Bauleitung

[12] Bauleitung (supervision of construction; direction des travaux; direzione dei lavori), einerseits die systematische Tätigkeit sämtlicher zur Einleitung, Durchführung und Überwachung eines Eisenbahnbaues seitens des Bauherrn bestellten Organe, anderseits die Gesamtheit dieser Organe.

Die B. im ersteren Sinne umfaßt somit sämtliche auf die Herstellung einer Eisenbahn bis zu ihrer Übergabe an den Betrieb abzielenden Verwaltungs-, Entwurfs- und Vermessungsarbeiten, insbesondere die vorläufigen und ausführlichen Vorarbeiten, soweit sie nicht schon ganz oder zum Teil von andrer Seite vor Errichtung einer bauleitenden Dienststelle bewirkt wurden, den Entwurf eines Arbeitsplans (s. weiter unten), die Einleitung und Anordnung des Baues nach diesem Plan, die örtliche Überwachung der Bauausführung in bezug auf die Einhaltung der genehmigten Regelpläne (Normalien), Werkzeichnungen, behördlichen und sonstigen baulichen Vorschriften und in bezug auf die Sicherheit und Wohlfahrt der Arbeiter, ferner die Beschaffung der Betriebsmittel und sonstigen Ausrüstungsgegenstände sowie die Verrechnung der Baukosten (s.d.).

Die Einrichtung der B. im zweiten Sinne ist teils von dem Umfang des Baugeschäfts, teils von dem gewählten Bausystem (s.d.) abhängig; die Organe der B. sind bei Staats- und Privatbauten ziemlich gleichartig.

Führt die B. den ganzen Bau in eigener Verwaltung aus, d.h. tritt sie unmittelbar als Arbeitsgeber gegenüber dem einzelnen Arbeiter auf (Regiebau), so obliegen ihr weit vielseitigere Aufgaben und ihre Einrichtung wird umständlicher, als wenn zwischen B. und Arbeiter ein Mittelglied eingeschoben und die eigentliche Bauausführung einem Bauunternehmer übertragen wird. Die Vergebung des Baugeschäfts an einen Unternehmer gegen Bezahlung der wirklichen Leistung auf Grund von Nachmaß und Einheitspreisen bedingt zwar ebenfalls, daß seitens der B. alle Vorarbeiten bis ins einzelne vollendet, der Grunderwerb sowie eine sorgfältige Bauüberwachung und Aufnahme der Leistungen durchgeführt werden; allein dadurch, daß der B. nicht mehr der unmittelbare Verkehr mit den Arbeitern, die Beschaffung der Baustoffe u.s.w. zufällt, kann sie mit weniger Personal als beim Bau in eigener Verwaltung auskommen, und kann ihre ganze Kraft und Sorgfalt der technischen Durchbildung aller Einzelheiten der Bahnanlage und der Überwachung der Bauausführung zuwenden. Am einfachsten gestaltet sich die Einrichtung der B. bei der jetzt in Europa nur mehr selten in Anwendung kommenden Vergebung der Gesamtarbeiten und Beschaffungen im Pauschalvertrag, die oft schon auf Grund eines allgemeinen Entwurfs und einer Baubeschreibung erfolgt und wobei dem Unternehmer[12] (Generalbauunternehmer) meist auch ein gewisser Einfluß auf die Gestaltung der Bahnanlage innerhalb bestimmter Grenzen oder im Rahmen der Konzessionsbedingungen eingeräumt wird. Da hierbei dem Unternehmer ein großer Teil der sonst der B. überwiesenen Aufgaben zufällt, hat sich die B. hauptsächlich mit der Aufstellung des allgemeinen Entwurfs, der Baueinleitung und der Bauaufsicht zu befassen, kann daher auch in sehr einfacher Weise ausgestaltet werden.

Der Natur des Baugeschäfts entsprechend ist die Aufgabe der B. teils eine technische, teils eine administrative; hierauf ist auch bei der Einrichtung des Baudienstes Rücksicht zu nehmen.

Handelt es sich um die Herstellung eines größeren Eisenbahnbaues durch den Staat oder eine Privatgesellschaft, so wird für die Entwurfsarbeit, Ausführung und Abrechnung des Baues eine eigene Behörde oder Dienststelle (Baudirektion, Baukommission, Bauabteilung) errichtet, an deren Spitze stets ein Techniker als Bauleiter oder Baudirektor (superintendent of works, ingénieur en chef, direttore dei lavori) steht, dem die unmittelbare Leitung aller technischen, Verwaltungs- und Rechtsgeschäfte zufällt.

Der Baudirektor ist bei Staatsbauten meist dem mit der Verwaltung der Staatsbahnen betrauten Ministerium, bei Privatbauten dem Verwaltungsrate (Aufsichtsrate) der Gesellschaft unmittelbar unterstellt und verantwortlich und hat seinen vorgesetzten Stellen je nach der ihm eingeräumten Machtbefugnis mehr oder weniger eingehende Berichte zu erstatten. Ihm obliegen die organisatorischen Arbeiten hinsichtlich des Baudienstes, die Aufstellung allgemeiner Grundzüge für die Einzelgestaltung, Ausführung und Abrechnung des Baues, Regelentwürfe, Verdingungs- oder Bedingnishefte, Baubeschreibungen u.s.w.), die Einholung von Angeboten, die Vergebung der Arbeiten und Lieferungen (bei großem Umfange nach vorheriger Genehmigung durch die vorgesetzte Stelle), die oberste Überwachung der Arbeiten seiner Hilfskräfte und schließlich die endgültige Austragung des ganzen Baugeschäfts.

Die Baudirektion erhält in der Regel die folgende – den hauptsächlichsten bei Herstellung einer Eisenbahn in Betracht kommenden Geschäftsgruppen entsprechende – Gliederung in Abteilungen (Bureaus) mit je einem Oberbeamten (Oberingenieur, Bureauvorstand) an der Spitze:

1. Sekretariat mit Hilfsämtern für die Kanzleigeschäfte, Rechtsbureau, Grunderwerbsbureau; 2. Rechnungsbureau für die Besorgung des Rechnungs- und Kassenwesens; 3. Unterbaubureau; 4. Brückenbureau für die Bearbeitung der Brückenentwürfe und Aufstellung der Brückenbücher (s.d.); 5. Oberbaubureau, dem auch die Bearbeitung der mechanischen und der Telegrapheneinrichtung zufällt, wenn nicht für Sicherungsanlagen und elektrotechnische Anlagen ein besonderes Bureau errichtet wird, das auch die Telegraphen- und Telephoneinrichtungen zu bearbeiten hätte; 6. Hochbaubureau und 7. ein Bureau für die Beschaffung der Fahrzeuge.

Bei sehr bedeutenden Baugeschäften tritt eine noch weitergehende Gliederung der Baudirektion sowohl hinsichtlich der administrativen als auch der technischen Fächer ein, umgekehrt können bei kleineren Bahnbauten verschiedene der oben getrennt angegebenen Geschäfte einem Bureau gemeinsam zugewiesen werden. Wenn bereits bestehende Bahnverwaltungen neue Bahnen herstellen, kann ein Teil der Verwaltungstätigkeit sowie die Beschaffung der Fahrzeuge vorteilhafter durch die bei der betreffenden Verwaltung ohnehin bestehenden Fachabteilungen besorgt und der Baudienst dementsprechend einfacher gegliedert werden.

Den einzelnen Abteilungen der Baudirektion wird eine dem Umfange des Baugeschäfts entsprechende Zahl von technischen und administrativen Beamten zugewiesen. Bei Besetzung der einzelnen Stellen ist, wenn es sich nicht um schon vorhandenes Personal handelt, von dem Grundsatz auszugehen, lieber wenige, aber umso tüchtigere Beamte anzustellen, sie gut und ihren Leistungen entsprechend zu bezahlen, sie durch Aussetzung von Belohnungen (Prämien), Zusicherung von Gewinnanteilen (Tantiemen) u.s.w. an dem günstigen Erfolge des Baues zu beteiligen und zu möglichst sparsamer Gebarung anzuspornen.

Das rechtskundige und Verwaltungspersonal hat die mit dem Bau zusammenhängenden Geschäfte öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Natur, die Personalangelegenheiten, Wohlfahrtseinrichtungen u.s.w. zu besorgen.

Dem technischen Personal der Baudirektion obliegt hauptsächlich die Aufstellung von Regelplänen oder Regelentwürfen (Normalien), die die Ausarbeitung der Einzelentwürfe erleichtern und eine gewisse Einheitlichkeit der letzteren gewährleisten, die Überprüfung der von den äußeren Dienststellen erstatteten Vorlagen, die Aufstellung der allgemeinen Einzelentwürfe für größere Bauwerke, wie Brücken, Hochbauten, Fahrzeuge u.s.w., die Zusammenstellung aller von der Strecke eingehenden Berichte und deren Vorlage an die vorgesetzte Stelle, die regelmäßig[13] wiederkehrende örtliche Überwachung der Tätigkeit des Streckenpersonals, die Durchsicht aller Rechnungen, die Anweisung der Verdienstbeträge, Überprüfung der Schlußrechnungen u.s.w.

Die von der Baudirektion aufzustellenden Regelpläne, Regelentwürfe, Normalien oder Typenpläne haben in erster Linie die von Staats wegen festgesetzten allgemeinen Grundsätze, die besonderen technischen Bestimmungen der Genehmigungsurkunde und im Gebiet des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen die von ihm herausgegebenen Technischen Vereinbarungen einzuhalten (s. Bauentwurf); sie müssen klar und bestimmt die Grundzüge und Grenzen andeuten, die der ausführende Ingenieur beim Entwurf und bei der Durchführung der einzelnen Bauten zu beachten hat, ohne daß sie sich in Einzelheiten verlieren dürfen; sie müssen vielseitig anwendbar und ausbildungsfähig sein, möglichste Vereinfachung und Vereinheitlichung der Entwurfsarbeit anstreben, dem ausführenden Ingenieur jedoch immerhin genügend Spielraum für sein eigenes schöpferisches Denken und für eigenes Handeln bei der Anpassung der allgemeinen Grundsätze an besondere Einzelfälle und ihre Erfordernisse lassen. Die Regelentwürfe sollen gleichzeitig Einzelpläne bilden für alle Bauwerke und Gegenstände, die unter gewöhnlichen Verhältnissen, also in der Mehrzahl der Einzelfälle im Interesse einer einheitlichen Gestaltung und leichten Erhaltung gewisser Anlagen gleichartig hergestellt und in größeren Mengen beschafft werden können, wie z.B. die Tischler- und Schlosserarbeiten. Ebenso sollen die Regelpläne für Hochbauten und Brücken vollkommene Werkzeichnungen darstellen. Die Regelentwürfe sollen, um eine wirtschaftliche Gestaltung der Bahnanlage zu ermöglichen, nicht schablonenhaft verfaßt werden, sondern müssen dem Charakter der Gesamtanlage, den örtlichen Verhältnissen, den verfügbaren Baustoffen u.s.w. soweit angepaßt werden, als es die von den Behörden gestellten Bedingungen sowie die Betriebs- und Sicherheitsrücksichten erlauben. Der richtige Entwurf der Normalien ist geradezu ein Prüfstein für die Fähigkeit der B.

Die weitere Gliederung der B., d.i. die Einrichtung des äußeren Baudienstes (Streckendienst) hängt hauptsächlich von der Länge der Bahn, der Schwierigkeit des Baues und von dem Maße der Selbständigkeit ab, das den äußeren Dienststellen gewährt wird. In der Regel werden für Strecken von 50 bis 100 km Länge eigene der Baudirektion unmittelbar unterstellte Dienststellen (Bauabteilungen, Bauinspektionen, Eisenbahnbauämter, Bauinspektorate, Bauleitungen im engeren Sinn) errichtet und diese zuweilen in Sektionen mit einer Streckenlänge von 25 bis 50 km, letztere wieder nach Bedürfnis in kleinere Unterabteilungen, Lose von 5 bis 10 km Länge, je nach der Schwierigkeit der Bahnlinie gegliedert.

Der einzelnen B. in dem bezeichneten Sinn steht ein Ingenieur als Bauabteilungsvorstand, Abteilungsbaumeister, Bauinspektor oder Bauleiter vor, der der Direktion für alle Arbeiten und Vorkommnisse in seinem Streckengebiet und für die einheitliche Entwurfsarbeit und Herstellung seiner Baustrecke verantwortlich ist. Ihm obliegen im Bereich seiner Strecke die Einzelanordnungen für alle Bauarbeiten. In seinen Wirkungskreis fallen alle Einzelbearbeitungen für die freie Strecke, die Stationen, Bauwerke u.s.w., soweit diese Arbeiten nicht ausdrücklich der Baudirektion vorbehalten sind. Er hat im Rahmen der ihm erteilten Aufträge und bestehenden Vorschriften über die eigentliche Bauausführung Verfügungen zu treffen und hat daher den größten Einfluß auf die sachgemäße, sparsame und dauerhafte Herstellung, auf die rechtzeitige Vollendung des Baues und auf dessen ordnungsgemäße Fertigstellung. Nach dem Umfang seines Wirkungskreises ist ihm technisches und administratives Personal zugeteilt und sein Bureau in ähnlicher Weise wie die Baudirektion, jedoch in kleinerem Umfang, eingerichtet. Ihm untersteht unmittelbar das gesamte Streckenpersonal, außer wenn besondere Sektionen bestehen. In diesem Falle verkehrt er nur mit den Sektionsleitern, die dann die erhaltenen Aufträge an die Bauführer u.s.w. weitergeben und für ihre Durchführung verantwortlich sind.

Wo Bausektionen errichtet sind, fallen den Sektionsleitern (Streckenbaumeistern) innerhalb ihres Wirkungskreises ähnliche Obliegenheiten zu wie dem Bauleiter, jedoch haben sie sich weit mehr mit den örtlichen Vorarbeiten und der unmittelbaren Bauaufsicht zu befassen. Wenn keine B. errichtet und die Bausektionen unmittelbar der Direktion unterstellt sind, entspricht ihr Wirkungskreis dem, der vorstehend für B. angegeben wurde.

Eine sehr wichtige Aufgabe der Bauleitungs-(Sektions-) Vorstände besteht in der Ermittlung der Bezugstellen und der Kosten für die Baustoffe, auf Grund deren unter Beachtung der ortsüblichen Arbeitslöhne und sonstigen örtlichen Verhältnisse die Einheitspreise für den Kostenvoranschlag bestimmt werden.

Wenn Sektionen eingerichtet sind, unterstehen diesen, sonst aber der B. unmittelbar [14] Losbauführungen, Baulose, den Vorständen (Losbauführern, Bauführern) obliegt, mit den ihnen etwa zugeteilten Ingenieuren (Unterbauführern, Bauaufsehern, Bauassistenten, Baueleven u. dgl.) die Ausführung aller während der Entwurfsbearbeitung und Bauausführung vorkommenden zeichnerischen und Feldarbeiten, also – soweit es sich nicht um Arbeiten handelt, die durch Normalien geregelt oder der Baudirektion vorbehalten sind – der Entwürfe der Werkzeichnungen sowie die ununterbrochene örtliche Überwachung der Bauarbeiten und die zur Führung des Baubuches (s.d.) erforderlichen Aufnahmen u.s.w.

Die Errichtung der Losbauführungen erfolgt meist erst kurz vor dem wirklichen Baubeginn, während zur Zeit der Vorarbeiten sämtliche Streckenorgane in der Regel in den Bureaus der B., der Baudirektion oder der Sektionen an der Aufstellung des Entwurfs arbeiten, soweit sie nicht zu Feldarbeiten entsendet werden.

Bei einer gut eingerichteten B. müssen die jedem einzelnen Organ zufallenden Obliegenheiten in besonderen Vorschriften (Geschäfts- oder Dienstanweisungen, Instruktionen) genau abgegrenzt und beschrieben werden. Als Beispiel hierfür diene der unten wiedergegebene Auszug aus den Geschäftsanweisungen der preußischen. Staatsbahnen.

In Deutschland stand, soweit die Eisenbahnbauten durch Gesellschaften ausgeführt wurden, an der Spitze der B. für größere Neubauten in der Regel ein technischer Vorstand, der der gesellschaftlichen Direktion untergeordnet war. Bei Staatsbauten unterstand er der zuständigen Zentralstelle. Wo es sich um sehr umfangreiche Arbeiten, z.B. um die staatliche Durchführung eines förmlichen Eisenbahnbauplans handelte, wurden auch eigene, dem betreffenden Ressortminister unmittelbar unterstellte »Baukommissionen« eingesetzt. So bestand z.B. in Württemberg die Eisenbahnbaukommission vom Jahre 1858, die an Stelle der 1843 errichteten, gleichen Zwecken dienenden Eisenbahnkommission trat, bis 1881 als Unterabteilung der Zentralbehörde für die Verkehrsanstalten, später als solche der Generaldirektion der Verkehrsanstalten. In Bayern wurde 1841 die königl. Eisenbahnbaukommission in Nürnberg errichtet und dem Staatsministerium des Innern unterstellt; 1847 wurde sie nach München verlegt und dem neu errichteten Handelsministerium unterstellt. Ihre Auflösung erfolgte 1860, nachdem sie den Bau von fast 1000 km Staatsbahnen geleitet hatte. Die Verwaltungsordnung für die preußischen Staatseisenbahnen vom 1. April 1895 sieht für besonders umfangreiche Bauausführungen die Einsetzung von eigenen Eisenbahnbaukommissionen vor. In neuerer Zeit beschränken sich die Neubauten naturgemäß auf verhältnismäßig kurze Strecken in dem engmaschigen deutschen Eisenbahnnetz, insbesondere aber auf den Bau großer neuer Bahnhofsanlagen. Infolgedessen ist auch der Neubaudienst auf ein örtlich verhältnismäßig eng begrenztes Gebiet zusammengedrängt und steht überall in engster Beziehung zu der Abwicklung des Betriebsdienstes auf den benachbarten Linien. Diesem Umstände haben sich auch die Einrichtungen des Neubaudienstes bei den großen deutschen Eisenbahnverwaltungen angepaßt.

Bei den preußischen Staatsbahnen versehen den Neubaudienst in Unterordnung unter den Minister der öffentlichen Arbeiten, die Eisenbahndirektionen, denen für die B. Bauabteilungen und Streckenbaumeister unterstehen.

Im folgenden sind auszugsweise aus der Verwaltungsordnung für die preußischen Staatseisenbahnen die wichtigsten Bestimmungen über Einrichtungen und Aufgaben der bauleitenden Behörden und Dienststellen angeführt.


Die Verwaltung der im Bau befindlichen Staatseisenbahnen erfolgt unter der obersten Leitung des Ressortministers durch das Eisenbahnzentralamt in Berlin und durch die Eisenbahndirektionen. Für umfangreiche Bauten können besondere Eisenbahnbaukommissionen errichtet werden. Die Leitung der Neubauausführungen obliegt entweder den Dezernatgruppen für Bahnunterhaltung und Bahnaufsicht bei den Eisenbahndirektionen oder besonders errichteten Bauabteilungen, die entweder selbständige Dienststellen sind oder den Eisenbahndirektionen angegliedert werden.

Nach der Geschäftsanweisung für die Vorstände der Bauabteilungen vom 1. Juli 1910 obliegt diesen die unmittelbare Leitung aller Bauten, zu denen die Geldmittel durch besondere Kreditgesetze oder aus dem außeretatmäßigen Dispositionsfonds bewilligt sind.

Der Vorstand der Bauabteilung hat die Bauausführungen auf Grund der festgestellten Entwürfe und Kostenanschläge nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Geschäftsanweisung und der Finanzordnung sowie der etwa ergehenden besonderen Anordnungen der Eisenbahndirektion verantwortlich zu leiten. Er hat dabei die Gesetze, Verordnungen und Verfügungen, die den Bau der Eisenbahnen und deren Betrieb allgemein betreffen, sowie die baupolizeilichen Vorschriften und allgemeinen technischen Regeln zu beachten und auch auf deren Befolgung durch seine Untergebenen zu halten. Mit der Leitung obliegt dem Vorstande zugleich die Oberaufsicht über die Bauten.

Vor Beginn der Bauausführung hat der Vorstand zu prüfen, ob die festgestellten Entwürfe für die Ausführung bereits völlig klargestellt (»baureif«) sind. Trifft dies nicht zu, so hat er rechtzeitig für eine völlige Klarstellung durch Anfertigung der noch erforderlichen Unterlagen (Einzelplane, Werkzeichnungen, Berechnungen u.s.w.) zu sorgen und erforderlichenfalls[15] an die Eisenbahndirektion zu berichten.

Der Vorstand ist nach Maßgabe der Wirtschaftsordnung persönlich dafür verantwortlich, daß bei der Bauausführung die festgesetzten Entwürfe ohne Genehmigung der Eisenbahndirektion nicht verlassen werden. Erachtet er aus besonderen Gründen Abweichungen von den genehmigten Bauentwürfen und Anschlägen für notwendig und zweckmäßig, so hat er sich zunächst an die Eisenbahndirektion zu wenden und weitere Bestimmung abzuwarten. Nur bei Gefahr im Verzuge oder wenn durch Hinausschieben einer Ausführung größere Nachteile zu erwarten sind, ist hiervon eine Ausnahme zu machen, jedoch der Eisenbahndirektion sofort zu berichten.

Über den Zusammenhang und die Reihenfolge sämtlicher Arbeiten und Beschaffungen ist ein ausführlicher Arbeitsplan – bei neuen Bahnlinien auf Grund des genehmigten Bauausführungsplans – aufzustellen und der Eisenbahndirektion zur Genehmigung vorzulegen. Etwaige Abweichungen von diesem Plan müssen jederzeit begründet werden können. Steht im Fortgang der Arbeiten die Eröffnung des Arbeitszugsbetriebes in Aussicht, so ist rechtzeitig die Herbeiführung der landespolizeilichen Zustimmung dazu bei der Eisenbahndirektion zu beantragen.

Nähert sich der Bahnbau der Fertigstellung, so daß der Zeitpunkt der Betriebseröffnung übersehen werden kann, so ist nochmals zu prüfen, welche Vervollständigungen (z.B. Schneeschutzanlagen, Dienstwohngebäude) noch erforderlich sind. Über das Ergebnis der Prüfung ist der Eisenbahndirektion so rechtzeitig zu berichten, daß gegebenenfalls die Ergänzung des Bauplans noch vor der Betriebseröffnung erfolgen kann.

Der Vorstand hat für die genaue Erfüllung der den Verträgen über Lieferungen und Leistungen zu gründe liegenden Bedingungen zu sorgen und demzufolge über die vorschriftsmäßige Ausführung der Lieferungen, anderseits aber auch darüber zu wachen, daß die Bauten überall nach dem Anschlage sach- und fachgemäß und unter Verwendung geeigneter Materialien ausgeführt werden. Zur wirksamen Durchführung dieser Aufgabe hat er die Vertragsbedingungen auch dem mit der unmittelbaren Leitung und Aufsicht betrauten Personal bekanntzumachen.

Der Vorstand hat ferner darauf zu halten, daß der Unternehmer zur Ausführung von Bauarbeiten, die mit besonderen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden sind, nur erprobte Leute verwendet und daß insbesondere die dabei tätigen Poliere, Schachtmeister und Vorarbeiter jede mögliche Gewähr für eine ordnungsmäßige und sichere Ausführung bieten. Erforderlichenfalls ist die Entlassung der untüchtigen Leute und deren Ersetzung durch tüchtige herbeizuführen.

Ebenso hat der Vorstand darauf zu halten, daß die Rüstungen tüchtig und die erforderlichen Sicherheitsvorrichtungen vorhanden sind. Bei gefahrdrohenden Ausführungen hat er dafür zu sorgen, daß ein mit der Ausführungsweise völlig vertrauter Aufsichtsbeamter während der ganzen Dauer der Gefahr die Arbeiten und die Beobachtung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln überwacht. Nötigenfalls hat der Vorstand selbst diese Überwachung zu übernehmen.

Der Vorstand der Bauabteilung muß auf die größtmögliche Beschleunigung der Bauausführung fortgesetzt bedacht sein, weil diese sowohl zur Förderung des Verkehrs und wirtschaftlichen Hebung der berührten Landesteile, als auch zur baldigen Nutzbarmachung der aufgewendeten Baukosten geboten ist.

Zu diesem Zweck hat er zur baldigen Erlangung der für die Bauausführung erforderlichen Grundstücke sich auch die Förderung der zur Vorbereitung und Durchführung des Grunderwerbs gebotenen Geschäfte angelegen sein zu lassen und den damit befaßten Direktionsorganen durch Rat und Tat an die Hand zu gehen.

Verzögerungen, die sich aus den Fristen des Ausschreibungsverfahrens leicht ergeben können, sind dadurch tunlichst auszugleichen, daß die Unterlagen (ausführliche Entwürfe, Berechnungen, Vertragsbedingungen) so frühzeitig wie angängig beschafft und die einzelnen Bauausführungen bereits hinlängliche Zeit vor ihrer Inangriffnahme ausgeschrieben werden, so daß, nachdem die einzelne Bauausführung möglich geworden ist, auch sofort wirklich mit ihr begonnen werden kann. Selbstverständlich ist hierbei der Stand des Grunderwerbs und der Umfang der erteilten Bauerlaubnis in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Zu demselben Zwecke hat der Vorstand der Bauabteilung die baupolizeiliche Genehmigung für die nach dem Plane zu erbauenden Gebäude sowie der Ansiedlungsgenehmigung für Wohngebäude, die außerhalb einer im Zusammenhang gebauten Ortschaft zu errichten sind, tunlichst frühzeitig einzuholen.

Zur Förderung der Bauausführung muß sich der Vorstand in allen Stücken mit den beteiligten Personen – Grundbesitzern, Unternehmern – sowie mit den Gemeinde-, Ortspolizei- und Kreisbehörden in persönliche Beziehung setzen und sich über streitige Punkte, die zu Widerstand oder Meinungsverschiedenheiten führen können, zu verständigen suchen. Erforderlichenfalls ist unverzüglich die Vermittlung und Entscheidung der Eisenbahndirektion einzuholen.

Bei der Aufstellung sowohl als bei der Durchführung des Arbeitsplanes hat der Vorstand seine Maßnahmen stets so zu treffen, daß diejenigen Arbeiten, deren Vollendung den längsten Zeitraum beansprucht, zuerst und jedenfalls frühzeitig genug begonnen und rasch genug betrieben werden.

Äußerstenfalls ist auch zu erwägen, ob nicht zur Beschleunigung der Betriebseröffnung mit verhältnismäßig geringen Mitteln eine vorübergehende Anlage hergestellt werden könnte, insbesondere dann, wenn planmäßig erforderliche Flächen im Enteignungsverfahren befangen sind und allein dadurch die betriebsfähige Vollendung des Baues verhindert werden sollte.

Der Vorstand hat die Baustrecke tunlichst oft zu begehen. Wichtige Verabredungen und Anordnungen, die dabei mündlich getroffen werden, anderseits bemerkenswerte Vorkommnisse hat er in einem Merkbuche zu verzeichnen, das hierzu zweckmäßig in zwei Abschnitte einzuteilen ist.

Außer dem durch die Wirtschaftsordnung vorgeschriebenen Wirtschaftsrapport hat der Vorstand, sofern dies von der Eisenbahndirektion besonders angeordnet ist, eine einfache bildliche Darstellung über den Fortgang und Stand der Arbeiten, wozu ein vorhandenes Übersichtslängenprofil zu benützen ist, vierteljährlich der Eisenbahndirektion einzureichen.

Der Vorstand der Bauabteilung hat für den ihm obliegenden Verding von Leistungen und Lieferungen die nötigen Vorbereitungen zu treffen[16] und die Submissionen abzuhalten, wobei die allgemeinen Bestimmungen über die Arten der Vergebung und das Verfahren bei Ausschreibungen genau zu beachten sind.

Er ist berechtigt, innerhalb der nachbezeichneten Grenzen die auf Grund genehmigter Kostenanschläge oder besonderer Ermächtigung auszuführenden Leistungen und Lieferungen ohne Vorbehalt der Genehmigung der Eisenbahndirektion zu vergeben, nämlich:

a) freihändig bis zum Betrag von 1000 M.;

b) im Wege der beschränkten Ausschreibung bis zum Betrag von 3000 M.

c) im Wege der öffentlichen Ausschreibung bis zum Betrag von 15.000 M., sofern dem Mindestfordernden der Zuschlag erteilt wird.

Kann bei Unzulänglichkeit der veranschlagten Beträge die Deckung des Mehrbedarfs nur durch Einschränkung des Bauplans erfolgen oder ist eine Überschreitung des Baufonds überhaupt nicht zu vermeiden, so ist der Abteilungsvorstand in keinem Falle zur Erteilung des Zuschlags befugt, vielmehr verpflichtet, der Eisenbahndirektion unter Darstellung des Sachverhalts zu berichten.

Am 1. November jedes Jahres ist der Eisenbahndirektion, sofern von ihr nicht kürzere Termine vorgeschrieben werden, eine Nachweisung der noch unerledigten Verträge mit Angabe, bis wann deren Abwicklung zu erwarten ist, einzureichen.

Der Vorstand der Bauabteilung ist befugt, im Falle des besonderen Bedürfnisses die Berechtigung zur selbständigen Ausfertigung von Bestellzetteln bis zum Betrag von 500 M. dem Streckenbaumeister und bis zum Betrag von 15 M. dem Bauaufseher zu erteilen.

Diejenigen baulichen Anlagen, welche bei Fortsetzung des Baues nicht mehr sichtbar bleiben, sind während der Ausführung in Gegenwart des Unternehmers aufzumessen. Auf Grund dieser Aufnahme sind Revisionszeichnungen, aus denen alle Abmessungen sowie auch ihre Höhenlage gegen die vorhandenen Festpunkte genau ersichtlich sind, anzufertigen; es ist darauf zu halten, daß diese Zeichnungen von dem Unternehmer als mit der Ausführung übereinstimmend anerkannt werden.

Nach Vollendung einer jeden vertraglichen Leistung oder Lieferung und vor Aufstellung der Schlußrechnung hat der Abteilungsvorstand zu prüfen, ob die Ausführung in allen Punkten dem Vertrag entspricht, oder ob etwa noch Abänderungen oder Ersatzlieferungen erforderlich sind. Erst nach Erledigung etwaiger Anstände erfolgt die endgültige Abnahme. Nach der Abnahme ist der Vertrag alsbald abzurechnen und der Schlußrechnung eine von dem Abteilungsvorstand ausgestellte Abnahmebescheinigung beizufügen.

Wird eine Bauabteilung unmittelbar durch die Eisenbahndirektion geleitet, so gehen die dem Vorstande der Bauabteilung obliegenden Geschäfte auf die Eisenbahndirektion über, mit der Maßgabe, daß der Präsident dem bauleitenden Dezernenten unter ausdrücklicher Eröffnung diejenigen Geschäfte, die lediglich technischer und rechnungsmäßiger Natur sind, ein für allemal zur selbständigen Erledigung überträgt, dergestalt, daß auf die Vorlage der Geschäftsstücke beim Eingang verzichtet wird. Der bauleitende Dezernent hat mit dafür zu sorgen, daß diejenigen Geschäftssachen, deren Bearbeitung zu Entscheidungen und Anordnungen von grundsätzlicher Bedeutung oder besonderer Wichtigkeit führt, oder die ihm nicht ein für allemal zur selbständigen Erledigung übertragen sind, dem Präsidenten zur Mitzeichnung vorgelegt oder wie neue Eingänge in den weiteren Geschäftsgang gebracht werden, u. z. w. unter Vorlage eines gegebenenfalls zu erläuternden Verfügungsentwurfs. Die von dem Vorstande der Bauabteilung einzureichenden Rapporte und Berichte sind auch von dem bauleitenden Dezernenten – die letzteren in Form von Niederschriften – vorzulegen. Kassenanweisungen sind sogleich endgültig – falls erforderlich, unter Mitzeichnung des Etatsrates – zu erlassen.

Die Bildung der Bauleitungsdezernate in der Eisenbahndirektion erfolgt mit Genehmigung des Ministers in der dem jeweiligen Bedürfnisse entsprechenden Zahl.

Die in den Fällen des Erfordernisses zur örtlichen Überwachung von Bauausführungen dem bauleitenden Dezernenten zugeteilten technischen Hilfsarbeiter (Regierungsbaumeister) sind bei der Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten der Direktion in gleicher Weise zu beteiligen wie die übrigen bei der Direktion unmittelbar beschäftigten Hilfsarbeiter. Mit dieser Maßgabe finden auf sie die Bestimmungen der Geschäftsanweisung für die Streckenbaumeister sinngemäße Anwendung.

Den Vorständen der Bauabteilungen werden im Falle des Bedürfnisses zur örtlichen Leitung und Beaufsichtigung größerer Neubauten »Streckenbaumeister« beigegeben.

Der Streckenbaumeister leitet und beaufsichtigt im einzelnen die Ausführung aller innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises vorkommenden Bauanlagen nach den festgestellten Entwürfen und Kostenanschlägen und trägt in erster Linie die Verantwortlichkeit für die Innehaltung der den Verträgen zu gründe liegenden Bedingungen, für die Richtigkeit und Brauchbarkeit der angelieferten Materialien und Geräte und für die sach- und fachgemäße Ausführung der Bauarbeiten. Er hat alle den Bau der Eisenbahnen und deren Betrieb betreffenden Gesetze, Verordnungen und Verfügungen sowie die allgemeinen technischen Regeln und die baupolizeilichen Vorschriften zu beachten und auch ihre Befolgung durch die Untergebenen fortlaufend zu überwachen.

Werden die Geschäfte des Streckenbaumeisters nicht einem höheren technischen Beamten, sondern ausnahmsweise einem andern geeigneten Bautechniker zugewiesen, so hat dieser die Bezeichnung »Streckeningenieur« zu führen.


Den preußischen Bauabteilungen entsprechen in Baden Bahnbauinspektionen, in Bayern Bau- und Neubauinspektionen, in Sachsen Neubauämter, in Württemberg Eisenbahnbauämter (Bahnbausektionen, Hochbausektionen, Bahnhofbauämter und Bahnhofbaubureaus).

In Österreich waren die Baudirektionen der großen (derzeit fast durchweg verstaatlichten) Privatbahnen nach den oben ausgeführten allgemeinen Grundsätzen eingerichtet. Der Staat hatte nur kurze Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts selbst Eisenbahnen gebaut. Erst 1875 wurde bei Wiederaufnahme der staatlichen Bautätigkeit die k. k. Direktion für Staatseisenbahnbauten errichtet, die bis nach der 1884 erfolgten Vollendung der Arlbergbahn bestand, dem Handelsministerium unmittelbar unterstellt war und unter dessen[17] oberster Leitung sämtliche auf die Herstellung und Ausrüstung der zu erbauenden Staatsbahnen abzielenden Arbeiten besorgte. Später war der Bau der neuen Linien der der Oberaufsicht des Handelsministeriums unterstehenden Generaldirektion der österreichischen Staatsbahnen (Fachabteilung für Bau und Bahnerhaltung mit einem Baudirektor als Vorstand) und den ihr untergeordneten »Bauleitungen« zugewiesen, denen die Losbauführer unmittelbar unterstellt waren. Die Vorentwürfe für staatliche Neubauten wurden von der Trassierungsabteilung der Generalinspektion verfaßt, die Gesetzentwürfe vom Handelsministerium aufgestellt und vor dem Reichsrate vertreten. Die Tätigkeit des Baudirektors begann mit der Aufstellung des Bauentwurfs. Ausgeschieden von dessen Wirkungskreis war die Beschaffung der Fahrzeuge, die durch die Generaldirektionsabteilung für Zugförderung und Werkstättendienst erfolgte. Beim Entwurf aller Betriebsanlagen setzte sich der Baudirektor mit dem Verkehrsdirektor ins Benehmen. Beide gehörten der Generaldirektion der Staatsbahnen an und unterstanden unmittelbar dem Präsidenten. Im Jahre 1901 wurde zunächst zur Durchführung des Baues der mit dem Gesetz vom 6. Juni 1901 beschlossenen neuen Alpenbahnen eine dem Eisenbahnministerium als besondere Geschäftsstelle angegliederte Eisenbahnbaudirektion errichtet. Anfang 1910 wurde sie dem Vorstand der bautechnischen Sektion des Eisenbahnministeriums unmittelbar unterstellt.


Die österr. Eisenbahnbaudirektion hat in der Zeit ihres Bestandes als eigene Geschäftsabteilung des Eisenbahnministeriums 1901–1910 besorgt: den Bau von 495 km besonders schwierigen Staatsbahnlinien (Tauern-, Karawanken-, Wocheiner-, Karst-, Pyhrnbahn u.a.) mit einem Kostenaufwand von 350 Mill. K, den Bau von 1081 km vom Staate unterstützter Lokalbahnen auf Rechnung der Konzessionäre für 189 Mill. K, endlich die Vorarbeiten für weitere 512 km neue Bahnen, zusammen 2083 km. Diese Arbeiten drängten sich besonders auf die Jahre 1903 bis 1906 zusammen. Im Jahre 1904 waren gleichzeitig im Bau 577 km und in Vorbereitung 335 km. Zur Bewältigung dieser umfangreichen und durch die großen Alpenbahnbauten auch sehr schwierigen Arbeiten besaß die Eisenbahnbaudirektion, an deren Spitze ein Ingenieur (Sektionschef) als Eisenbahnbaudirektor mit zwei Ingenieuren (Hofräten) als Stellvertreter stand, 12 Abteilungen und ein etwa 100 Mann zählendes Beamten- und Dienerpersonal.

Der Baudirektion unterstanden (1904) 11 Bauleitungen, 4 Trassierungssektionen oder Trassierungsexposituren, 2 Bauaufsichten (für Lokalbahnen) mit zusammen etwa 450 Mann Personal, wovon etwa 330 Ingenieure waren, während der Rest auf wenige juristische Beamte und einige technische Hilfskräfte, hauptsächlich aber auf gegen Taggeld angestellte Schreib- und Zeichenkräfte entfällt. Die Gliederung der einzelnen B. war die oben im allgemeinen dargestellte; nur B. mit sehr langen Strecken waren in Sektionen geteilt, sonst unterstanden die Losbauführungen unmittelbar der B. Die schwierigen Staatsbahn bauten wurden sämtlich auf Nachmaß zu Einheitspreisen vergeben, die einfacheren Lokalbahnbauten oft auch als Pauschalbauten.


In der Schweiz wurden bis zur Verstaatlichung der Bundesbahnen (Gesetz vom 15. Oktober 1897) keine Staatsbahnbauten ausgeführt. Der Baudienst war bei den ehemaligen Privatbahnen sehr verschieden eingerichtet. Bei der bedeutendsten schweizerischen Eisenbahn, der Gotthardbahn, wurde der Baudienst durch die Zentralleitung in Zürich, die Inspektion in Bellinzona und durch neun längs der Strecke errichtete Bausektionen besorgt. An der Spitze stand ein Oberingenieur. Die Zentralleitung umfaßte folgende Bureaus: 1. Sekretariat des Oberingenieurs; 2. Zentralbureau für Besorgung der Dienstkorrespondenz, Ordnung und Aufbewahrung der Akten; 3. technisches Referat für den Grunderwerb; 4. technische Kontrolle für die meritorische Prüfung der Voranschläge, Berechnungen, Bauanträge der Unternehmer; 5. Rechnungswesen; 6. topographische Abteilung für die Herstellung und Aufnahme der Karten, Situations- und Katastralpläne und Vervielfältigung derselben, Beobachtung der Aussteckungen und Kontrollnivellements; 7. geologisch-montanistische Abteilung; 8. Unterbaukonstruktionsbureau; 9. Tunnelbau und Baumaschinen; 10. Oberbau und mechanische Einrichtungen der Bahn; 11. Hochbau; 12. Rollmaterial. Die Sektionen waren in 4 bis 5 Baulose eingeteilt, deren Länge je nach der Bedeutung der Bauten 4 bis 7 km betrug. Der von einer Aktiengesellschaft unternommene Bau der Berner Alpenbahn (Lötschbergbahn) wurde ursprünglich von einem Oberingenieur in Bern geleitet, dem eine nördliche und eine südliche Tunnelsektion und je eine daran anschließende Rampensektion unterstellt waren; die Rampensektionen zerfielen in Baulose. Diese Gliederung wurde später geändert, indem in Bern eine technische Direktion (Direktor mit einem Ingenieur und drei Zeichnern) errichtet und zwischen diese und die Sektionen eine nördliche und eine südliche B. (1 Oberingenieur als Vorstand) eingeschoben wurde. Den B. unterstanden die Tunnelsektion und die Rampensektion der betreffenden Seite. Die Rampensektionen zerfielen in Baulose mit 1 Bauführer und 2 bis 3 Aufsehern.

Der Baudienst der Bundesbahnen, die bisher an größeren Neubauten außer Bahnhöfen nur den Simplon- und den Rickentunnel ausgeführt haben, ist folgendermaßen geordnet: Der Generaldirektion der Bundesbahnen obliegt[18] die Ausführung von Neu- und Ergänzungsbauten, soweit sie nicht den Kreisdirektionen überlassen wird. Diese Geschäfte besorgt sonach entweder das Baudepartement der Generaldirektion oder jenes der zuständigen Kreisdirektion. Während der Bau des Rickentunnels der Generaldirektion unterstellt war, lag die Bauleitung für den Simplontunnel in den Händen eines Oberingenieurs in Lausanne, der der dortigen Kreisdirektion I der schweizerischen Bundesbahnen untergeordnet war.

In Frankreich ist die Einrichtung der B. weit verwickelter und durch die staatliche Einrichtung des Corps des ingénieurs des ponts et chaussées beeinflußt. An der Spitze der B. steht gewöhnlich ein inspecteur général oder ein ingénieur en chef mit ingénieurs ordinaires und ingénieurs élèves. Der Streckendienst obliegt für Strecken von 40 bis 50 km (Arrondissements) den chefs d'arrondissement, denen die chefs de section und die conducteurs unterstehen. Die den chefs de section zugewiesenen Strecken haben eine Länge von 10 bis 12 km und sind je nach der Schwierigkeit der Baustrecke in 3 bis 4 Lose eingeteilt. Eine derartige B. erfordert – wie jede Einrichtung des Baudienstes, die auf einer Vergebung der Arbeiten auf Nachmaß beruht – bedeutendes Personal, ermöglicht aber die Aufstellung sämtlicher Vorarbeiten, Werkzeichnungen u.s.w. sowie eine sehr genaue Überwachung des Baues durch die B.

In Italien ist durch Gesetz vom 30. Juni 1907 und 12. Juli 1908 der Entwurf, die Leitung und Überwachung der Arbeiten der für eigene Rechnung des Staates zu erbauenden neuen Eisenbahnen unter unmittelbarer Aufsicht des Ministers für öffentliche Arbeiten der Abteilung XII des Zentraldienstes (Neubau) zugewiesen. Im Jahre 1910 standen unter Leitung dieses Amtes 255∙2 km Staatsbahnen im Bau, für die ein Kredit von 757 Millionen Lire bewilligt ist.

In England, das bis heute nur Privatbahnen besitzt, wird die oberste Leitung des Baudienstes einem engineer in chief übertragen, der entweder ständiger Beamter der betreffenden Gesellschaft ist und den Neubau mit den übrigen Bau- und Unterhaltungsarbeiten besorgt oder nur für Neubauten bestellt ist (engineer of new works). Bei der in England seit jeher am meisten gebräuchlichen Vergebung der Arbeiten in Pauschalakkord ist der Baudienst sehr einfach eingerichtet. Meist wird die ganze Durchführung des Neubaues einer Eisenbahn einem bedeutenden und einflußreichen Zivilingenieur übertragen, der in seinem Bureau alle Vorlagen für das Parlament vorbereitet, die Einzelentwürfe aufstellt und die Bauarbeiten entweder im Wege einer öffentlichen Ausschreibung oder häufiger auf Grund freihändiger Verhandlungen an größere Unternehmer vergibt und auch die Beschaffung der Betriebsmittel und sonstigen Ausrüstungsgegenstände besorgt. Die Bauausführung wird durch einen an irgend einem Punkt der Baulinie ansässigen Oberingenieur, dem oft nur je ein Stellvertreter, Ingenieur, Zeichner, Sekretär und Schreiber beigegeben sind, sowie durch noch einige längs der Strecke verteilte Streckenbeamte (Ingenieure) überwacht; der Grunderwerb wird von besonderen Kommissären durchgeführt. Die Streckenbeamten haben dem Oberingenieur das Material für die Berichterstattung an den Bauherrn oder dessen Bevollmächtigten (Chefingenieur) und für die Rechnungen zur Auszahlung der Verdienstbeträge an die Unternehmer zu liefern.

S. Bauaufseher, Bauökonomie, Bausysteme, Bauvertrag.

Literatur: Handbuch der Ingenieurwissenschaften, I. Teil, I. Band (Bauleitung). 4. Aufl. Leipzig 1904. – Bericht der Gotthardbahn 1876. – Etzel, Organisation des Baudienstes bei der schweizerischen Zentralbahn. – Die Verwaltungsordnungen und Geschäftsanweisungen der deutschen (und das Organisationsstatut der österr.) Staatsbahnverwaltungen.

v. Enderes.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 12-19.
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