Anlagekosten

[164] Anlagekosten (initial cost, cost of construction and equipment; frais de premier établissement; spese d'impianto) sind die für die betriebsfähige Herstellung und Ausrüstung einer Eisenbahn bis zur Betriebseröffnung oder dem Abschluß des Baukontos (s.d.) aufgelaufenen Kosten, einschließlich der nachträglich hierfür etwa noch aufgewendeten Mittel. Diese Kosten bezeichnet Sax (vgl. Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft, II. Band: Die Eisenbahnen, Wien 1879) als die eigentlichen A. und stellt ihnen die Generalkosten gegenüber, die meist auch zu den A. gerechnet zu werden pflegen, ohne eigentlich dahin zu gehören. Hierzu zählt Sax all das, was – außer den eigentlichen A. – zum Bau einer Bahnlinie an Kapital und Aufwand notwendig ist, wie: Kosten für die geistigen Vorarbeiten, Ausstattung der Bahn mit einem Betriebsfonds, Verzinsung des Baukapitals während der Bauzeit und Geldbeschaffungskosten, z.B. Ausgaben für Aufbringung des Kapitals, Bankprovisionen, Anfertigung der Inhaberpapiere, Veröffentlichungen u.s.w.

Den A. stehen die Betriebskosten einer Eisenbahn gegenüber. Zwischen diesen beiden Kostenarten besteht ein eigenartiges Verhältnis, das Sax a.a.O. ein technisch-ökonomisches Moment sowohl hinsichtlich seiner Ursachen wie hinsichtlich seiner Wirkungen nennt. Alles, was die Anlage erleichtert, erschwert den Betrieb und umgekehrt. Nach Sax stehen daher Steigerung oder Minderung der Kosten für Anlage und Betrieb im umgekehrten Verhältnis zueinander. Es ergeben sich sohin die beiden äußersten Grenzfälle: einerseits höchste A. bei niedrigsten Betriebskosten und anderseits niedrigste A. bei höchsten Betriebskosten. Bei einer Eisenbahnanlage spielt daher im Zeitpunkte der Kapitalfeststellung die Frage eine wesentliche Rolle, in welcher Höhe die A. zu bestimmen sind, damit das wirtschaftlich beste Verhältnis zwischen diesen Kosten und den künftigen Betriebskosten erzielt werde.

Das bedeutende Überwiegen der A. gegenüber den Betriebskosten einer Eisenbahn ist aus einem flüchtigen Blick auf die Rechnungslegung der einzelnen Bahnverwaltungen zu erkennen. Dieses Vorherrschen des stehenden Kapitals bei den Eisenbahnen und seine ungeheuren Summen lassen die Erzielung der vollkommensten Wirtschaftlichkeit bei Eisenbahnen als eine Sache von höchster volkswirtschaftlicher Bedeutung erscheinen.

Die eigentlichen A. werden nach den einzelnen technischen Anlagebestandteilen unterschieden; die Scheidung geht bei den verschiedenen Eisenbahnverwaltungen mehr oder weniger ins Einzelne. Bald wird eine größere, bald eine kleinere Anzahl von Bestandteilen zusammengenommen, die entweder bezüglich der Herstellung oder durch ihre Natur und ihren äußeren Zusammenhang gemeinsame Merkmale an sich tragen, so daß sich schließlich eine kleinere Anzahl von Hauptbestandteilen ergibt, die als Titel in den Statistiken und Büchern der einzelnen Bahnverwaltungen aufgeführt werden. Sax teilt die eigentlichen A. in:

1. Vorauslagen,

2. Grunderwerb,

3. Erd- und Kunstbauten,

4. Hochbauten, einschließlich Schutzvorrichtungen,

5. Oberbau samt Zubehör,

6. Betriebsmittel (rollendes Material und Einrichtungsgegenstände).

Die unter 2–4 genannten Kosten bezeichnet Sax als die eigentlichen Baukosten und stellt sie den Kosten unter 5 und 6 – den Kosten der Ausrüstung einer Eisenbahnanlage – gegenüber. Der Bau besteht in Arbeiten, bei denen Natur und Arbeit (Handlanger- und Handwerkerarbeit) die weitaus überwiegende Rolle spielen; eine Ausnahme bilden nur die Eisenbauteile. Die Ausrüstung umfaßt dagegen wesentlich Fabriksprodukte, Erzeugnisse des Hüttenwesens und Maschinenbaus. Die ersteren sind hinsichtlich der Höhe des zur Herstellung erforderlichen Kapitals viel veränderlicher als die letzteren. Die Kosten für die Ausrüstung sind für die Längeneinheit einer Bahnlinie mit der jeweiligen Stärke des Verkehrs gegeben und nur durch die augenblicklichen Weltmarktspreise des Rohmaterials bestimmt, die eigentlichen Baukosten dagegen hängen von den örtlichen Verhältnissen, von der Bodengestaltung, von den örtlichen Material- und Arbeitspreisen und deren geschicktester Ausnutzung ab. Beim Bau ist die Wirtschaftlichkeit wesentlich von dem Arbeitssystem, nachdem der Bau hergestellt wird (s. Bausysteme), abhängig, während bei der Ausrüstung in dieser Richtung etwa nur die Benutzung einer günstigen allgemeinen Preislage bei der Beschaffung in Betracht kommt.[164] Die Wichtigkeit wirtschaftlicher Gebarung bei der Bauausführung ist schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Kosten des Baues im Durchschnitte meistens die Hälfte, häufig sogar die größere Hälfte der Gesamtanlagekosten ausmachen.

Aus den folgenden Zahlen sind die einzelnen Titel, unter denen die deutschen Eisenbahnen ihre Anlagekosten anzuführen pflegen und das Verhältnis, nach dem sich die A. auf die einzelnen Titel verteilen, zu entnehmen:

Nach dem Bericht über die Ergebnisse des Betriebs der preußisch-hessischen Staatseisenbahnen im Rechnungsjahr 1909 betrugen die A. Ende März 1910 10.808,948.642 M.


Hiervon entfielen auf:


a) GrunderwerbM. 960,992.825,d.i. 8∙90%
b) Bahnkörper nebst
Zubehör (Einfriedigungen,
Wegübergänge, Durchlässe,
Brücken, Tunnel)M.2.497,649.813d.i. 23∙11%
c) OberbauM.2.382,140.604d.i. 22∙04%
d) Stationen,
SicherheitsanlagenM.1.721,633.418d.i. 15∙92%
e) WerkstättenM. 231,561.408d.i. 2∙14%
f) Fahrzeuge
nebst ZubehörM.2.409,797.520d.i. 22∙30%
g) Sonstiges
(Schmalspurbahnen,
Bahnen für den nicht
öffentl. Verkehr u.s.w.)M. 605,173.054d.i. 5∙59%

Nach dem Verwaltungsbericht der königl. württembergischen Verkehrsanstalten für das Etatsjahr 1909 betrug der Bauaufwand (A.) für die dem Betriebe übergebenen Bahnen Ende März 1910 738,504.930 M.


Hiervon entfielen auf:


a) GrunderwerbM. 97,852.405,d.i. 13∙25%
b) Erdarbeiten, Einfriedigungen
und WegübergängeM. 145,812.753d.i. 19∙75%
c) Durchlässe und BrückenM. 60,352.547d.i. 8∙17%
d) TunnelM. 23,116.790d.i. 3∙13%
e) OberbauM. 131,122.400d.i. 17∙75%
f) Bahnhöfe, Signale,
WärterhäuserM. 86,330.594d.i. 11∙69%
g) Werkstätten und
FahrzeugeM. 115,484.783d.i. 15∙64%
h) Außerordentliche
Anlagen und insgemeinM. 12,427.020d.i. 1∙68%
i) VerwaltungskostenM. 37,861.459d.i. 5∙13%
k) Bauzinse und
KursverlusteM. 28,144.179d.i. 3∙81%

Nach dem Jahresbericht der königl. bayerischen Staatseisenbahnverwaltung für das Betriebsjahr 1909 beliefen sich die gesamten Baukosten (A.) der eröffneten Bahnlinien mit Schluß des Jahres 1909 auf 1.841,385.208 M. und verteilen sich auf das rechtsrheinische Netz mit 1.559,771.299 M. und auf das pfälzische Netz mit 281,613.909 M.


Hiervon entfielen auf:


Anlagekosten

Das Verhältnis, in dem die verschiedenen Kostengruppen zum Gesamtkapital stehen, ist für die Berechnung jenes Mindestmaßes an Tilgung, das zur Erhaltung des Vermögensstandes notwendig ist, von großer Bedeutung (s. Anleihen und Tilgung). Das Zahlenbeispiel zeigt, daß die Prozentziffern der Hauptausgabengruppen (Grunderwerbung, Oberbau, Fahrzeuge, Stationen u.a.) auch bei recht verschiedenen Verhältnissen in Mitteleuropa nicht stark voneinander abweichen.

Im allgemeinen sind die A. einer Eisenbahn in Ländern auf niedriger Wirtschaftsstufe kleiner als in Ländern mit einer höheren Kultur. Obwohl in letzteren der niedrigere Zinsfuß die Kapitalsbeschaffung erleichtert, so sind doch[165] die Arbeitslöhne bedeutend höher; der Wert der Zeit sowie die Bedürfnisse des Verkehrs führen hier dazu, ohne Rücksicht auf die Kostenfrage die kürzeste Linie zu wählen, kostspielige Tunnel, Einschnitte, Brücken, Viadukte u.s.w. herzustellen, umfangreichere Gleisanlagen, größere und besser ausgestattete Hochbauten auszuführen und zahlreichere und teuere Betriebsmittel anzuschaffen. In Ländern auf niedrigerer Wirtschaftsstufe werden die Bahnen wesentlich billiger hergestellt. Sie folgen hier der in der Herstellung billigsten Trasse; die Anlagen werden in möglichst einfacher Form ausgeführt. Der Grund und Boden ist meist sehr billig, oft wird er sogar unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die europäischen Eisenbahnen haben wegen der durchschnittlich besseren Ausrüstung der Bahnen und wegen des teueren Grundes und Bodens höhere A. Verhältnismäßig niedrigere A. weisen die außereuropäischen Bahnen auf. Nach der Statistik, die in dem im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten herausgegebenen Archiv für Eisenbahnen, 34. Jahrgang 1911 über die Eisenbahnen der Erde enthalten ist, stellen sich die A. derzeit im Durchschnitt für 1 km:

in Europa auf rund 318.000 M. und in den übrigen Erdteilen auf rund 173.000 M.

Die A. der Eisenbahnen sind, von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, in sämtlichen Ländern in ununterbrochenem Wachstum begriffen. Dies hängt zum Teile mit den steten Lohn- und Preissteigerungen, insbesondere auch mit der Steigerung des Bodenwertes, mehr aber noch mit der starken Vermehrung des Betriebsmaterials, der Sicherheitsvorkehrungen sowie mit den großen technischen Schwierigkeiten der neuen Bahnen zusammen. Im übrigen läßt sich aus der Vergleichung der A. der einzelnen Bahnen selbst bei annähernd gleichartigen Bodenverhältnissen kein richtiger Schluß auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage ziehen, weil die besonderen Verhältnisse in jedem einzelnen Fall zu verschieden sind und auch die Zeit des Bahnbaus sogar in derselben Gegend wegen der Verschiedenheit der Preise und Löhne von wesentlichem Einfluß ist. Wie sehr die A. stetig wachsen, zeigen die Zahlen der untenstehenden Tabelle.


Anlagekosten der Eisenbahnen in Mark.


Anlagekosten

Literatur: Sax, Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft. II. Band: Die Eisenbahnen. Wien 1879; Die Geschäfts-, bzw. Verwaltungsberichte der einzelnen Bahnverwaltungen; Statistische Nachrichten von den Eisenbahnen des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen; Österreichische Eisenbahnstatistik, bearbeitet im k. k. Eisenbahnministerium; Statistik des Deutschen Reichseisenbahnamts; Statistische Mitteilungen in dem vom preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten herausgegebenen Archiv für Eisenbahnwesen.

v. Enderes.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 164-166.
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