Fünfzehntes Kapitel.

[27] 1. Nun die Scheitelschlichtung.

2. (Sie wird vollzogen) wie die Mannzeugung.122

3. In der ersten Schwangerschaft im sechsten oder achten Monate.123[27]

4. Nachdem er eine aus Sesamkorn und Bohnen gemischte Topfspeise gekocht und dem Prajâpati geopfert, streicht er der Frau, welche westlich vom Feuer auf einem weichen Sessel124 sitzt, mit einem Udumbarazweige, der eine grade Zahl unreifer Früchte trägt125, mit drei Kuçahalmen, mit dem Stachel eines Stachelschweines, einem Stecken vom Vîratara-Baume126, und einer vollen Spindel den Scheitel aufwärts aus einander, mit den Worten: »Erde! Luft! Himmel!«127

5. Oder er wiederholt das Streichen bei jedem der grossen Worte.128

6. Dann bindet er (die genannten Gegenstände) an die dreifache Haarflechte129, mit den Worten: »Dies ist der[28] Baum eines Kräftigen; sei du fruchtbar wie ein fruchttragender Zweig!130

7. Dann befiehlt er zwei Lautenspielern: »Besinget den König!« oder wenn irgend ein anderer besonders mächtig ist.131

8. Einige erwähnen dazu auch ein vorgeschriebenes Lied: »Soma nur ist unser König; diese menschlichen Geschlechter mögen weilen an deinem Ufer, welches sich der Herrschaft nicht entzogen hat132, o du!« hier nennt er den Namen des Flusses, an welchem sie sich niedergelassen haben.

9. Dann folgt Speisung der Brâhmaṇas.

122

Also wenn der Mond mit einem männlichen Sternbilde vereinigt ist, und nachdem die Frau gefastet, gebadet und zwei ungebrauchte Gewänder angelegt hat. Die ferneren Vorschriften in 1, 14, 3 gelten hier nicht. Jr. Rk.

123

Die am nächsten liegende Auffassung dieses Satzes scheint zu sein, dass diese Handlung nur in der ersten Schwangerschaft vollzogen werden solle. Das würde auch mit den Vorschriften aller anderen mir bekannten Hausregeln übereinstimmen, welche nur in der Bestimmung der Monate von einander abweichen. Dabei wird angenommen, dass diese Handlung eine Consecration der Frau sei, und da schon Gobhilaputra's Gṛĭhyasangraha (96) und verschiedene Gesetzbücher (z.B. das von Hârĭta, Devala) ausdrücklich sagen, dass die einmalige Weihe der Frau auch für alle folgenden Fälle wirksam sei, so darf sie später nicht wiederholt werden. Im Gegensatz hiezu fassen die Erklärer unserer Hausregel diese Handlung als eine Consecration der Leibesfrucht auf, die daher auch bei jeder folgenden Schwangerschaft wiederholt werden müsse. Rk. sagt, der Zweck der Handlung sei, die Frucht gegen die Râxasîs zu schützen. Jr. verwirft ausdrücklich die Ansicht, dass die Handlung nur in der ersten Schwangerschaft zu vollziehen sei, weil dann alle folgenden Leibesfrüchte dieser Weihe verlustig gehen würden. Reṇuka in seiner Kârikâ zu Pâraskara führt beide Ansichten an, ohne sich für eine derselben zu entscheiden. Die obigen Worte Pâraskara's werden von ihnen ergänzend so erklärt: in der ersten Schwangerschaft sei die Handlung im sechsten oder achten Monate zu vollziehen, für jede folgende Schwangerschaft aber sei kein Monat festgesetzt. Dieser Gegensatz zwischen den Anhängern der Hausregel Pâraskara's und denen der anderen Hausregeln hat sich bis in die neuere Zeit erhalten. In Kâçinâtha's Dharmasindhusâra (3, 1 Fol. 17, a) wird zunächst gelehrt, dass die Scheitelschlichtung nur einmal zu vollziehen sei, und dann hinzugefügt: Kâtyâyanânâm tu garbhasaṃskâratvât pratigarbham âvartanîyam, »bei den Kâtyâyanâs (also den Anhängern von Pâraskara's Hausregel) aber muss sie, weil sie als eine Weihe der Leibesfrucht gilt, in jeder Schwangerschaft wiederholt werden.« In demselben Sinne äussert sich Anantadeva im Saṃskârakaustubha, Fol. 53, b, 1.

124

Bhadrapîṭhaṃ mṛĭdupîṭham. Jr., Rk. und Reṇuka. Nach Bhartṛĭyajna bedeutet bhadrapĭṭha einen viereckigen Sitz von Kuhdünger. Rk.

125

Alle Handschriften haben saṭâlu (Rk.: apakvaphalânâm âkhyâ) und grapsa (Rk.: stabakasanghâta) statt çalâṭu und glapsa, wie Âçv. gṛĭ. 1, 14, 4 hat.

126

Jr. erklärt dies durch çara, ein Pfeil.

127

Er streicht einmal mit den Worten: bhûr bhuvaḥ svar vinayâmi.

128

Oder er streicht dreimal mit den Worten: bhûr vinayâmi! bhuvar vinayâmi! svar vinayâmi!

129

trivṛĭt veṇĭ. tâṃ prati audumbarâdipunjam âbadhnâti. Jr, Bei Çânkh. gṛĭ 1, 22 bindet er die Gegenstände mit einer dreifachen Schnur an den Hals der Frau.

130

Bhavadeva ergänzt den Vers: parṇam vanaspate 'nu tvânu tvâ ca sûyatâm rayiḥ. »Laub entspriesse dir, o Baum! Dir (o Weib?) werde Gut zu Theil.«

131

Dann nennt er dessen Namen. Vp.

132

In den kritischen Anmerkungen ist vergessen zu erwähnen, dass die Handschrift C liest: avimuktacakrâ, also: »mögen die menschlichen Geschlechter, ohne sich der Herrschaft zu entziehen, an deinem Ufer wohnen.« – Jr. erklärt avimuktacakre durch anullanghita çâstre. –

Quelle:
Indische Hausregeln. In: Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 6. Leipzig 1878, S. 27-29.
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