Naīv

[656] Naīv (v. fr. Naif), ungekünstelt, natürlich, aufrichtig in Empfindungen, Gedanken, Reden u. Handlungen, ohne überlegte Zurückhaltung u. ohne Berücksichtigung der conventionellen Formen; daher Naivetät, Ausdruck dieser Empfindungen etc. einer das Conventionelle nicht kennenden, od. sich nicht darein fügenden, od. sich eben vergessenden Person. Naivetäten, wenn sie gefallen, nicht aber lächerlich sein sollen, müssen der natürliche Ausbruch einer kindlichen Unschuld u. Unbefangenheit sein, da, wo sie nicht erwartet wird; Schiller u. Goethe unterscheiden in der Ästhetik die naive u. sentimentale Dichtung als zwei verschiedene Grundformen: die der Alten als naiv, der Natur entsprechend, objectiv; die der Neuzeit als sentimental, die Naturgemäßheit anstrebend, subjectiv. Vgl. Mendelssohn, Über das Erhabene u. Naive (Philosophische Schriften, II. S. 121 ff.); Schiller, Über naive u. sentimentalische Dichtung im 12. Bde. seiner Werke.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 656.
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