192.
An Franziska Nietzsche

[1223] Zürich, den 4. Okt. 1884,

Pension Neptun


Meine liebe Mutter, inzwischen wirst Du wohl ausreichend gehört haben, daß sich Deine Kinder wieder artig miteinander vertragen und in jedem Betracht guter Dinge sind. Wie lange dies Zusammensein aber noch dauern wird, läßt sich heute noch nicht sagen; meine Arbeiten, die ich vorhabe, bestimmen mich unter allen Umständen bald wieder zur Einsamkeit: und der Klumpfuß, den ich mit mir schleppe, ich meine 104 Kilo Bücher, wird mich nicht gar zu weit von hier weg fliegen lassen. –

So ist denn für dieses Jahr unser Wiedersehn eine Unmöglichkeit; ich wünsche von Herzen, daß es Dir nicht schwer fallen möge.

Die guten Absichten, welche Dein letzter Brief aussprach, mich etwas stattlicher gekleidet durch die Welt gehen zu machen, habe ich mit vielem Danke angenommen; in der Tat, ich bin ziemlich dürftig daran und durch viele Ortswechsel ein wenig allzu abgeschabt, gleich einem Bergschafe.[1223]

Die Gesundheit macht mir alle Augenblicke Not: ein fremder Ort und manches Ungewohnte in Speise und Tages-Ordnung malträtiert mich immer. Mein Aussehn ist aber gut und nicht anders als im vorigen Jahre.

Mit herzlichem Danke Dein F.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1223-1224.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Briefe
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.1, Bd.1, Briefe von Nietzsche, Juni 1850 - September 1864. Briefe an Nietzsche Oktober 1849 - September 1864.
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.2, Bd.2, Briefe an Nietzsche, April 1869 - Mai 1872
Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
Sämtliche Briefe, 8 Bde.
Sämtliche Briefe: Kritische Studienausgabe in 8 Bänden