[4] 1. Sechs Personen sind mit dem Argha30 zu empfangen:[4] der Lehrer, der Opferpriester, der Schwiegersohn31, der König, ein Freund, ein Gebadeter.32
2. Einmal im Jahre33 soll man sie mit dem Argha empfangen.
3. Aber diejenigen, welche opfern wollen, sollen die Opferpriester mit dem Argha empfangen.34
4. Nachdem er einen Sessel herbeibringen lassen, spricht er: »Wohlan, Herr, setze dich! wir wollen dich ehren!«
5. Sie bringen ein Bündel35, eins für die Füsse, Fusswasser, das Arghawasser, Wasser zum Mundspülen, die Honigspeise, nämlich geronnene Milch, Honig, geschmolzene Butter, in einer Messingschale, bedeckt mit einer Messingschale.
6. Ein anderer spricht je dreimal: »das Bündel!« und so bei den andern Gegenständen.[5]
7. Er nimmt das Bündel.
8. Indem er spricht:
»Ich bin der Höchste unter meinen Genossen, wie die Sonne unter den aufgehenden (Gestirnen);
»Auf dieses (Bündel) trete ich, wie auf jeden, der mich anfeindet«
setzt er sich auf dasselbe.
9. (Man gibt ihm) das andere36 für die Füsse, wenn er auf dem Bündel sitzt.
10. Nachdem er den linken Fuss gewaschen, wäscht er den rechten37.
11. Wenn er ein Brâhmaṇa ist, den rechten zuerst.
12. (Dazu spricht er): »Du (o Wasser) bist des Glanzes Melkung; möge ich des Glanzes Melkung geniessen; mir sei des Fuss-Glanzes Melkung.«38[6]
13. Das Argha- Wasser nimmt er an, indem er spricht: »Ihr seid Wasser, durch euch möge ich alle Wünsche erlangen«.39
14. Indem er es ausgiesst, spricht er zu demselben: »Zum Meere sende ich euch fort, geht zu eurem Ursprunge hin! Unverletzt seien unsere Männer, nicht sei von mir weg der Saft gegossen!«40
15. Er spült den Mund aus und spricht: »Du kamst zu mir mit Ruhm, vereinige mich mit Glanz! Mache mich den Leuten lieb, zum Herrn von Vieh, zum Nichtverletzer der Leiber!«
16. Mit dem Spruche: »Mit Mitra's (Auge sehe ich) dich!« sieht er die Honigspeise an.41
17. Mit dem Spruche: »Auf des Gottes (Savitar Geheiss u.s.w. nehme ich) dich!« nimmt er sie.
18. Nachdem er sie in die linke Hand genommen, rührt er sie dreimal um mit dem namenlosen Finger der rechten, indem er spricht: »Verehrung dir42 mit dem braunen Antlitz![7] Was in deinem Essen43 beschädigt44 ist, das schneide ich aus dir weg.«
19. Und so spritzt er dreimal mit dem namenlosen Finger und dem Daumen etwas davon heraus.
20. Er isst dreimal davon, indem er spricht: »Was an dem Honige honigartig, beste Gestalt, essbar ist, durch dieses honigartige, diese beste Gestalt, dieses Essbare des Honigs möge ich der beste, honigartige45 Esser sein.«46
21. Oder mit den drei Versen, in welchen das Wort »süss« steht47, bei jedem derselben.
22. Dem Sohne oder dem Schüler, welcher nördlich sitzt, gebe er das übriggelassene.
23. Oder er esse alles.
24. Oder er giesse es aus nach Osten an nicht betretener Stelle.
25. Nachdem er den Mund ausgespült, berührt er die Sinnesorgane, indem er spricht: »Rede sei mir im Munde, Hauch in der Nase, Gesicht in den Augen, Gehör in den Ohren, Stärke in den Armen, Kraft in den Schenkeln. Unverletzt seien meine Glieder und mein Leib mit meinem Wesen«48
26. Nachdem der Gast den Mund ausgespült, nimmt der Hausherr das Messer und spricht dreimal zu ihm: »Die Kuh!«[8]
27. Jener antwortet: »Die Mutter der Rudras, die Tochter der Vasus, die Schwester der Âdityas, der Nabel der Unsterblichkeit! Ich spreche nun zu Leuten, die es vernehmen: tödtet nicht die Kuh, die schuldlose Aditi.49 Meine und dieses Mannes Sünde tödte ich!« So wenn er sie tödtet.
28. Wenn er sie aber frei lassen will, spreche er:50 »Meine und dieses Mannes Sünde ist getödtet. Ja, lasst sie frei, sie fresse Gras!«
29. Der Argha darf aber nicht immer ohne Fleisch sein.
30. Beim Opfer und bei der Hochzeit spreche er nur: »Thut es!«51
31. Auch wenn er mehrmals im Jahre mit Soma opfert52, sollen (die Priester) nur für ihn opfern, wenn ihnen der Argha dargeboten wird, nicht ohne Darbietung desselben. So sagt die Çruti.
30 | Argha ist der Name der feierlichen Aufnahme eines Gastes (pûjâvidhi AK. Hem. Med.), bei welcher demselben das Ehrenwasser (arghya) und die Honigspeise (madhuparka) überreicht wird. Die Handschriften verwechseln vielfach argha und arghya; das Richtige ergibt sich aus den Koshas und aus Pâṇ. 5, 1, 66 und 5, 4, 25. |
31 | vaivâhyaḥ jâmâtâ. Rk. Dieselbe Erklärung hat ein Commentar zum Mânava grĭhya sûtra, welchen ich Kielhorn verdanke (leider ohne den Text). In Reṇuka's Kârikâ zu Pâraskara heisst es: udvâha eva vaivâhyam, »den vaivâhya soll man nur bei der Hochzeit mit dem argha empfangen«. Das kann also auch nur der Schwiegersohn sein, welcher zur Begehung der Hochzeit in das Haus des Schwiegervaters kommt. Die Mitâksharâ zu Yâjn. 1, 110 erklärt vivâhya ebenfalls durch jâmâtâ. Bei andern steht dafür der Schwiegervater, çvaçura. |
32 | Den Schüler, welcher nach Beendigung der Lehrzeit das Bad vollzogen, soll der Lehrer zuerst mit dem Argha ehren. Mn. 3, 3. Jr. Rk. |
33 | Also bei einem wiederholten Besuche innerhalb desselben Jahres ist der feierliche Empfang nicht geboten. |
34 | Bei jedem Opfer, also auch öfter als einmal im Jahre. Vgl. Schol. zu Kâty. Çr. 7, 1, 9. |
35 | Das erste Bündel Grashalme ist zum Sitzen bestimmt (§. 8). Nach einigen (Gṛĭhya Sangraha 88) soll es aus 25 Halmen bestehen; andere (das Chandoga pariçishta bei Raghunandana, Saṃskâra tattva F. 14, a, 5) sagen ausdrücklich, die Zahl der Halme sei nicht bestimmt. |
36 | Bei Gobhila gṛĭ. 4, 10 ist die Darreichung des zweiten Bündels willkürlich. Es heisst dort: yâ oshadhîr ity udancaṃ vishṭaram âstîryâdhyupaviçed, dvau cet pṛĭthag ṛĭgbhyâm, pâdayor anyam. »Mit dem Verse VS. 12, 93 legt er das Bündel nach Norden gerichtet nieder und setzt sich darauf. Wenn es zwei sind, legt er sie einzeln mit einem besonderen Verse (VS. 12, 93. 94) nieder; das zweite für die Füsse«. – Lâṭyâyana erwähnt nur ein Bündel, Drâhyâyaṇa aber zwei. S. Lâṭy. Çr. Sû. 1, 2, 2. |
37 | Bei Âçvalâyana (1, 24, 10) wäscht der Wirth dem Gaste die Füsse. Hier wäscht sich der Gast selbst die Füsse. So wenigstens nach den Commentaren (welche zu dem vorhergehenden Dative âsînâya das Verbum dadâti ergänzen) und nach den beiden Paddhatis. Mit Pâraskara stimmt überein Gobhila Gṛĭ. 4, 10 nach Nârâyaṇa's Commentar und Bhavadeva's Paddhati. Ebenso Râmacandra's Paddhati zu Çânkhâyana's gṛĭ sû. (Fol. 12, b der Handschrift Chamb. 399). |
38 | padyâ virâj hat den Doppelsinn: der Fussglanz und: das aus Versgliedern bestehende Versmass Virâj. Vgl. Tâṇdya Br. 8, 5, 7. 12, 11, 22. – Jr. liest pâdyâyai und erklärt pâdyâ durch pâdayoḥ sâdhvî saparyâ, also: »zur Fussverehrung«. |
39 | Wortspiel mit âpas, Wasser, und âp, erlangen. |
40 | Der Vers steht mit einigen Abweichungen AS. 10, 5, 23. Âçv. Çr. 3, 11, 6. Die zweite Hälfte Kâty. Çr. 25, 5, 28 und Çânkh. Gṛĭ. 3, 4, wo no dhanam statt mat payas. –»Saft« ist s.v.a. Lebenskraft. |
41 | Die beiden Sprüche §. 16. 17, welche VS. Kâṇva 2, III, 4 stehen, sind dieselben, welche der Brahman beim Ansehen und Annehmen seines Theiles der Opferspeise (prâçitra) spricht. S. Çânkh. Çr. 4, 21, 6. 7 und 4, 7, 4. 5. Âçv. Çr. 1, 13, 1. Kâty. Çr. 2, 2, 15. 16. |
42 | Der Spruch ist nach Jr. an den im menschlichen Leibe befindlichen Agni (jaṭharâgni), welcher die Verdauung bewirkt, gerichtet. |
43 | annaçana steht für annâçana. Vgl. îçanîçau für îçânîçau. Çvetâçv. Up. 1, 9. |
44 | Jr. Rk. saṃçlishtam anadanîyam, geronnen, nicht essbar. |
45 | Jr. madhuparkârhah, der Honigspeise würdige. |
46 | Im Saṃsk. Kaust. (218, a) wird der Spruch aus Âpastamba so angeführt: yan madhuno madhavyaṃ paramam annâdyaṃ vîryaṃ tena u.s.w. »Was an dem Honige honigartig, beste Speise und Kraft ist«. |
47 | VS. 13, 27–29. |
48 | TS. 5, 5, 9, 2. TA. 10, 72. AS. 19, 60. |
49 | Der Vers RS. 8, 101 (90), 15, welcher TA. 6, 12 beim Opfer an die Väter nur für das Freilassen der Kuh vorgeschrieben ist, wird hier auch beim Tödten derselben angewendet. Durch die hinzugefügten Worte drückt der Gast aus, dass in der Kuh nicht das schuldlose Thier getödtet, sondern seine eigene und des Wirthes Sünde vertilgt wird. |
50 | Statt der letzten Worte in §. 27. |
51 | In §. 27 und 28 waren die beiden Formen des Argha erwähnt, mit Vorsetzung von Fleisch und ohne dieselbe. Zwischen beiden Formen hat der Wirth meistens die Wahl. Nun werden aber zwei Fälle erwähnt, in welchen immer Fleisch vorgesetzt werden soll. Da aber in dem jetzigen Zeitalter, Kaliyuga, das Tödten einer Kuh nicht mehr gestattet ist, so kann für dieselbe nach Gadâdhara eine Ziege substituirt werden; nach Jayarâma auch eine Milchspeise. |
52 | In diesem Falle soll also mit den Opferpriestern eine Ausnahme von der in §. 1 und 2 gegebenen Vorschrift gemacht werden. Vgl. Comm. zu Kâty. Çr. 7, 1, 9. – Die Handschriften haben hier alle kṛĭtârghya (vgl. Anm. zu §. 1); nur Reṇuka's Kârikâ hat richtig: somena yady apy asakṛĭd arvâk saṃvatsarâd yajet kṛĭtârghâ yâjayanty enam nâkṛĭtârghâ iti çruteḥ Ob die angeführten Worte sich in einer Çruti finden, habe ich nicht ermitteln können. |
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