iddhimā: für einen Mönch, der iddhi hat, ist der Körper kein Hindernis mehr: er kann mit ihm durch die Erde und durch die Luft gehen, ihn nach Belieben dematerialisieren und rematerialisieren u.s.w.

147 Alasanda. »Man könnte an die Stadt Alexandria zwischen Indus und Akesines denken; denn auf die Ecke zwischen den beiden Strömen könnte nach indischem Sprachgebrauch die Bezeichnung Insel angewendet worden sein; aber die Entfernungsangabe (200 Meilen von Sāgala) passt keinesfalls zu dieser Auffassung. Deshalb möchte ich das Alasanda des Königs Menander im Indusdelta suchen und daran erinnern, dass Nearch den Hafen, der der nördlichsten Mündung des Indus nahe liegt, den ›Hafen Alexander's‹ genannt hat, und dass ausserdem die Stadt Alexandria ad Oritas nicht weit davon entfernt war. An dem ›Hafen Alexander's‹ liegt heute die blühende Handelsstadt Karâtschi, und sollte nicht etwa in dem Namen Karâtschi der Name von Menander's Geburtsort Kalasi stecken?« (Garbe, loc. cit. p. 267).

148 samādhiyati, zu samādhi. vgl. S. 31 fg.

149 samāhito.

150 Schon vor Buddha war man in Indien dazu gelangt, nach der Analogie des animalischen und des vegetabilischen Lebens (Ausatmen – Einatmen, Wachen – Schlafen, Sommer – Winter, Geburt – Tod) auch den Weltkörpern und -systemen[165] ein periodisches Entstehen und Vergehen zuzuschreiben.41 In Anknüpfung an diese althergebrachte Ansicht, die im Brahmanismus als die Lehre von den Tagen und Nächten Brahmans erscheint, lehrt der Buddhismus, dass jedes Cakravāla (Anm. 143) nacheinander immer wieder die folgenden Stadien durchmachen müsse: 1) das Stadium der allmählichen Auflösung (samvatta »Zusammenziehung«), 2) das Stadium des fortbestehenden Chaos (samvatta-tthāyī), 3) das Stadium der allmählichen Neubildung (vivatta »Entfaltung«), 4) das Stadium des fortbestehenden Lebens (vivatta-tthāyī), und nennt den ungeheuren Zeitabschnitt, der zwischen dem Beginn des ersten und dem Ende des letzten dieser vier Stadien liegt, einen Mahākalpa (»grossen Kalpa«) oder einfach Kalpa (Kappa). Zahlenangaben über die Länge des Mahākalpa fehlen in der älteren Literatur. Eine spätere (chinesische) Quelle gibt 1344 Millionen Jahre an,42 während für einen brahmanischen Mahākalpa sogar 311040000000000 Jahre sich ergeben (nach purānischer Theorie). Wie solche Rechnungen zustandekommen zeigt u.a. Appendix I meiner Schrift »Über den Stand der indischen Philosophie zur Zeit Mahāvīras und Buddhas« (Strassburg 1902). Übrigens hat hierbei später auch die Astronomie eine Rolle gespielt.

151 Vergebung der Sünden gibt es nicht im Buddhismus. Jedes lasterhafte Leben zieht unweigerlich seine Bestrafung in einem der vier Apāyas (Anm. 117) nach sich. Hat aber der Sünder auch Gutes getan, das eine besondere Belohnung erheischt, so wird ihm dieselbe vor der Bestrafung, also gleich nach dem Tode, in einer Himmelswelt zuteil. Vgl. Anm. 141,[166] erner Anguttara-Nikāya III, 114 (ed. I, p. 267 8): »Die Lebensdauer der Götter, ihr Mönche, die in der Sphäre der Raumunendlichkeit43 weilen, ist zwanzigtausend Kalpas. Ein gewöhnlicher Mensch nun, nachdem er dort solange gelebt, nachdem er das ganze Lebensmass dieser Götter erschöpft hat, mag in eine Hölle gelangen oder in tierischen Mutterleib oder in das Gespensterreich. Des Erhabenen Jünger aber, nachdem er so lange dort gelebt, nachdem er das ganze Lebensmass dieser Götter erschöpft hat, erlischt gänzlich (parinibbāyati) in eben jenem Bereich.« Dasselbe wird darauf mit Bezug auf die »Sphäre der Bewusstseinsunendlichkeit« und die »Sphäre der Nichtsheit« gesagt mit dem einzigen Unterschied, dass Buddha die Lebensdauer der in diesen beiden Sphären wohnenden Götter auf vierzig- bzw. sechzigtausend Kalpas angibt.44

152 Dies ist kein Opfer im Sinne der theistischen Religionen sondern ein Zeichen der ehrfurchtsvollen Erinnerung an Buddha und zugleich ein Symbol für die erste und grundlegende seiner Lehren, die Lehre von der Vergänglichkeit (vgl. Ānanda Metteyya in der Zeitschrift »Buddhism« I, 1).

153 Es war ein Lehrsatz des Sokrates (von Aristoteles bekämpft, Metaphys. IV p. 1025), dass, weil der wissentlich (absichtlich) schlecht Schreibende, schlecht Singende, schlecht Laufende u.s.w. dem unwissentlich schlecht Schreibenden, schlecht Singenden, schlecht Laufenden u.s.w. vorzuziehen sei, überhaupt der wissentlich Fehlgehende besser sei als der unwissentlich Fehlgehende, also z.B. auch von zwei Personen, die gegen das Gesetz handeln, die rechtskundige, von zwei Personen, die ihren Freunden Schaden zufügen, diejenige besser, die es mit Bewusstsein als diejenige, die es unwissentlich tue u.s.w. (Xenoph. Memor. IV, 2, 19–22 und Platon, Hippias Minor) – ein Fehlschuss, zu dem ohne Zweifel den Sokrates sein bekanntes Dogma verleitet hat, dass alle »Tugend« Wissen, alles Laster Unwissenheit sei.[167]

Dass unsere Stelle nicht in diesem Sinne aufgefasst werden kann, liegt auf der Hand. Denn unter »Schuld« (apuññam, eigentl. »Böses, Schlimmes, Schlechtes«) ist hier selbstverständlich das durch die böse Tat entstehende schlechte Karman (Anm. 84, 2 u. 3) zu verstehen, und die Frage ist folglich nicht, wer von den beiden der schlechtere ist, vielmehr die, wer für seine Tat schwerer büssen, ihre Folgen am längsten tragen muss. Hierauf wird uns nun die paradoxe Antwort zuteil: der unwissentlich Sündigende. Wie ist das zu verstehen? Schwerlich anders als im Sinne des vorigen Abschnittes: dass nämlich bei dem, der sich seiner Tat als einer verwerflichen bewusst ist, alsbald die Reue kommt und infolgedessen »das Böse nicht zunimmt,« während bei dem, der ohne Skrupel seinen Freund betrügen kann, der, ohne einen Funken von Mitleid zu empfinden, einen Menschen ermorden, ein Tier quälen kann u.s.w., durch Verhärtung des Charakters die Disposition zum Bösen wächst.

Zu dieser Auslegung sind wir um so eher berechtigt, als ein anderer Satz des Buddha den unwissentlich Sündigenden von Schuld sogar frei spricht (Ajānantassu n'āpatti »Ohne Wissen keine Schuld«) und als gerade dieser Satz von den Jainas als ein unterscheidendes Merkmal des Buddhismus betrachtet und als tadelnswerte Lauheit verworfen wurde (ohne einleuchtende Gegengründe), wie denn umgekehrt die Buddhisten dem entgegengesetzten Standpunkt der Jainas bei jeder Gelegenheit den ihrigen als den vernünftigeren gegenüberstellten.45 Wie dieser Satz zu verstehen ist, zeigt der folgende, einem Buddhisten in den Mund gelegte Ausspruch des Sutrakrtānga (II, 6, 26 u. 27): »Wenn (ein Wil der) seinen Spiess durch die Seite eines [bienenkorbähnlichen] Kornschuppens rennt, im Glauben, es sei ein Mann, oder durch einen Kürbis, im Glauben es sei ein kleines Kind, und ihn brät, so ist er des Mordes schuldig nach unseren Ansichten. Wenn ein Wilder einen Mann aufspiesst und brät, im Glauben, es sei ein Stück vom (aus dem) Kornschuppen, oder ein kleines Kind, im Glauben es sei ein Kürbis, so ist er nicht des Mordes schuldig nach unseren Ansichten.« Also auf die Gesinnung,[168] nicht auf die Tat, kommt es an nach der Lehre des Buddha.46r

154 sabba-sukhumo. Die Antwort ist darin begründet, dass in der Lehre Buddhas nicht, wie in der Anschauung des Westens, Geist und Stoff etwas durchaus Verschiedenes sind, sondern in einer und derselben Skala figurieren, indem das Stoffliche zugleich ein Grobgeistiges, das Geistige und Seelische zugleich ein Feinstoffliches ist. Gedanken, Gefühle u.s.w. haben in der Lehre Buddhas genau so wie Körperdinge eine objektiv-subjektive Existenz und sind nicht mehr und nicht weniger real wie diese.

155 = sankhārā im weiteren Sinne: Anm. 31.

156 Fein und grob ist nicht etwas für sich Existierendes, sondern das blosse gegenseitige Verhältnis, in dem uns die Teile eines Dinges erscheinen (vgl. Anm. 25), die ihrerseits, als Samskāras, zwar im Raume wirken, aber (ausser in unserer Vorstellung) keinen Raum erfüllen.

157 viññānan ti vā paññā ti vā bhūtasmim jīvo ti vā.

158 pajānana. Ich habe, dem ceylonesischen Kommentator zuliebe, dieses Wort hier mit »Beurteilen« übersetzt und infolgedessen das sonst von mir mit »Beurteilen« übersetzte vijānana hier ausnahmsweise durch »Unterscheiden« wiedergegeben, weil offenbar dieser Abschnitt ohne Berücksichtigung der früheren Erklärungen von »Vorstellung« (saññā), »Erkennen« (viññāna) und »Einsicht« (paññā) (s. S. 68, 69, 23 u. 33) geschrieben worden ist. Der Kommentar sagt: »Wie ein Bauer, wenn er Goldkörner sieht, dieselben als etwas Wertvolles erkennen würde, so ist das Charakteristikum von viññāna, die Sinnesobjekte zu erkennen, wenn es sie sieht. Wie ein Goldschmidt, wenn er Goldkörner sieht, sie nicht nur als etwas Wertvolles erkennen, sondern auch ihren Wert (als gross oder klein) unterscheiden würde, so ist das Charakteristikum von paññā, die Sinnesobjekte nicht allein zu erkennen, sondern auch zwischen ihnen zu unterscheiden« (R.D.p. 132 Anm. 2). Aber dieses Bild erklärt nicht, was es erklären soll, das Verhältnis von viññāna und paññā, vielmehr, und zwar vortrefflich, das Verhältnis von saññā und viññāna. Denn das[169] Erkennen, d.h. das Unterordnen unter Gemeinvorstellungen (Begriffe), ist das Wesentliche bei der Tätigkeit des Schatzmeisters (s. S. 68) sowohl wie der des Bauern, dagegen das Bewerten das Wesentliche bei der Tätigkeit des Stadtwächters (s. S. 69) sowohl wie der des Goldschmiedes, während paññā = höhere Weisheit (Unterscheidung von Wahrheit und Schein, Sittlichem und Verderblichem u.s.w.) zu keiner dieser Tätigkeiten erforderlich ist.

159 phasso, vedanā, saññā, cetanā, cittam.

160 Hier beginnt die alte Schlusserzählung, die sich ursprünglich an II, 3, 14 oder aber, falls die folgenden beiden Abschnitte echt sind (was ich oben bezweifelt habe), an II, 3, 16 anschloss.

161 Eine viereckige Kupfermünze von ungefähr sieben Pfennig Metallwert, aber etwa einer Mark Kaufwert (Rhys Davids, Anm. und »Buddhist India« p. 101).

162 »Der Zusammenhang mit den früheren (Leben)«, erklärt als »ihr (der Hauptpersonen) früheres Karman.«

163 Die Buddhas erscheinen periodisch, und zwar in den sog. Buddha-Kalpas (vgl. Anm. 150), zwischen denen, von einem Kalpa bis zu einer sehr grossen Zahl von Kalpas zunehmend, und wieder bis zu einem Kalpa abnehmend, die »leeren« d.h. buddhalosen Kalpas liegen. In einem Buddha-Kalpa können bestenfalls fünf Buddhas nacheinander erscheinen, in welchem Falle man von einem »gesegneten« oder »hochgesegneten« Kalpa spricht. In einem solchen leben wir gegenwärtig: vier Buddhas sind bereits erschienen, nämlich Kakusandha, Konāgama, Kassapa und Gotama, während das Erscheinen des fünften, Metteya, noch erwartet wird. Von den Buddhas, die in früheren Kalpas lebten, nennt die Überlieferung die zwanzig letzten, bisweilen noch drei andere. Alle Buddhas verkünden genau dieselbe Lehre.

164 Wer als überzeugter Buddhist nach Nirvāna strebt, kann (ausser wenn er rückfällig wird) in einem niedrigeren als menschlichen Dasein nicht mehr wiedergeboren werden: er ist abwechselnd Mensch und Gott, bis er Nirvāna erreicht.

165 Das Todesjahr Buddhas ist ca. 480 vor Christi-Geburt. Die Zahlenangabe unseres Textes kann aber natürlich, wie überhaupt derartige unbestimmte Angaben, nicht ernst genommen werden.

[170] 166 Die dreiunddreissig Hauptgottheiten der vedischen Mythologie bilden im System Buddhas die zweitniedrigste Klasse von Göttern (die niedrigste die vier »Weltwächter«). Sie gehören, wie die Menschen, dem Kāma-loka an. Vgl. Anm. 143.

167 Vgl. Anm. 43. Der Abhidhamma befasst sich auch mit den Streitigkeiten der Sekten, was u.a. seinen späten Ursprung verrät.

168 Es war den Mönchen verboten, in der Regenzeit zu wandern, weil während derselben die Natur sich so üppig entfaltet, dass jeder Fusstritt mit der Tötung lebender Wesen verbunden ist.

169 Jeder Mönch ist verpflichtet, in dem Hause, in dem er eine Mahlzeit bekommen hat, eine Predigt zu halten, deren Thema der Hauswirt bestimmen darf. Diese Predigt ist das »Danksagen« des Mönches.

170 oder »Auge der Wahrheit«, dhamma-cakkhu.

171 Yam kiñci samudaya-dhammam, sabbam tam nirodha-dhammam. Die Erkenntnis, dass es nirgends in der Welt, auch im eigenen Ich nicht, ein Bleibendes, Unvergängliches gibt, dass überall, auch im höchsten Himmel, die Vergänglichkeit und damit das Leiden herrscht, diese Erkenntnis ist die erste Bedingung für das Verständnis der Buddha-Lehre und daher (R.D.) dasjenige, was bei den Buddhisten der christlichen »Bekehrung« entspricht.

172 Es war seit den ältesten Zeiten in Indien üblich, die heiligen Texte auswendig zu lernen, bevor man in ihren tieferen und tiefsten Sinn einzudringen anfing.

173 vipassanā, eine Vorstufe zum »Auge der Wahrheit.«

174 sotāpatti, vgl. Anm. 58. Bedingung derselben ist die Befreiung von den drei »Fesseln« (samyojana): dem Glauben an die Wesenhaftigkeit (Unvergänglichkeit) des Ich, dem Zweifel an Buddha und der Befolgung religiöser Gebräuche (Opfer, Askese u.s.w.). Für den Sotāpanna kommen bei der Wiedergeburt die Apāyas (Anm. 117) nicht mehr in Betracht (Anm. 164), d.h.: während die doppelte Wirkung des guten Karmans (1, im Himmel, 2, auf Erden) fortdauert, wirkt das schlechte Karman hinfort allein noch während der menschlichen Existenzen.

175 buddha-vacana. Hiermit scheint das Sutta-Pitaka (Anm. 43) gemeint zu sein.

[171] 176 Vgl. Anm. 43. »Das tertium quid des Vergleiches ist nicht der Korb oder Kasten als ein Behältnis zur Aufbewahrung, sondern als ein Mittel zum Weitergeben (wie die östlichen Erdarbeiter, wenn sie Erde fortschaffen, diese in Körbe tun und die letzteren von Hand zu Hand gehen lassen),« R.D. Der Ausdruck »Korb« bezieht sich also ursprünglich auf die mündliche Überlieferung des Kanons von Lehrer auf Lehrer, die anfangs auch bei den Buddhisten die allein übliche war.

177 d.h.: ausser dem dritten, den er schon kannte, auch noch den ersten und zweiten.

178 Dieselben Bilder in III, 7, 3, (S. 115).

179 Trenckner vermutet, dass hier etwas ausgefallen sei.

180 Dies sind nichts als abgekürzte Wiederholungen: Abschnitt 7 von II, 2, 6, Abschnitt 9 von II, 2, 2.

181 Fast identisch mit III, 4, 3.

182 Die sieben bojjhangā oder sambojjhangā sind: ernstes Gedenken, Erforschung der Lehre, Energie, Freudigkeit, Ruhe, Konzentration, Gleichmut.

183 Lehrreden, wie sie der zweite und in der Hauptsache wohl älteste Teil des Kanons enthält.

184 Dies ist vielleicht eine historische Reminiszenz, da unseres Wissens in der Tat das Menander-Reich bis zum Arabischen Meer sich erstreckte.

185 Wieder ein [Beweis dafür, dass dem chinesischen Übersetzer ein Sanskrit-Original vorgelegen haben muss. Denn das p von O-pei ist nicht durch die Pāli-Form Assagutta, wohl aber durch das sanskritische Açvagupta mit seinen beiden Labialen (v, p) zu erklären.

186 s. Anm. 58 u. 174.

187 s. Anm. 5. Im gegenwärtigen Falle ist ein buddhistischer »Senior« gemeint.

188 Dies ist in Wahrheit von Ayupāla nicht zugegeben worden, wie aus dem Pāli-Text ersichtlich, vielmehr allein, dass auch Laien (es ist die Rede von Göttern!) beim Anhören der Predigten Buddhas nicht selten ein tieferes Verständnis für die Buddhalehre aufgegangen sei. Ein Laie kann bestenfalls als Anāgāmin sterben (Anm. 18), niemals aber als Laie Nirvāna erreichen.

189 oder »Wahrnehmung«. Das chinesische Wort lässt beide Übersetzungen zu.

1

Ein besonderes Wort für den Begriff der unendlichen Zeit gab es im älteren Pāli so wenig wie im vorbuddhistischen Sanskrit, sondern, wie im letzteren vom »unendlichen Jahr« und den »unendlichen Jahreszeiten« die Rede ist, so wird auch hier das Wort für den grössten bekannten Zeit-abschnitt, nämlich kappa, skt. kalpa (Anm. 150), zugleich dazu verwendet, die Zeit als solche zu bezeichnen. Erst später scheint man addhā »Strecke, Weg« (Anm. 86) in diesem Sinne gebraucht zu haben. Kāla hat im älteren Pāli wie in der Brāhmana-Literatur immer nur die Bedeutung der bestimmten Zeit (-ved. rtu).

2

Dahlke, Aufsätze zum Verständnis des Buddhismus, S. 59/60. Nur mit Bezug auf riññāna und nāma-rupa, und absichtlich nur in diesem einen Falle, wird im Kanon das Bild der beiden aneinandergelehnten Bündel Ried gebraucht. Von drei Hölzern ist nirgends die Rede.

3

Die Indriyas (mit Ausnahme des sechsten) gehören zu dem übersinnlichen Teile der physischen Welt (Anm. 26, 27). Es sind die nur an ihren Funktionen erkennbaren Kräfte der Sinneswahrnehmung (Sehkraft, Hörkraft u.s.w.), die in den entsprechenden sichtbaren Organen (Auge, Ohr u.s.w.) ihren Sitz haben und durch deren »Zusammentreffen« mit den Dingen der Aussenwelt und zugleich dem Erkenntnisvermögen die bewusste Wahrnehmung zustande kommt.

4

»Durch das Gesicht und die Formen (Farben) entsteht Bewusstsein: ›Sehbewusstsein‹ wird dies genannt; durch das Gehör und die Töne entsteht Bewusstsein: ›Hörbewusstsein‹ wird dies genannt«; u.s.w. (Majjh. Nik. 38 u. sonst vielfach). Also weder die materiellen Sinnesorgane sind hier gemeint noch die Formen, Farben, Töne u.s.w. als Erscheinungen innerhalb des Bewusstseins, sondern die dem Bewusstsein vorhergehenden und also übersinnlichen Bedingungen des Bewusstseins (Kräfte).

5

Vgl. Anm. 31, Ende, und Anm. 70.

6

Mahānidāna-Sutta u.a. (Oldenberg, Buddha 4 p. 258 fg). Anders natürlich bei der Wiedergeburt in den Brahman-Welten, in denen es keine geschlechtliche Zeugung gibt.

7

Buddha selbst scheint nur die ersten drei Apāyas gelehrt zu haben.

8

Vgl. IX, 2 des Johannes-Evangeliums: »Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er ist blind geboren worden?« d.h.: »Woran sollen wir uns halten: an die (indische) Lehre, dass jeder nur erntet, was er selbst gesät hat, oder an die (jüdische) Lehre, dass die Sünden der Väter bis ins siebente Glied von ihren Nachkommen getragen werden müssen?« – ein unverkennbarer Widerhall der schon zweieinhalb Jahrhunderte vor Christus in das syrische Reich eingedrungenen buddhistischen Mission (s. Einleitung S. X, XI).

9

Den grössten Teil dieser durch die Wichtigkeit der Nirvāna-Frage bestimmten längeren Auseinandersetzung entnehme ich meiner in Vorbereitung befindlichen Schrift »Das Problem des Nirvāna«.

10

So heisst es (F. Jat. 46; Pāt. 13): atthangate suriye »wenn die Sonne untergegangen ist« (Childers, Dictionary p. 67).

11

Maitreyi-Up. I, 3–7, ferner I, Vers 1 und I, 2 werden zitiert in VI, 34, IV, 2 und IV, 3 bezw. der Maitrāyana-Upanishad. Die Maitreyi-Upanishad, wenigstens das erste Kapitel derselben, ist also verhältnissmässig alt, d.h. sie gehört zur sogenannten mittleren Schicht der Upanishaden, die z.T. vorbuddhistisch ist, so die oben genannte Çvet. Up. (s. Schrader, Über den Stand der ind. Phil, etc., p. 43 Anm. 1), z.T. der Zeit des aufkommenden Buddhismus angehört.

12

Seine Lehrer hierin, die er oft nennt und sehr hoch, schätzt, waren Ālāra Kālāma und Uddaka Rāmaputta (s.z.B. Majjh. Nik. 1, 3, 6: »Ein grosser Geist war Ālāra Kālāma« u.s.w.)

13

Auch zur Aufstellung des Paticca-samuppāda hat ihn wahrscheinlich der Yoga angeregt: s. Yoga-Sutra IV, 11 (Vermutung Senarts, s. Oldenberg, Buddha 4 p. 254 Anm. 1).

14

s. Dahlmann, Nirvāna p. 25 etc.

15

Dass dieser Ausdruck vorbuddhistisch und einfach = ānandamaya sein kann, zeigen Stellen wie Mahābhārata III 126, 16 (Dahlman, Nirvāna p. 35).

16

Ich zitiere hier wesentlich nach Deussens Übersetzung. Unzählbar (Deussen: »unmessbar«) bedeutet soviel wie nichtindividuell.

17

Diese ganze Upanishad ist auch in der Tripurātāpiny-Up. (V, 2. fg.) enthalten, und zwar z.T. mit besseren Lesarten.

18

unmanī-bhāva. Trip. Up.: amanī-bhāva.

19

Nur unter diesem und dem folgenden Gesichtspunkt wird z.B. auch das Brahmajāla-sutta verständlich.

20

Gerade das Gegenteil wird, in Übereinstimmung mit dem Sāmbkya, von Buddha gelehrt in seiner Aufforderung, alles Vorstellbare als »Nicht-Ich« (anattā) zu betrachten – weshalb er auch jenen Vedānta eine »völlig ausgereifte Narrenlehre« nennt.

21

vorher: »liebevollen' mitleidvollen, freudevollen.« Es handelt sich um die bekannte, in der Einsamkeit vorzunehmende Sympathie-Übung.

22

Atthi imassa saññāgatassa uttarim nissaranan ti. Vgl. Udāna VIII, 1–3.

23

Vimuttasmim vimuttam iti.

24

Dies ist in den Suttas das gewöhnliche Wort für »entstehen, geborenwerden, wiedergeborenwerden.«

25

Dieser Frageweise liegen die vier »Allanzeiger« (sakalādecās.) der von Buddha im übrigen bekämpften Schule der Skeptiker (ajñāna-vādinas, amarā-vikkhepikā) zugrunde, nach deren Lehre man übersinnlichen Dingen ein Sein oder gleichzeitiges Sein oder Nichtsein mit Bestimmtheit weder zusprechen noch absprechen könne. Näheres über sie in meiner Schrift »Über den Stand der indischen Philosophie zur Zeit Mahāvīras und Buddhas« (Trübner, 1902), p. 47 fg.

26

Für jeden Skandha wird einzeln dasselbe ausgesagt wie oben für den ersten. Über die Skandhas vgl. Anm. 27 bis. 13

27

Vgl. Anfang und Schluss der Anmerkung.

28

Vgl. asankhya in der oben (S. 156) zitierten Stelle der Maitrāyana-Upanishad!

29

atthan gato. Die Frage erklärt sich aus der oben besprochenen Vorstellung, dass das erloschene Feuer eine latent gewordene Kraft ist.

30

was er nicht wäre, wenn er genau dem erloschenen Feuer gliche, da dieses bei nächster Gelegenheit wieder in Funktion tritt.

31

Wie Körper, Gefühle u.s.w.

32

Mit diesem ganzen Gespräch vgl. die bereits zitierte Nrsimhôttaratāpini-Upanishad (2, Mitte): »Jenes Selbst ist reiner Geist, gleichwie das Feuer, nachdem es das Brennbare verzehrt hat. Unvorstellbar nämlich ist jenes Selbst, weil es jenseits des Bereiches von Sprache und Manas liegt.«

33

Weil dieselben nicht kochen dürfen, vielleicht noch aus anderem Grunde.

34

Die Vorschrift des Vinaya-Pitaka (Mahāvagga V, 23), kein Menschen-, Elefanten-, Hunde-, Schlangen-, Löwen-, Tiger-, Panther-, Bären- und Hyänenfleisch zu essen, ist sicher sekundär.

35

Der schon vor dem Auftreten Buddhas in derselben Gegend, wo dieser lehrte, entstanden war und in den buddhistischen Texten oft genannt wird. Er unterscheidet sich vom Buddhismus u.a. durch die strenge Askese, die er verlangt.

36

Auch die drei vorhergehenden Verse handeln von buddhistischen Lehren (der letzte von Nirvāna).

37

asamjae (= skt. asamyata): ein »Ungezügelter«, Laie.

38

Vgl. Jacobi, Jaina Sutras II p. 243 und 415.

39

Vgl. Majjh. Nik. 51 (Kandaraka-Sutta), wo als »Nächstenqual« (para-paritāpa) der folgende, von den Leuten »mit Tränen in den Augen« vollzogene Befehl eines Königs oder Reichen bezeichnet wird: »Soviele Stiere sollen zum Opfer geschlachtet werden, soviele junge Ochsen, soviele junge Kühe, soviele Ziegen, soviele Hammel sollen zum Opfer geschlachtet werden; soviele Bäume sollen gefällt werden der Pfosten wegen, soviel Kuça-Grass soll gemäht werden zur Opferstreu.«

40

Vgl. z.B. das Waldidyll in Majjh. Nik. 45. »Denn wegen jenes Lianensamenkornes (das damals an meiner Wurzel sich festsetzte)«, sagt die Gottheit (devatā) des von einer Liane ausgenutzten Sāl-Baumes, »empfinde ich (jetzt) schmerzliche, brennende, stechende Gefühle.«

41

Es ist mir unzweifelhaft, dass die entsprechenden griechischen Lehren, vor allem die des Empedokles, auf indischen Einfluss zurückgehen. Was Empedokles beschreibt, ist Entwickelung, Vergehen und Wiedererstehen eines Weltsystems, nicht, wie bisher angenommen wurde, des unendlichen Weltalls, weshalb auch seine Vergleichung des vollendeten Kosmos mit einer schöngerundeten Kugel offenbar nicht nur eine symbolische ist.

42

R. Spence Hardy, Sacred Books of the Buddhists, 1863, p. 106.

43

Dies ist das unterste Stockwerk des Arūpa-brahma-loka (s. Anm. 143).

44

Die sonst nicht selten erwähnten Götter des höchsten der vier Arūpa-brahma-lokas sind in dieser Stelle auffallenderweise nicht genannt.

45

s. Schrader, Ueber den Stand der ind. Phil. zur Zeit Mahāvīras und Buddhas, p. 50.

46

Auch die Skeptiker (Ajñānikas) vertraten diesen Standpunkt, vielleicht schon vor Buddhas Zeit. Schrader, loc. cit. o. 49.

Quelle:
Die Fragen des Königs Menandros. Berlin [1905], S. 125-172.
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