[125] Albulabahn (Schweiz). Linie der Rhätischen Bahn (s.d.), von Thusis nach St. Moritz. Diese Bahn, die von hervorragendem technischem Interesse ist, wurde in den Jahren 18981904 von Obering. Prof. Dr. Hennings erbaut und bildet die erste Bahnverbindung mit dem Engadin.
Als die Rhätische Bahn im Sommer 1896 ihr Bahnnetz von Landquart bis Thusis ausgedehnt hatte, entwickelte sich ein überaus großer Verkehr nach diesem Ausgangspunkt der Albula- und Splügenstraße und da die Reibungsbahn mit 1 m Spurweite auf den bisherigen Linien sich allen Anforderungen des Verkehrs gewachsen gezeigt hatte, wurde durch Abstimmung des Volkes des Kantons Graubünden vom 20. Juni 1897 der Ausbau des Netzes mit Staatsunterstützung beschlossen. Die Linien Thusis-St. Moritz sowie Reichenau-Ilanz sollten zuerst hergestellt werden. Am 30. Juni 1898 beschloß die schweizerische Bundesversammlung einen Beitrag von 8 Mill. Fr. zum Bau dieser Linien.
Es wurden so zu ihrem Bau 15,850.000 Fr. in Aktien und sodann weitere 10,150.00 Fr. durch ein vom Kanton übernommenes Anleihen erster Hypothek, zusammen 26 Mill. Fr. aufgebracht. Infolge vergleichender Studien von Obering. Dr. Moser in Zürich über die Eignung der beiden Pässe der Albula und des Julier für eine Alpenbahn entschied sich der Verwaltungsrat der Rhätischen Bahn am 29. November 1897 für die A., u.zw. infolge weiterer Sudien desselben Ingenieurs für eine Linienführung mit den Höchstneigungen von 25‰ auf der Strecke Thusis-Filisur und von 35‰ auf der Strecke Filisur-Bevers. Die Karte (Taf. I) zeigt die Linienführung der Rhätischen Bahn im allgemeinen und der A. im besonderen. Die Länge der A. beträgt 61∙752 km, davon liegen 57∙7% in der Geraden und 42∙3% in Krümmungen. Der geringste Halbmesser beträgt 120 m. Nur ausnahmsweise bei Tiefencastel und am Landwasserviadukt ging man auf 100 m herab, wobei gleichzeitig die Steigung um 5‰ ermäßigt wurde. Die horizontalen Strecken betragen 10∙6%, die geneigten 89∙4% der ganzen Länge. Die mittlere Steigung beträgt auf Thusis-Filisur 16∙6‰, auf Filisur-Bevers 27∙2‰, auf Bevers-St. Moritz 11∙2%. Die größte Stationsentfernung zwischen der Ausweich- (Dienst-) Station Muot und Preda ist 6518 m. Die Höhenlage der Ausgangsstation Thusis ist 700∙5 m ü. M. Der höchste Punkt der ganzen Bahn befindet sich im Albulatunnel auf 1825∙36 m ü. M.; die Endstation St. Moritz liegt 1778 m ü. M., wie aus dem Längenschnitt des näheren ersichtlich ist (Abb. 125).
Unmittelbar nach der Station Thusis beginnt die Bahn mit 25‰ zu steigen und wendet sich nach links, um den Hinterrhein auf einer 80 m weiten Eisenkonstruktion und 9 anschließenden Gewölbebogen von 1115 m Weite zu überschreiten (Abb. 126). Die Fahrbahn der eisernen Brücke befindet sich 22 m über Niederwasser. Die Eisenkonstruktion ist eine Fachwerkbrücke mit Fahrbahn oben und gerader oberer, gekrümmter unterer Gurtung.
Während an dieser Stelle die Verhältnisse eine Eisenbrücke erforderten, kommen in der übrigen Bahnanlage nur noch einige kleinere eiserne Brücken an solchen Stellen vor, wo die Konstruktionshöhe sehr gering ist. Alle übrigen Kunstbauten sind als Gewölbe ausgeführt, die aus den trefflichen Bausteinen des Bahngebietes hergestellt werden konnten, und sowohl wegen ihrer Bau- und Unterhaltungskosten als auch wegen ihrer Anpassung an die umgebende Gebirgswelt den eisernen Brücken weitaus vorzuziehen waren. Überdies dürfte damit der Frage künftiger Brückenverstärkungen bei dem unvermeidlichen Anwachsen der beweglichen Last am gründlichsten vorgebeugt worden sein.
Von der malerisch gelegenen Ruine »Campi« ab folgt bis zur Station Solis eine fortlaufende Kette von Mauern, Viadukten und Tunneln. Die bedeutendsten sind die Übergänge über das Lochtobel mit 5 Gewölben von 16 m Weite und über das Muttnertobel mit einem 30 m weiten Halbkreisgewölbe. Bemerkenswert sind auch die Sicherungsbauten in den Wildbächen des äußeren und inneren Cugnielertobels.
Nach der Station Solis folgt die »Solisbrücke« (Abb. 127 u. 129). Dieser Talübergang besteht aus einem Halbkreisbogen von 42 m Durchmesser und 10 anschließenden Gewölbebogen[125] von 810 m Weite, durch deren ersten und letzten die Albulastraße geführt ist. Der gewaltige Hauptbogen, aus schönem dunklem Kalkstein musterhaft aufgebaut, erhebt sich 80 m über den grünen Wassern der Albula und gewährt eingerahmt von den trotz der Schroffheit bewaldeten Felshängen einen sehr malerischen Anblick. Von den folgenden Stationen nennen wir Tiefencastel 887 m ü. M. und Alvaneu 1002∙5 m ü. M. Die Albulastraße wird mehrfach gekreuzt, um schließlich auf der Talseite rechts der Bahn, zu bleiben bis weit oberhalb Preda.
Das Schmittentobel, km 62∙6 ab Landquart, erforderte einen gewölbten Viadukt von 7 Öffnungen von 15 m Weite, der 137 m lang ist und 35 m über dem Wasser liegt. Dann folgt ein Felseinschnitt, ein 26 m langer Felstunnel, ein Viadukt von 2 Öffnungen von je 8 m, wiederum ein Felseinschnitt und dann der große Landwasserübergang (Abb. 128). Dieser enthält 6 Halbkreisgewölbe von 20 m Weite, ist 130 m lang und liegt 65 m über dem Wasserspiegel. Zwischen Felsen eingespannt, trägt der Viadukt an seinem Ende in hoher, schroffer, schwarzer Felswand das Portal des nun folgenden 216 m langen Tunnels. Der ganze Übergang ist in einem Halbmesser von 100 m und in einer Steigung von 20‰ angelegt.
Kurz nach dem Landwassertunnel folgt die Station Filisur, deren Höhenlage 1083∙5 m ü. M. durch den Anschluß der Bahn von Davos gegeben war. Der Höhenunterschied zwischen Filisur und der nachfolgenden [126] Station Bergün beträgt rund 292 m und es bedarf zur Ersteigung dieser Höhe mit 35‰ einer Bahnlänge von 8∙34 km. Da nun aber die direkte Tallänge nur 7∙5 km mißt und aus Betriebsrücksichten zwischen Filisur und Bergün überdies noch eine Ausweichstelle mit ermäßigtem Gefälle einzuschalten und in langen Tunneln das Gefälle ebenfalls zu ermäßigen war, so ergab sich zwischen diesen beiden Stationen die Notwendigkeit einer künstlichen Bahnverlängerung von etwa 1200 m. Der vorhandenen Talstufe beim Bergünerstein und dem allgemeinen Trassierungsgrundsatz, stets möglichst nahe dem Talboden zu bleiben, hätte es nun entsprochen, die Entwicklungsschleife am Bergünerstein anzulegen. Es zeigte sich aber daß eine Entwicklung in dem Gelände unmittelbar oberhalb Filisur mit geringerer Tunnellänge ausführbar war als am Bergünerstein und daß die dann folgende, durch die Schleife von etwa 40 m höher gelegte Strecke, insbesondere[127] an der Ausweichstelle Stuls, in ein günstigeres Gelände gelangte (Abb. 130). So wurde unter Benutzung der beiden kleinen Seitentäler, zwischen denen die Ruine Greifenstein aufragt, und mit Hilfe des Greifensteintunnels und des Schloßbergtunnels, zusammen mit einer Tunnellänge von 754 m, die erforderliche Entwicklungsschleife von 1200 m gewonnen.
Auf der Strecke zwischen Filisur und Bergünerstein finden wir 8 Viadukte von 316 m Gesamtlänge und einschließlich der Schleife bei Filisur 11 Tunnel, zusammen 1806 m lang. Der letzte, der 333 m lange Glatscherastunnel ist erst während des Betriebs, in der Zeit vom 9. September 1903 bis 28. Januar 1904, also in 144 Tagen, ganz[128] in gewachsenem Fels hergestellt worden, weil die vorgelagerte Schutthalde, in der die Bahn hier zuerst angelegt war, kurz vor der Bahneröffnung ins Rutschen geriet und die sonst von Erfolg begleiteten Befestigungsarbeiten infolge von andauerndem Regenwetter in der zweiten Sommerhälfte in ihrer Wirkung wieder stark bedroht worden waren (Abb. 131).
Zwischen Bergün und dem Albulatunnel (Abb. 132) beträgt das Talgefälle 77%, das Bahngefälle von 35‰ erforderte daher eine starke Längenentwicklung. Diese beträgt 12∙5 km; die künstliche Entwicklung mußte 6 km lang sein. Die Entwicklungsschleifen konnten so gelegt werden, daß Lawinen und Steinschlägen tunlichst ausgewichen wurde. Diese Schleifen bilden zwei Gruppen. Die erste befindet sich gleich oberhalb Bergün und besteht in einer Doppelschleife, indem die Linie zuerst dem Haupttal folgt, dann in den 486 m langen Godtunnel zurückführt, bis sie an die Hänge des Val Tuors gelangt und nun in dem Platztunnel von 262 m Länge neuerdings kehrend sich am Hange des Albulatales hoch hinaufzieht(Abb. 133 u. 134). In dieser Strecke liegen 3 Viadukte von 42,72 und 70 m Länge. Die zweite Entwicklungsgruppe beginnt 3∙3 km nach dem Platzkehrtunnel.
Zwischen den beiden Entwicklungsgruppen liegt zunächst der Tischbachviadukt, 100 m lang und 40 m hoch, ein kleiner Tunnel von 34∙5 m Länge und die 117 m lange gemauerte Chanelettagalerie. In dem Zwischenraum zwischen diesen beiden Strecken liegen oberhalb der Bahn, bis zur Höhe von 2300 m hinauf, sehr umfangreiche Schutzbauten gegen die in dieser Gegend alljährlich abgehenden zahlreichen Lawinen (Abb. 135). Die Schutzbauten sind wegen ihres allgemeinen Nutzens mit Unterstützung der Eidgenossenschaft ausgeführt und übertreffen an Ausdehnung alle anderen Lawinenabbauten der Schweiz.
Nach der Chanelettagalerie folgt die Ausweichstelle Muot, darauf ein 53 m langer Tunnel, der später durch eine 12∙7 m lange[129] Galerie verlängert ist und nun beginnt die zweite Bahnentwicklung mit einem Talübergang über die Albula, nach dem die Bahn an ihrem linken Ufer in den 661 m langen Rugnuxtunnel eintritt, um bald nachher abermals das Albulatal zu übersetzen. Es folgt ein zweiter Spiraltunnel, ein dritter Albulaviadukt, eine Halbkreiswendung in offener Bahn, mit einer gemauerten Lawinengalerie am linken Ufer, an die sich eine vierte Albulabrücke anschließt, worauf noch einmal die Hebung der Bahn in einem dritten Spiraltunnel stattfindet und damit ist die Höhe gewonnen, von der in einfacher Linie die Station Preda erreicht werden kann.
Die Entwicklungsanlage der Bahn gehört zu den großartigsten Leistungen der modernen Technik des Eisenbahnbaues. Die ganze Strecke hat, ohne die Schutzgalerien, 2709 m Tunnel und 9 Viadukte mit 676 m Gesamtlänge. Außerdem sind 2 Lawinenschutzdächer aus Eisen und verschiedenen Lawinenablenkungen hergestellt, unter denen die am Val Rots die größte ist.
Der 5864∙5 m lange Albulatunnel beginnt bei km 85∙818 ab Landquart, u. zw. am Ende der Station Preda und endet bei km 91∙683 am Anfang der Station Spinas. Vom Eingangsportal an steigt die Bahn zuerst 100 m lang mit 5‰, dann 3086 m lang mit 10‰ und fällt hierauf 2679 m lang mit 2‰ gegen Spinas. Der Tunnel durchfährt von Preda gegen Spinas 1095∙5 m Kalk- und Tonschiefer der Trias, 111 m Zellendolomit, 52 m Casannaschiefer, 4346 m Albulagranit, 92 m Grundmoräne und 168 m feinen Granitsand mit großen Findlingen.
Die erste Triangulation zur Bestimmung der Tunnelachse war vom Ing. R. Wildberger in Chur ausgeführt, der auch die erste provisorische Absteckung der Achse über den Berg gemacht hatte. Auf dem topographischen Bureau in Bern wurde die Kontrollberechnung der Anschlußsignale und der neuen Signale vom Ing. Oberst Reber durchgeführt, der auch während des Baues die Hauptkontrolle der Richtungsangaben im Tunnel ausübte. Die letzte Triangulation zur Tunnellängenbestimmung wurde vom Sektionsgeometer W. Graf vorgenommen, der dann zusammen mit Ing. Reber die definitive Achse über den Berg absteckte und im Tunnel während des Baues die Achsabsteckungen besorgte.
Beim Durchschlag ergab sich eine Abweichung in der Länge von 1∙15 m (Verkürzung), in der Richtung von 0∙05 m, in der Höhe von 0∙048 m.[130]
Am 15. Oktober 1898 wurde der Richtstollen des Tunnels auf beiden Seiten in Angriff genommen. Am 15. Februar 1899 übernahmen Ronchi & Carlotti (später Ronchi & Majoli) die Ausführung des Tunnels. Infolge von Bauschwierigkeiten traten dann diese am 1. April 1901 von dem Unternehmen zurück und von diesem Tage an wurde der Bau des Tunnels von der Bahngesellschaft im Selbstbetrieb fortgesetzt und vollendet. Am 29. Mai 1902 fand der Durchschlag 3030∙5 m vom Nordportal aus statt und wurde am 9. Juni festlich begangen. Am 15. April 1903 war der Oberbau im Albulatunnel gelegt.
Das Tunnelprofil ergibt bei 5 m Höhe und 4∙5 m Breite einen Lichtraum von 19∙91 m2 gegen 23∙2 m2 des Simplons und beträgt also 86% davon (Abb. 136). Das Gewölbe ist als Halbkreis konstruiert; die Widerlager haben 1/20 Anlauf. 30% der Tunnellänge blieben ganz ohne Verkleidung, ohne Gewölbe blieben 16∙3% der gemauerten Strecke, mit Gewölbe 0∙3 m stark 23%, 0∙45 m stark 52% und 0∙55 bis 0∙75 m stark 8∙7% der gemauerten Strecke.
Für den Bau war Sohlenstollenbetrieb von vornherein in Aussicht genommen, mit Brandtscher Maschinenbohrung, unter Benützung der nahe liegenden Wasserkräfte (Abb. 137). Auf der Nordseite waren im strengsten Winter 140 P.S., auf der Südseite 100 P.S. vorhanden, auf der Südseite außerdem 2 Lokomobile von je 25 P.S. Auf der Nordseite hat, wie es scheint, ein Teil des Niederschlagwassers sich direkt in den Tunnel ergossen, auf der Südseite ergab sich, daß im Februar 1902 1 km2 Niederschlagsgebiet statt der gerechneten 6 nur 4 Sek./l Wasser lieferte. In der stärksten Bauperiode brauchte man auf jeder Seite für 3 gleichzeitig arbeitende Bohrmaschinen bei 100 Atm. Druck 80 P.S., für 3 Ventilatoren bei 3000 m Leitungslänge etwa 30 P.S., für die Werkstätten 25, zusammen also 135 P.S. In Preda war überdies elektrische Beleuchtung der Werkplätze, Werkstätten und Beamtenwohnungen eingerichtet, die 15 P.S. erforderten.
Die Lüftung wurde durch drei hintereinander gekuppelte Ventilatoren von 1∙5 m Durchmesser bewirkt, die bei 3000 m Leitungslänge und 1550 Touren in der Minute durch eine schmiedeeiserne Röhre von 350400 mm Weite zum Schluß noch mindestens 1 m3 Luft in der Sekunde vor Ort brachten. Zwei Drittel der Lüftungsröhren hatten eine Lichtweite von 350 mm, der später angeschaffte Teil erhielt 400 mm Durchmesser und wurde, unter Auswechslung der engeren Röhren, in den fertigen Tunnelstrecken verwendet. Hierdurch wurde eine erhebliche Kraftersparnis erzielt.
Auf beiden Seiten des Tunnels entstand eine Wohnkolonie mit Bad, Spital, Gottesdienst, Schule, Post u.s.w. Die größte Arbeiterzahl des Albulatunnels war im Juli 1902 vorhanden, nämlich auf beiden Seiten zusammen 1316 Mann, von denen im Tunnel 984, im Freien 332 beschäftigt wurden.
Beim Tunnelbau begegnete man auf der Nordseite besonders großen Schwierigkeiten, als man Ende Mai 1900 bei 1100 vom Nordportal den Zellendolomit erreichte. Von Anfang Juni 1900 bis Ende August 1901, also 15 Monate lang, wurde die Maschinenbohrung unterbrochen. Am 29. Juli 1900 brach eine gewaltige Wassermasse in den Tunnel ein und brachte so große Massen feinsten Dolomitsandes mit sich, daß das Gleis und die ganze Stollensohle auf 500 m Länge damit bedeckt[131] wurden. In 21/2 Monaten kam man nur um 6∙3 m vorwärts. Der Sohlstollen war zum Stillstand gekommen. Da anzunehmen war, daß er immerhin die Sandüberlagerung teilweise entwässert hatte, wurde nun versucht, den Firststollen bis zum Casannaschiefer vorzutreiben und dies gelang.' Mit einem mittleren Tagesfortschritt von 0∙25 m erreichte man am 15. April 1901 bei 1210 vom Nordportal das sichere Ufer des Casannaschiefers. Die wasserreiche Strecke war 600 m lang; im schwimmenden Gebirge befand sich der Tunnel nur auf 18 m Länge. Am 25. August 1901 begann neuerdings die Maschinenbohrung.
Auf der Südseite erwies sich auf der Eingangsstrecke im Sand mit großen Findlingen infolge Wasserzutrittes der Bau ziemlich schwierig. Am 19. November 1899 gab der Einbau der beiden letzten Ringe nach und fiel auf eine Länge von 12 m zusammen, wobei sich der Einbruchstrichter bis an die Erdoberfläche, etwa 25 m hoch, ausdehnte. Die Wiederherstellung wurde von der Bauleitung, jedoch auf Kosten der Unternehmung, durchgeführt, nahm 4 Monate in Anspruch und war Ende Juli 1900 ohne Zwischenfälle beendet.
Indessen hatte der Firststollen bei 170 vom Südportal im März 1900 feste Grundmoräne erreicht. Von hier zeigten sich keine weiteren Schwierigkeiten. Bei 260 vom Südportal wurde der Granit angefahren und am 17. Oktober 1900 begann bei 323 die Bohrung mit zwei Maschinen. Die Unternehmung hatte jedoch infolge der Schwierigkeiten auf beiden Seiten des Tunnels den Mut verloren. Die Verwaltung übernahm nunmehr, nach Verständigung mit den Unternehmern, am 1. April die Bauten in Selbstbetrieb und stellte sie unter die Leitung von Ing. R. Weber (Zürich). Aufseher und Arbeiter wurden durch ein System von Prämien ins Interesse gezogen, was außerordentlich günstige Ergebnisse zur Folge hatte.
Als am 25. August 1901 die Maschinenbohrung auf der Nordseite im Granit bei 1260 in Angriff genommen wurde, war man auf der Südseite bis 1485 gelangt. Die dazwischen liegenden 3120 m Stollen wurden in 278 Kalendertagen vollendet. Der mittlere Fortschritt an jedem Kalendertag betrug während dieser Zeit auf der Nordseite 6∙37 m, auf der Südseite 4∙85 m.
Der größte Tagesfortschritt im harten Granit hat betragen:
Nordseite | Südseite | |
im Monatsdurchschnitt | 7∙28 m | 5∙77 m |
an einem einzelnen Tage | 9∙30 m | 8∙00 m |
Die auf der Nordseite erzielten Ergebnisse der Maschinenbohrung sind in hartem Gestein bisher wohl nicht übertroffen.
[132] Im Jahre 1902 ist fast die Hälfte der ganzen Tunnellänge hergestellt worden.
Bei dem Baubetrieb ist der Übergang zur Methode des Firstschlitzes statt der Herstellung eines selbständigen Firststollens, der vom Tunnelbauleiter Weber eingeführt wurde, bemerkbar. Die Arbeit wurde dadurch wesentlich billiger und einfacher gestaltet. Die Methode besteht in einer zweimaligen Erhöhung des Sohlenstollens, wodurch ein Schlitz bis zur Tunneldecke hergestellt wird (Abb. 138 u. 139).
Beim Betrieb des Tunnels hat sich gezeigt, daß die natürliche Lüftung so wirksam ist, daß künstliche Lüftungseinrichtungen entbehrlich sind.
Die Kosten der Unfallpflege sind in eigener Verwaltung durch einen Aufwand von 81/2% der Löhne bestritten worden.[133]
In der im Selbstbetrieb ausgeführten Strecke kostete das laufende Meter:
Installationen und Inventar | 121 Fr. |
der Richtstollen von 5∙5 m2 | 209 Fr. |
(oder 38 Fr. der m3 Ausbruch) | |
der Tunnelausbruch ohne den | |
Richtstollen, 23∙5 m2 | 447 Fr. |
die Gesamtkosten der ungemauerten | |
Strecken | 1090 Fr. |
(oder 40 Fr. der m3) | |
der gemauerten Strecken | 1218 Fr. |
Die Gesamtkosten des ganzen Tunnels haben 7,183.000 Fr. oder 1225 Fr. für den m betragen.
Vom Ausgang des Tunnels bis nach St. Moritz sind es noch 11∙25 km. Die Bahn tritt bald aus dem Tale der Beverin in das des Inn und erreicht zunächst Samaden, von wo die Linie nach Pontresina abzweigt. Samaden besitzt eine Reparaturwerkstätte. Am 1. Juli 1903 wurde die A. nur bis Samaden eröffnet, weil die Stationslage in St. Moritz lange streitig war, was die Bahneröffnung bis St. Moritz verzögerte. Diese fand dann am 10. Juli 1906 statt.
Von der ganzen Baulänge ohne Albulatunnel liegen 10∙372 km oder 18∙5% im Tunnel. Von der ganzen offenen Linie nimmt die Gesamtlänge der Viadukte 3015 m oder 6∙6% ein.
Die Arbeitsmengen auf das km freier Bahn betrugen auf der Nordrampe 30.000 m3 Erd- und Felsbewegung, 448 m3 Mörtelmauern, 2030 m3 Trockenmauern und 2260 m3 Mauerwerk der Kunstbauten.
Die Gesamtkosten des Unterbaues ohne den Albulatunnel haben bis Ende 1905 betragen 11,643.865 Fr. oder 208.380 Fr. für das km.
Für den Oberbau wurden Schienen von 25 und von 27 kg/m, 12 m Länge auf 16 Querschwellen ruhend verwendet. Er kostete 26.700 Fr. im das km Bahn. Die Hochbauten kamen auf 18.400 Fr. für das km, Telegraph, Signale, Einfriedung auf 2000 Fr für das km und das Rollmaterial auf 23.300 Fr. für das km zu stehen. Zu letzterem gehören 40 Lokomotiven, darunter 14 Maschinen mit 4 Triebachsen und 1 vorderen Laufachse nebst einem Schlepptender als letzter Typ (Abb. 140). Größte Achsbelastung 10∙67 t. Ferner 130 zweiachsige Personenwagen mit zusammen 4525 Sitzplätzen, 425 Güterwagen, 1 Hilfswagen.
Die Baukosten der ganzen Bahn betrugen bis Ende 1905 25,811.000 Fr. oder 417.000 Fr. für das km. Es wurde damit unter größter Sparsamkeit ein Werk von hervorragender internationaler Bedeutung geschaffen.
Literatur: Vor allem zu erwähnen ist: Projekt und Bau der A. Denkschrift im Auftrage der Rhätischen Bahn, zusammengestellt von Prof. Dr. F. Hennings, s. Z. Obering. der Rhätischen Bahn, der auch die vorstehenden Ausführungen entnommen wurden. Sodann Schweiz. Bauztg. Bd. XXXVIII (1901), S. 5. u. 13, Die neuen Linien der Rhätischen Bahn von Obering. Hennings; Bd. XXXIX (1902), S. 266, Beschreibung der Durchschlagsfeier des Albulatunnels; Bd. XL (1902), S. 284, Einiges über die Tunnelabsteckungen von W. Graf, Sektionsgeometer; Bd. XLII (1903), S. 130.
Dietler.
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