Auswandererbeförderung

[331] Auswandererbeförderung (convoyance of emigrants; transport des émigrants; trasporto dei emigranti) ist die vertragsmäßige Beförderung solcher Personen, die sich entweder unter völligem Aufgeben ihres bisherigen Vaterlandes in einem neuen Vaterlande ansiedeln wollen oder zum Zweck des Erwerbes sich für unbestimmte Zeit nach dem Auslande begeben. Sie genießen unter Umständen wegen ihrer wirtschaftlichen Schwäche einen staatlichen Schutz und erhalten zur See, in manchen Staaten auch zu Lande, ermäßigte Fahrpreise.

In Österreich haben die Auswanderer bei der Beförderung auf der Eisenbahn, soferne sie sich mit von österreichisch-ungarischen oder von ausländischen Behörden ausgestellten Arbeitsbüchern, Dienstbotenbüchern, Heimatsscheinen, Reisepässen oder sonstigen auf Namen lautenden Legitimationen als Arbeiter gewisser Arten ausweisen, bei gemeinsamen Fahrten in größerer Anzahl, mindestens in solcher von fünf Personen (S.-B.) oder von zehn Personen (k. k. St.-B.), auf Entfernungen von mindestens 50 km in der III. Klasse der Personen- und gemischten Züge Anspruch auf die ermäßigten Arbeiterkarten, die gegenüber den normalen Fahrpreisen einen fünfzig- und mehrprozentigen Vorteil gewähren. In Ungarn gelten unter den gleichen Voraussetzungen ähnliche Begünstigungen. In Deutschland werden für die Beförderung von Auswanderern, die in der Regel in der IV. Klasse erfolgt, Fahrpreisermäßigungen nicht gewährt, in der Schweiz gelten nur die allgemein üblichen Begünstigungen bei gemeinsamen Reisen von Gesellschaften in der Mindestzahl von 30 Personen. In Italien zahlen die Auswanderer bei gemeinsamer Fahrt von mindestens 10 Personen und Beförderungen in der III. Klasse einen Fahrpreis von 2∙3 Cts. per Kilometer.

Die europäische Auswanderung nach Amerika u.s.w. über New York betrug in den Jahren 1909 und 1910:


Personenzahl.


Auswandererbeförderung

[331] Noch deutlicher wird die Verteilung der Auswanderung nach den Herkunftsländern aus nachstehender Tabelle über die europäische Einwanderung in den Vereinigten Staaten vom Jahre 1901–1910:


Personenzahl.


Auswandererbeförderung

Der Anteil der wichtigsten europäischen Auswanderungshäfen, Bremen und Hamburg, ergibt sich aus folgender Zusammenstellung über das Jahr 1909:


Auswandererbeförderung

Die Auswanderung aus Österreich und aus Ungarn zeigt sich demnach als eine sehr starke, die nach den Vereinigten Staaten von Amerika sogar an die erste Stelle getreten ist. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß im Jahre 1907 der Auswandererverkehr seinen Höhepunkt erreicht hat und daß die amerikanische Wirtschaftskrise, die im zweiten Halbjahre 1907 ausbrach und das ganze folgende Jahr anhielt,[332] die Auswanderung aus Europa ganz besonders eingeschränkt hat. Sie erlitt im Jahre 1908 einen Ausfall von nicht weniger als 963.881 Personen, da nur 402.000 Auswanderer gegen 1,364.865 im Jahre 1907 nach den Vereinigten Staaten befördert wurden. Fast im gleichen Verhältnis ging aber auch die Auswanderung aus der Monarchie zurück, jedoch hebt sie sich nach Aufhören der Krise nicht nur neuerdings, sondern hat ihren früheren Durchschnitt bereits wieder erreicht.

Die wichtigsten inländischen Routen für die Auswanderer sind die über Oderberg und Tetschen im Anschluß an die deutschen Auswandererkontrollstationen Ratibor und Leipzig. Die Auswanderung aus den stärksten Auswanderungsprovinzen des Nordens der Monarchie, Galizien und der Bukowina, benutzt zumeist erstere Route, doch wird von ihr bei Einschiffung in Rotterdam, Havre oder Antwerpen auch die Route über Buchs in Benutzung genommen. Auch der Süden, Dalmatien, das Küstenland und Krain, zieht letztere Route, soferne seine Auswanderer wegen Einschiffung in Hamburg oder Bremen nicht über Leipzig gehen müssen, vor. Die Auswanderer Ungarns fahren meist über Oderberg, wo seitens der österr. Staatsbahnverwaltung eine freistehende Wartehalle mit einem Fassungsraum für 450 bis 500 Personen, nebst Dienstraum für den Arzt, Fahrkartenausgabe, Büffet, Geldwechsel, den nötigen Räumen für die Zollabfertigung u.s.w. erbaut wurde; die Auswanderer aus Kroatien und Slawonien halten sich jedoch fast ganz an die Route über Buchs, wo ebenfalls für sie besondere Räumlichkeiten vorgesehen wurden. Den gleichen Weg wählen die Auswanderer der Balkanländer und die über die galizischen Grenzstationen einbrechenden Russen, die übrigens hier bei Wien berühren. Wo ein Sammeldienst organisiert ist, werden, was hauptsächlich von Ungarn gilt, die Auswanderer in geschlossenen Zügen befördert, sonst erfolgt die Auswandererbeförderung größtenteils in besonderen Wagen, auch wird ab und zu für die Verköstigung während der Landreise vorgesorgt.

v. Frey.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 331-333.
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331 | 332 | 333
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