Ausstellungen

[328] Ausstellungen (exhibitions; expositions; esposizioni), die bloß den Zweck verfolgten, den Stand und den Werdegang des Eisenbahnwesens zur Anschauung zu bringen, sind bisher nur gelegentlich von Kongressen, und fast nur lokalen Charakter tragend, veranstaltet worden. Es hat aber nicht an Bestrebungen gefehlt, große internationale Eisenbahnausstellungen zu veranstalten. Es sei diesbezüglich auf die im Jahre 1880 in Berlin und Wien gleichzeitig aufgetauchten, leider nicht durchgeführten Ideen verwiesen, nach welchen in Berlin die anläßlich der Fertigstellung der Stadtbahn frei werdenden Baulichkeiten des Lehrter Bahnhofes, und in Wien die für solche Zwecke wie kein anderes Bauwerk geeignete Rotunde (Hauptbau der Weltausstellung 1873) Verwendung finden sollten.

Die Eisenbahnen hatten aber schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts, nur 20 Jahre nach Eröffnung der Liverpool-Manchester-Bahn, eine solche Bedeutung erlangt, daß auf der ersten veranstalteten Weltausstellung, im Hyde-Park, London 1851, alle Zweige des Eisenbahnwesens zur Anschauung gebracht waren. England allein stellte acht Lokomotiven aus. Die für diese Epoche modernste – heute nur historisches Interesse bietende – Bauart von Schnellzuglokomotiven, die Crampton-Lokomotive, war dort in zwei Exemplaren vertreten.

Diese erste internationale A. war insoferne recht bemerkenswert, als neben den Ergebnissen des Bestrebens nach leistungsfähigsten Lokomotiven (die Crampton-Lokomotive »Liverpool« mit 213 m2 Heizfläche, als Ultimatum der Normalspur bezeichnet, die Lokomotive »Cornwall« mit dem auf Normalspurbahnen einzig dastehenden Treibraddurchmesser von 2∙592 m und die Breitspurlokomotive »Lord of the Isles«) auch Lokomotiven zu sehen waren, die als die Vorläufer der seither zu Zeiten des Verkehrsrückganges immer wieder auftauchenden Typen von »Dampfomnibussen«, »Motorwagen« und »Sekundärzuglokomotiven« angesehen werden können (Kombination von Personenwagen und Lokomotive von »Adams« und leichte Tenderlokomotive von »England«).

Die kurz darauf folgenden Weltausstellungen – Paris 1855 und London 1862 – räumten dem Eisenbahnwesen noch größeres Feld ein. Bezüglich der ausgestellten Lokomotiven sei darauf hingewiesen, daß Österreich in Paris 1855 durch eine von der Lokomotivfabrik Wiener-Neustadt gebaute Tenderlokomotive vertreten war, die als Grundform der sog. »Orleanstype« (1. B. 1) anzusehen ist, und daß in London 1862 die durch Haswell, Direktor der Maschinenfabrik der Staatseisenbahngesellschaft, in Wien 1856 geschaffene Type, der heute noch ausgedehnt verwendeten[328] »Achtkuppeler« (D) ausgestellt war. Verfehlt in der Konzeption als Schnellzugslokomotive, beachtenswert aber als Vorläufer der heutigen Schnellzuglokomotiven mit vier Zylindern und gegenläufigem Triebwerk, behufs Ausgleich der hin und her gehenden Massen, war die dort ausgestellte, ebenfalls von Haswell konstruierte Lokomotive »Duplex«.

So groß war schon vor 50 Jahren das Interesse für die Eisenbahnen, daß auch auf Regionalausstellungen, z.B. einer der ersten und größten, München 1854, Lokomotiven vertreten waren. Hier sei erwähnt die auf diese A. geschickte Schnellzuglokomotive aus der Maschinenfabrik der Staatseisenbahngesellschaft Wien, eine dreiachsige Lokomotive, namens »Wartberg«, mit zwei gekuppelten Achsen (1. B) und Innenzylindern, die in bezug auf ihre Konzeption als Schnellzugslokomotive höher stand als die meisten der bis in die Achtzigerjahre gebauten Schnellzuglokomotiven.

In der nächsten Weltausstellung, Paris 1867, nahm das Eisenbahnwesen schon den Charakter einer Spezialausstellung in der Weltausstellung an, eine Form, die sich bei den folgenden Weltausstellungen immer deutlicher ausprägte: Wien 1873, Philadelphia 1876, Paris 1878, Paris 1889, Chicago 1893, Paris 1900, St. Louis 1904, Mailand 1906, Brüssel 1910.

Diesen Ausdruck des hervorragendsten Kulturfaktors findet die Eisenbahntechnik auch auf vielen der Landesausstellungen, die wohl nur Erzeugnisse eines Landes vorführend, doch internationalen Zuspruch fanden. Erwähnt seien hier die A. in Nürnberg 1886 und 1896, Düsseldorf 1902, München 1906, Budapest 1887 (Millenniumsausstellung) und Wien 1888 (Jubiläumsausstellung), ferner Antwerpen 1885 und Lüttich 1905 u.s.w.

Die Berichte über die ersten Weltausstellungen, verfaßt von den Direktionen oder Sekretariaten dieser A. oder von Studienkommissionen fremder Staaten, sind noch handliche Bände. Eine ansehnliche Bibliothek schon können die nach Gruppen oder Klassen geordneten Berichte der A. Wien 1873 und Chicago 1876 genannt werden. Der Umfang des bezüglich Eisenbahnwesens Gebotenen erreicht aber bei den späteren Weltausstellungen eine solche Größe, daß darüber nur die in den betreffenden Ausstellungsjahren, oft noch in das nächste Jahr sich hineinziehenden Artikelserien in den technischen Fachzeitschriften aller Nationen erschöpfenden Aufschluß geben können.

Bei der raschen Entwicklung des Eisenbahnwesens, die gebieterisch Ersatz nicht mehr entsprechender Fahrbetriebsmittel, zu schwacher Oberbausysteme, unzulänglicher Signalmittel, unzureichender allgemeiner Einrichtungen u.s.w., durch Schaffung besserer Mittel und Methoden bedingt, ist es selbstverständlich, daß die ersten großen A. nur die Vorführung des Standes, nicht aber die Vorführung des Werdeganges der Eisenbahnen zum Zwecke hatten.

Den nüchternen Amerikanern war es vorbehalten, auf ihrer ersten großen Weltausstellung, der »Zentenarausstellung« Philadelphia 1876, den Sinn für die historische Entwicklung in den weitesten Kreisen – Techniker und Publikum – zu wecken, durch die Gegenüberstellung ältester und neuester Fahrzeuge und sonstiger Bahnausrüstungen. Unter diesen ältesten Fahrzeugen befand sich auch die Lokomotive »John Bull«, die erste Lokomotive, die in Amerika in Dienst gestellt wurde, und die im Jahre 1831 aus der Lokomotivfabrik R. Stephensen in Newcastle hervorgegangen war.

Auf der Weltausstellung in Paris 1889 waren einige der sonst im South-Kensington-Museum in London aufbewahrten, ältesten englischen Lokomotiven zu sehen, darunter die aus dem Jahre 1813 stammende Hedlaysche Lokomotive »Puffing Billy«.

Ein noch größeres Feld war dem ältesten Betriebsmaterial, ältesten Oberbausystemen u.s.w. auf der A. St. Louis 1904 eingeräumt, durch Vorführung derartiger Objekte, teils im Original, teils in gut ausgeführten Nachbildungen (meist aus Holz) in Naturgröße.

Wissenschaftlich noch größeren Wert hatte die auf der Weltausstellung in Paris 1900 als Unterabteilung der Eisenbahnausstellung veranstaltete »Retrospektive Ausstellung«, in der die Entwicklung nicht allein der großen Objekte, sondern auch aller wichtigen Einzelteile in Form von Modellen und Zeichnungen zum Ausdrucke kam.

Besonders hervorzuheben wäre noch die im Juli 1909 in Salzburg zur Feier der Eröffnung der Tauernbahn veranstaltete Spezialausstellung, die durch ihre Reichhaltigkeit ein interessantes Bild der Schwierigkeiten gab, die beim Bau der österr. Alpenbahnen, insbesondere bei den Tunneln zu überwinden waren.

Dieser, auf den einzelnen A. betätigten Absicht, den Werdegang des Eisenbahnwesens darzustellen, ist es in erster Linie zu danken, daß in vielen Kulturstaaten die Idee, »Eisenbahnmuseen« zu gründen verwirklicht wurde (s. Eisenbahnmuseum).

Gölsdorf.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 328-329.
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