Atome

[801] *Atome (v. gr.), die von einander durch Zwischenräume getrennten kleinsten Theile, aus denen alle materiellen Körper zusammengesetzt zu denken sind. Die Ansicht, alle Körper seien aus solchen Grundtheilchen gebildet, ist sehr alt u. hat sich im Wesentlichen erhalten, bis Newton durch das aufgestellte Gesetz der allgemeinen Anziehung die Materie selbst als aus der Gegenwirkung anziehender u. zurückstoßender Kraft hervorgegangen betrachtete. Nach dieser, bes. von Kant, mit bisher noch nicht widerlegten Gründen aufgestellten dynamischen Naturansicht würde die Materie, ebenso wie der Raum, welchen sie erfüllt, ins Unendliche theilbar, wie ins Unendliche ausdehnbar sein. Es sind dagegen in neuester Zeit vornämlich folgende Gründe für die Atomistik von den größten Mathematikern u. Physikern[801] geltend gemacht u. anerkannt worden: a) Die mit der Brechung der Lichtstrahlen verbundene Farbenzerstreuung läßt sich nach Cauchy mit der Undulationstheorie, welche doch durch andere Gründe gegenwärtig unzweifelhaft ist, nur unter der Annahme vereinen, daß der Lichtäther nicht ein Continuum, sondern aus gesonderten Theilchen zusammengesetzt ist, deren gegenseitige Entfernung gegen die Länge einer Lichtwelle (d.i. für rothes Licht 167, für violettes 266 Zehnmilliontheil eines englischen Zolles) nicht verschwindend klein ist. b) Aus den Polarisationserscheinungen des Lichts geht, nothwendig hervor, daß die Schwingungen der Äthertheilchen durchaus quer gegen die Fortpflanzungsrichtung des Strahls erfolgen. Nach Poisson u. Fresnel könnten aber solche Schwingungen schon in geringer Entfernung von der Lichtquelle nicht mehr existiren, sondern sie würden in Longitudinalschwingungen, d.h. solche, welche in der Richtung des Strahls erfolgen, übergehen, wenn nicht der Äther aus discreten Theilchen zusammengesetzt wäre. c) Die Fortpflanzung der Wärme durch Strahlung u. durch Leitung läßt sich nur dann unter einen. von der Wissenschaft geforderten gemeinschaftlichen Gesichtspunkt bringen, wenn man die wägbaren Körper als aus discreten Theilchen bestehend denkt. d) Die Wärmestrahlung ist nach einer gegen die Oberfläche des strahlenden Körpers schrägen Richtung weit schwächer, als nach der senkrechten; sie nimmt nach dem Gesetz des Sinus des Neigungswinkels ab; auch dies ist nur erklärbar, wenn man den strahlenden Körper als aus hinter einander liegenden Schichten von A-n bestehend denkt. Zu diesen für den Physiker von Fach fast zwingenden Gründen kommen viele auch der oberflächlichen Betrachtung zugängliche, so die Blätterdurchgänge der Krystalle, die Ausdehnung u. Veränderung der Aggregatsform der Körper durch die Wärme, die Elasticität der Körper u. das Überschreiten der Elasticitätsgrenze bei zu großer Ausdehnung od. Zusammendrückung fester Körper, die chemische Verbindung verschiedener Stoffe zu neuen Körpern. Alle diese Erscheinungen sind erklärbar bei der Vorstellung, daß die Körper aus A-n von veränderlicher Entfernung bestehen, welche gegenseitig Abstoßung u. Anziehung ausüben, so daß die Stärke dieser Kräfte von der Größe der Entfernung abhängig ist u. daß für sie gewisse stabile u. labile Gleichgewichtslagen existiren. Nach dieser Ansicht bestehen also zunächst die wägbaren Körper aus discreten A-n mit Zwischenräumen, welche gegen die Größe der A. schr. bedeutend sind, etwa wie die Entfernungen der Weltkörper gegen die Größe derselben. Zwischen ihnen befindet sich der gleichfalls aus discreten A-n zusammengesetzte unwägbare Äther. Ob nun diese von der Physik geforderten A. an sich, wie es im Worte liegt, wirklich untheilbar sind od. nicht, ob ferner die zwischen den A-n liegenden Zwischenräume leer od. von einem unbekannten Stoff erfüllt sind, sind Fragen, welche außerhalb des Gebiets der Physik liegen. Wenigstens sind die A. durch die in der Physik u. Chemie gegebenen Mittel nicht theilbar od. zerstörbar. Gruppen von A-n bilden sogenannte Molecüle, zusammengesetzte A., welche unter einander in größerer Entfernung stehen, als die A. eines Molecüls u. denen auch in verschiedenen Körpern verschiedene Gestalten zugeschrieben werden, während für die A. hierfür kein Grund vorliegt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 801-802.
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