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[1224] Zürich, 22. Oktober 1884, Mittwoch
Gestern, mein liebes Lama, war ein schöner Tag, und Dein Brief kam mitten unter lauter guten Dingen in meine Hände. Das Wetter von früh anstrahlend in Nizza-hafter Herrlichkeit. Um 9 Uhr ging ich in die Tonhalle und erlabte mich an Beethoven und Bizet. Dann meldete mir der deutsche Besitzer vom Hôtel des Etrangers in der ehrerbietigsten Form seine Freude, daß ich daran dächte, für den Winter in sein Haus zu kommen und garantierte dieselben Bedingungen, wie bisher in Nizza. Dann kam Hegar und brachte die Gastsche Partitur: er stellte sich für jeden Herbst mit seinem Orchester zur Verfügung und bot aus freien Stücken an, Herrn Peter Gast von jeder seiner eignen Orchester-Proben eine halbe Stunde abzutreten, wo G. also das Orchester selber »in die Hand nehmen« und seine Sachen einstudieren könne. Nach diesem Vorschlage brachte ich die inzwischen eingetroffene Bitte G.s vor, hierher zu Hegar zu kommen, um in der nächsten Nähe eines Orchesters zu leben – kurz, es paßte alles gut zusammen, und ich meine das Schicksal G.s mit diesem Züricher Aufenthalte vorwärts gebracht zu haben. – Nachmittags machte ich einen langen Spaziergang mit meiner neuen Freundin Helene Druscowicz, welche einige Häuser weit von der Pension Neptun mit ihrer Mutter wohnt: sie hat sich von allen mir bekannt gewordenen Frauenzimmern bei weitem am ernstesten mit meinen Büchern abgegeben, und nicht umsonst. Sieh einmal zu, wie Dir ihre letzten Schriften gefallen (»Drei englische Dichterinnen«, darunter die Eliot, welche sie sehr verehrt; und ein Buch über Shelley). Jetzt übersetzt sie den engl. Dichter Swinburne. Ich meine, es ist ein edles und rechtschaffnes Geschöpf, welches meiner »Philosophie« keinen Schaden tut. Dann lies doch die Novellen meiner Berliner Verehrerin Frl. Glogau: man rühmt sie sehr von wegen »psychologischer Feinheit«. Abends war ich im ersten[1224] Tonhallen-Konzert, wozu mich Hegar eingeladen hatte: und so verbrachte ich mit der »Arlésienne« noch den Abend des guten Tags und legte mich schlafen. Heute morgen kam ein herzlicher und äußerst taktvoller Brief meines alten Freundes Overbeck an, welcher im wesentlichen seine volle Freude ausdrückt, daß mir »ein solches Stück treuer und ursprünglicher Anhänglichkeit, wie ich es bei Mutter und Schwester habe«, nicht verloren gegangen ist. – Da ich Deine Reise-Adressen nicht hatte, so habe ich einen Brief an Dich nach Naumburg geschickt. Treulich Dein
F.
Es lebe die Unabhängigkeit! so denke ich täglich. Nichts mit Heiraterei!
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