Auf- und Abladen

[289] Auf- und Abladen (loading and unloading; chargement et déchargement; carico e scarico), Verladen und Ausladen der Güter, das Beladen und Entladen der Eisenbahnwagen. (Das Beladen und Entladen der Straßenfuhrwerke wird dagegen als »Auf- und Ablegen« bezeichnet.)

Das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (Art. 5 u. 19) überläßt die Regelung des Verladens und Ausladens den für die Versandbahn und Bestimmungsbahn geltenden innerstaatlichen Vorschriften. – In Österreich, Ungarn und Deutschland hat der Tarif zu bestimmen, ob die Güter durch die Eisenbahn oder durch den Absender zu verladen, bzw. durch den Empfänger auszuladen sind, soweit nicht das Betriebsreglement (Verkehrsordnung) Vorschriften darüber enthält oder eine besondere Vereinbarung zwischen dem Absender und der Eisenbahn im Frachtbriefe getroffen ist (§§ 59 u. 76 Eisenbahnbetriebsreglement [Verkehrsordnung]).

Nur in wenigen Fällen schreibt das Reglement (Verkehrsordnung) selbst die Verladung durch den Absender vor, so insbesondere bei Sendungen von Leichen, lebenden Tieren und leicht explosiven (nicht handhabungssicheren) Schieß- und Sprengmitteln. Im übrigen ist die Entscheidung darüber, wer das Verladen und Ausladen zu besorgen hat, den Tarifen überlassen. Nach den geltenden Tarifbestimmungen richtet sich in Österreich und Ungarn das Verladen und Ausladen nach der Tarifierung der Güter.

Vom Absender sind zu verladen:

Sendungen der Wagenladungsklassen B, C und des Spezialtarifes 2.

Vom Absender und Empfänger sind zu verladen und auszuladen:

1. Sendungen des Spezialtarifes 3;

2. Sendungen, die Gegenstände von mehr als 7 m Länge oder mehr als 750 kg Gewicht enthalten, ausgenommen gefüllte Fässer mit kreisrunden Böden.

Wenn vom Absender zu verladende oder vom Empfänger auszuladende Güter mit anderen Gegenständen in einen Frachtbrief aufgenommen werden, so ist die ganze Sendung vom Absender zu verladen und vom Empfänger auszuladen.

Die Eisenbahn hat das Verladen und Ausladen in den Fällen zu besorgen, wo es weder nach den Bestimmungen des Eisenbahnbetriebsreglements, noch nach den Tarifbestimmungen oder nach besonderer Vereinbarung[289] dem Absender oder Empfänger obliegt. (Hierunter fällt insbesondere Eil- und Stückgut.)

Die Eisenbahn ist berechtigt, die zur Verladung in einem Wagen mit einem Frachtbriefe zu übernehmende Menge nach ihrem Ermessen zu bestimmen. Wenn der Absender den übrigbleibenden Teil der Sendung aufliefern will, so hat er für ihn einen besonderen Frachtbrief beizubringen. Die Absender und Empfänger dürfen das Ver- und Ausladen in Fällen, wo diese Leistungen der Eisenbahn obliegen, nur mit Zustimmung der Eisenbahn bewirken und erwächst ihnen aus diesem Anlasse kein Anspruch auf Vergütung. Wenn auf Antrag des Absenders oder Empfängers das diesen obliegende Ver- oder Ausladen bahnseitig besorgt wird, so sind die zur Verfügung gestellten Arbeiter nicht als Beauftragte der Eisenbahn, sondern als Beauftragte des Absenders oder Empfängers anzusehen. Die im § 5 EBR. ausgesprochene Haftung der Eisenbahn für ihre Leute bleibt ausgeschlossen. In Deutschland ist das Verladen und Ausladen der Güter unabhängig von ihrer Tarifierung geregelt. Das Ver- und Ausladen der Stückgüter (Eil- und Frachtgüter) wird von der Eisenbahn gebührenfrei besorgt; ausgenommen hiervon sind Gegenstände von mehr als 750 kg Gewicht und Gegenstände, die in bedeckte Wagen durch die Seitentüren nicht verladen werden können. Wagenladungsgüter sind vom Absender zu verladen und vom Empfänger auszuladen, sofern nicht die Eisenbahn diese Leistungen gegen die festgesetzten Gebühren übernimmt. Das Auf- oder Absetzen von Eisenbahnfahrzeugen, die auf eigenen Rädern laufen, auf die Gleise oder von ihnen wird von der Eisenbahn nicht übernommen. Die Übernahme des Verladens hat der Absender im Frachtbrief, die Übernahme des Ausladens der Empfänger schriftlich zu beantragen. Übernimmt die Eisenbahn das Ver- oder Ausladen, so steht dem Absender oder Empfänger keine Einwirkung darauf zu. Wenn die Eisenbahn dem Absender oder Empfänger ohne schriftlichen Antrag zum Ver- oder Ausladen unter seiner Leitung Leute stellt, gilt dies nicht als Übernahme des Ver- oder Ausladens durch die Eisenbahn. Die Bestimmung im § 86 (1), Ziff. 3 der Verkehrsordnung wird hierdurch nicht berührt, wonach die Eisenbahn im Falle des Ver- oder Ausladens durch die Parteien für den Schaden, der aus der mit dem Ver- und Ausladen oder der mangelhaften Verladung verbundenen Gefahr entsteht, nicht haftet. Diese Bestimmungen des deutschen Tarifs weichen von den in Österreich und Ungarn geltenden Tarifbestimmungen dadurch wesentlich ab, daß in Deutschland zwischen einer Übernahme des Ver- und Ausladens durch die Eisenbahn (über schriftlichen Antrag) unter ihrer Verantwortung und dem Beistellen der Eisenbahnarbeiter (ohne schriftlichen Antrag) zur Bewirkung des Ver- und Ausladens unter Leitung des Absenders oder Empfängers ohne Verantwortung der Eisenbahn unterschieden wird, während in Österreich und Ungarn die Übernahme des Ver- und Ausladens durch die Eisenbahn unter ihrer Verantwortung überhaupt nicht vorgesehen ist.

In Belgien besorgt die Eisenbahn das Ver- und Ausladen der Stückgutsendungen mit Ausnahme des Falls, daß der Absender einen besonderen Wagen verlangt, der unter seinen Plomben befördert wird. Das Ver- und Ausladen der in Wagenladungen beförderten unverpackten Güter haben der Absender und Empfänger auszuführen. Für die übrigen in Wagenladungen beförderten unverpackten Güter haben Absender und Empfänger die Wahl, das Ver- und Ausladen selbst vorzunehmen oder durch die Eisenbahn besorgen zu lassen. Die Eisenbahn ist aber nicht verpflichtet, das Ver- und Ausladen von Wagenladungen oder Stückgütern auszuführen, die Gegenstände im Gewichte von mehr als 500 kg oder solche Gegenstände umfassen, zu deren Ver- oder Ausladen besondere Geräte (Kräne u. dgl.) erforderlich sind, sofern die Station solche Geräte nicht besitzt oder über das erforderliche Personal nicht verfügt. Das Verladen durch den Absender verpflichtet den Empfänger zum Ausladen und Abführen des Gutes auf seine Kosten. Gegen eine Gebühr von 30 Cts. für 1000 kg übernimmt die Eisenbahn die Haftpflicht für die mit dem Verladen verbundene und eventuell für die aus der vom Absender auf dem Bahnhofe vollzogene Bedeckung hervorgehende Gefahr, wenn er im Frachtbrief die besondere Beaufsichtigung durch das Personal der Eisenbahn beantragt hat.

In Dänemark wird Stückgut von der Eisenbahn ohne besondere Vergütung verladen und ausgeladen, mit Ausnahme einiger nur bedingungsweise zugelassener Güter sowie solcher Gegenstände, die mehr als 500 kg wiegen. Das Ver- und Ausladen dieser sowie von Gütern in Wagenladungen haben der Absender und Empfänger zu besorgen. Auf Verlangen des Absenders, bzw. Empfängers übernimmt die Eisenbahn, wenn es die Verhältnisse auf der betreffenden Station zulassen, das Ver-, bzw. Ausladen gegen eine im Tarife festgesetzte[290] Gebühr, sie trägt jedoch in diesem Falle keine andere Verantwortung, als wenn der Absender oder Empfänger das Verladen oder Ausladen selbst besorgt hätte.

In Frankreich wird das Ver- und Ausladen der Stückgüter durch die Eisenbahn unter Einhebung einer Gebühr vorgenommen. Auch die Wagenladungen werden vielfach von der Eisenbahn unter Erhebung einer Gebühr verladen und ausgeladen; doch werden gewisse Sendungen in Wagenladungen, insbesondere bei Abfertigung nach Spezialtarifen vom Absender verladen und vom Empfänger ausgeladen.

In Italien wird das Ver- und Ausladen der Eilgüter ausschließlich durch die Eisenbahn besorgt. Auch das Ver- und Ausladen der Frachtgüter wird in der Regel durch die Eisenbahn bewerkstelligt, ausgenommen die drei letzten Güterklassen (VI, VII und VIII des allg. Tarifs), bei Sendungen in ganzen Wagenladungen oder wenn sie infolge Anwendung der Sätze des Tarifs und der festen Gebühr von 1∙236 £ für die t als Wagenladungen zu behandeln sind, deren Ver- und Ausladen durch die Parteien geschehen kann. Wenn diese aber keine Vorkehrungen treffen, so wird diese Arbeit durch die Eisenbahn unter Einhebung einer Gebühr besorgt. Die Eisenbahnverwaltung kann in Stationen, wo sie es für zulässig erachtet, erlauben oder auch anordnen, daß das Ver- und Ausladen von Gütern anderer Klassen für ganze Wagenladungen ausschließlich vom Absender oder Empfänger besorgt wird, diesfalls wird die oben erwähnte feste Gebühr um 0∙515 £ für die t ermäßigt. Die Übernahme des Ver- und Ausladens durch die Partei muß im Frachtbrief ersichtlich sein.

In den Niederlanden müssen die Güter der Wagenladungsklassen in der Regel und Gegenstände von außergewöhnlichem Umfange oder die aus anderen Gründen besondere Vorsichtsmaßregeln oder Einrichtungen erfordern durch den Absender und Empfänger verladen und ausgeladen werden. Werden auf Verlangen des Absenders oder Empfängers Güter, die zu den Frachtsätzen der Wagenladungsklassen befördert werden, von der Eisenbahn verladen oder ausgeladen, wozu diese aber keine Verpflichtung hat, so ist hierfür die im Tarif vorgesehene Gebühr zu bezahlen.

In Rußland geschieht das Ver- und Ausladen der Güter in der Regel durch die Eisenbahn unter Einhebung einer Gebühr. Ausnahmsweise hat der Absender und Empfänger zu besorgen: a) das Ver- und Ausladen, wenn es mit besonderen, nicht der Eisenbahn gehörigen Vorrichtungen bewerkstelligt werden muß; b) das Verladen von hartem Mineralbrennmaterial. Bei anderen Gütern in loser Schüttung steht es dem Absender und Empfänger frei, das Ver- und Ausladen selbst zu besorgen; das bezügliche Verlangen ist vom Absender im Frachtbrief zu vermerken. Ausgenommen von den vorstehend erwähnten allgemeinen Regeln ist das Verladen und Ausladen von Gütern, die a) aus oder in Privatmagazinen, b) in oder aus Privatgüterwagen (Kesselwagen, Milchwagen, Bierwagen, Fleischwagen u. dgl.) zu verladen, bzw. auszuladen sind, und c) auf Grund von besonderen Bestimmungen, worin über das Ver- und Ausladen besondere Anordnungen getroffen sind, befördert werden. In diesen drei Fällen gelten die betreffenden besonderen Vorschriften.

In der Schweiz geschieht das Ver- und Ausladen aller Eil- und Stückgüter und der Sendungen zu den Frachtsätzen der Wagenladungsklassen A und B durch die Eisenbahn auf ihre Kosten. Die übrigen Güter sind vom Absender und Empfänger zu verladen und auszuladen.

In rechtlicher Hinsicht hat das Verladen durch den Absender und das Ausladen durch den Empfänger nachstehend angeführte Folgen:

1. Im Falle der Verladung durch den Absender machen die Angaben des Frachtbriefes über das Gewicht und die Anzahl der Stücke gegen die Eisenbahn keinen Beweis, sofern nicht die Nachwägung oder Nachzählung seitens der Eisenbahn erfolgt und dies auf dem Frachtbriefe beurkundet ist (Art. 8. I. Ü., § 61 EBR. und EVO).

2. Bei Gütern, deren Ver- und Ausladen nach den betreffenden Vorschriften oder nach einer im Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender von diesem oder vom Empfänger besorgt wird, haftet die Eisenbahn nicht für den Schaden, der aus der mit dem Ver- und Ausladen oder mit der mangelhaften Verladung verbundenen Gefahr entsteht.

Literatur: Vgl. Zeitschrift für den internationalen Eisenbahntransport und Zusammenstellung der Bestimmungen, die im internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr den Gesetzen und Reglements in den Vertragsstaaten überlassen sind, herausgegeben vom Zentralamte für den internationalen Eisenbahntransport in Bern.

v. Rinaldini.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 289-291.
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