[321] Auslandsverkehr (foreign traffic; trafic étranger; traffico estero), internationaler Verkehr, direkter Eisenbahnverkehr, der die Grenzen eines Staats überschreitet. Hierbei kommt der Ein- und Ausfuhrverkehr sowie der Durchzugverkehr in Betracht. Das große Interesse, das jeder Staat an der Pflege des Verkehrs mit den Nachbarstaaten haben muß, bringt es mit sich, daß gewöhnlich durch Handels- und andere Staatsverträge die Staaten sich gegenseitig verpflichten, einerseits Anschlüsse der beiderseitigen Eisenbahnen sicherzustellen, anderseits die Eisenbahnen zur Herstellung direkter Verkehrsbeziehungen mit dem Auslande, zur Ausgabe direkter Fahrkarten, direkter Wagenübergänge u.s.w. zu verhalten. Außerdem sichern sich die vertragsschließenden Staaten in der Regel zu, daß die Frachttarife und Frachtermäßigungen, die für die Erzeugnisse des eigenen Landesgebiets erteilt werden für die gleichartigen, aus dem Gebiet des einen Teils in das Gebiet des anderen Teils übergehenden oder das letztere transitierenden Sendungen bei Beförderung auf derselben Bahnstrecke und in derselben Richtung im gleichen Umfang zu bewilligen sind.
Überdies ist die Regelung des A. und besonders der Tarife für diesen (Aus-, Durch- und Einfuhrtarife) von solcher Bedeutung für die staatliche Wirtschaftspolitik, daß es begreiflich erscheint, wenn sich die Staatsregierungen den nötigen Einfluß auf die Erstellung derartiger Tarife zu wahren suchen. Das Ziel dieser Einflußnahme ist im allgemeinen darauf gerichtet, daß nicht durch eine Begünstigung des Verkehrs aus dem Auslande (Einfuhr) die Wirtschaftspolitik des Staats durchkreuzt, bzw. eine Benachteiligung inländischer wirtschaftlicher Interessen hervorgerufen werde. In Deutschland kam am 6. April 1877 ein Bundesratsbeschluß zu stande, nach dem alle Tarife, die für ausländische Produkte oder Fabrikate einen an sich oder verhältnismäßig günstigeren Frachtsatz gewähren als für gleichartige inländische Erzeugnisse, der vorgängigen Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen. In Preußen durch Ministerialerlaß vom 21. Februar und 23. April 1878 wurde ausgesprochen, daß jeder Tarif der Genehmigung des Ministers zu unterbreiten ist, durch den im direkten Verkehr mit dem Ausland »günstigere Frachtsätze oder Frachtbedingungen bewilligt werden sollen, als für die gleichartigen Artikel auf den betreffenden Bahnstrecken im Verkehr von oder nach der Grenzstation festgesetzt worden sind, abzüglich der für die Abfertigung auf letzterer Station berechneten Abfertigungsgebühr; diese darf jedoch die Hälfte der der betreffenden Eisenbahnverwaltung für ihren Binnenverkehr bewilligten Beträge nicht übersteigen.«
Durch Erlaß vom 23. April 1878 wurde ferner ausgesprochen, daß die Genehmigung nur dann erteilt werden wird, wenn:
entweder eine Benachteiligung inländischer wirtschaftlicher Interessen überhaupt nicht zu besorgen ist
oder doch überwiegende Interessen anderer Zweige der inländischen Volkswirtschaft für die beantragte Ermäßigung der Tarife sprechen.
In Österreich wurde durch den Handelsministerialerlaß vom 11. Mai 1883 allen inländischen Transportunternehmungen zur Pflicht gemacht, der einheimischen Produktion und Industrie mindestens keine ungünstigeren Verfrachtungsbedingnisse zu bieten als den konkurrierenden Faktoren des Auslands, damit die bedauernswerten Anomalien, die infolge von mancherlei Mißverhältnissen zwischen den verschiedenen internen und externen Tarifen zum Nachteil des Inlands bestehen, ehestens beseitigt werden.[321]
In Frankreich kann der Minister der öffentlichen Arbeiten die Eisenbahnen auf Grund einer Verordnung vom 26. April 1862 ermächtigen, für den Durchgangsverkehr die Preise und Bedingungen festzusetzen, die sie für geeignet halten, um den ausländischen Wettbewerb zu besiegen. Die Eisenbahnen sind für die Einführung und Wiedererhöhung der Durchgangstarife an keine vorausgegangene Veröffentlichung oder Frist gebunden, müssen sie nur am Tag vor der Einführung in den im Tarif genannten Stationen aushängen und dem Minister mitteilen, dem das Recht zusteht, deren Anwendung jederzeit zu verbieten. Ausfuhrtarife zu ermäßigten Sätzen können ohne vorherige Veröffentlichung eingeführt werden, wenn sie dem Minister mitgeteilt sind und dieser binnen fünf Tagen keinen Widerspruch erhoben hat. Auch können sie nach drei Monaten, jedoch unter Beobachtung der für die regelmäßigen Tarife vorgeschriebenen Förmlichkeiten, wieder erhöht werden.
In dem vom Staat mit den sechs großen Gesellschaften geschlossenen, durch das Gesetz vom 20. November 1883 genehmigten Verträgen haben sich die Gesellschaften verpflichtet, solche Einfuhrtarife für fremde Güter, die den wirtschaftlichen Bedingungen des Zollsystems entgegenwirken, nach Wunsch der Regierung zu ändern, sofern nicht auf einem konkurrierenden Transportweg diese Güter zu niedrigeren Frachtpreisen eingeführt werden.
In Rußland (kaiserl. Erlaß vom 11. Juli 1886) sind alle Tarife für den direkten Verkehr mit dem Ausland vor der Einführung dem Ministerium der Verkehrsanstalten zur Genehmigung vorzulegen, und ist es letzterem vorbehalten, das für die Eisenbahn maßgebende Gutachten des Eisenbahnrats einzuholen. Die Tarife werden auf ein Jahr probeweise in Kraft gesetzt und nach Ablauf desselben einer neuerlichen Prüfung mit Rücksicht auf die etwa eingetretenen Änderungen in den Verhältnissen des Handels und der Gewerbe unterzogen.
Was im besonderen die Ausfuhr anbelangt, so wird diese in den meisten Ländern durch besondere Tarifbegünstigungen gefördert, insbesondere durch die Einführung von Ausnahmetarifen für die Ausfuhrgüter (s. Ausfuhrtarife).
Literatur: Seidler und Freud, Die Eisenbahntarife in ihren Beziehungen zur Vereinspolitik. Ulrich, Das Eisenbahntarifwesen. Berlin 1886. Schreiber, Die Eisenbahnen als Glieder der Volkswirtschaft, Wien 1887.
v. Röll.