Bepflanzung

[203] Bepflanzung der Bahngrundstücke (tree planting on railway ground; boisement des talus; coltivazione dei terreni ferroviarii) erfolgt zum Schutze gegen Gleichgewichtsstörungen infolge äußerer Einwirkung, zur Abgrenzung der Bahngründe, zur Erzielung einer Nutzung, zu Zierzwecken oder aus Gesundheitsrücksichten.

A. Die Auf- und Abtragsböschungen werden gegen Abwaschungen und gegen das Eindringen der Niederschläge, abgesehen von anderen Mitteln, durch Besamung (mit Gras-, Klee- oder gemischtem Samen) nach vorangegangener Bedeckung mit Muttererde (Humus) oder durch Belegen mit Kopf- oder Flachrasen geschützt.

Ist Muttererde nicht vorhanden und der Untergrund der Bildung einer festen Grasnarbe ungünstig, so kann durch eine B. mit Sträuchern und Bäumen eine gute Befestigung der Böschungen[203] erzielt werden, weil die Wurzeln tief genug in den Boden eindringen, um nicht unter Trockenheit zu leiden, und unter der Oberfläche ein festes schützendes Geflecht bilden. Die Urteile über den Wert derartiger Anpflanzungen sind sehr verschieden. Als Grund gegen die B. der Böschungen mit Sträuchern oder Bäumen wird angeführt, daß der Holzwuchs die Lüftung hindert, Nebel und Regen anzieht oder aufhält und dadurch das Eindringen des Wassers in den Boden erleichtert, während die B. neben der Sicherung der Böschung hauptsächlich den Zweck haben soll, die Böschungen trocken zu erhalten. Das Bedenken ist besonders bei B. von Bahneinschnitten zu berücksichtigen.

Bei trockenen Bodenarten und in sonnigen Lagen werden zur B. von Böschungen meistens Ginster, Stachelginster, Akazien, Birken, Ahorn, Eschen, Fichten, Rottannen, gewisse Obstarten u.s.w., bei feuchtem Boden Weiden, Erlen, Hainbuchen, Ulmen u.s.w. verwendet.

Pflanzungen werden auch anstatt der sonst üblichen Einfriedungen als Schutzmittel gegen das Betreten der Bahn sowie zum Schutze gegen den Schnee angelegt. Derartige lebende Hecken werden sehr dicht und gewöhnlich bis zur Höhe von 1∙5 m gezogen (Weißdorn, Heckenrosen, Fichten und Rottannen).

Alle diese Arten der B. werden ohne Rücksicht auf Ertrag und nur als Schutzmittel für den Bestand und Betrieb der Bahn angelegt.

B. Seit Jahrzehnten wird immer wieder angeregt, Eisenbahngrundstücke, die brach liegen, mit ertragsfähigen Obst- und Gehölzarten zu bepflanzen, weil bei zunehmender Ausdehnung der Eisenbahnen der Landwirtschaft und dem Gartenbau immer ausgedehntere Ländereien verloren gehen und bei fortschreitendem Anwachsen der Bevölkerung der fehlende Ertrag dieser Flächen fühlbar werden kann.

Bei der preußischen Eisenbahnverwaltung wird die Anpflanzung von Obstbäumen, Akazien, Korbweiden und anderen den klimatischen und Bodenverhältnissen entsprechenden Baumarten, namentlich die B. mit Maulbeersträuchern empfohlen. Die Anpflanzungen erfolgen nicht nur zur Erzielung eines Ertrages, sondern auch zum Schutze der einheimischen Vögel und zur Pflege der Bienenzucht. Seit 1908 wurde die Pflege und Weiterentwicklung von Obstbaumanpflanzungen an eisenbahnfiskalischen Böschungen und Nebenländereien noch dadurch gefördert, daß eine Anzahl geeigneter Bahnmeister und Unterhaltungsarbeiter zur Teilnahme an Obstbau- und Obstverwertungskursen bestimmt wurde.

Auch in Österreich wurde etwa 1870 die B. der Böschungen mit Maulbeersträuchern beim Handelsministerium angeregt, auf Grund eines fachmännischen Gutachtens aber als unzweckmäßig erklärt, weil nach der Beschaffenheit der Verwurzelung dieser Pflanze eine Festigung des Erdreiches nicht erzielt wurde. Hingegen wurde den österreichischen Bahnen die B. mit Korbweiden empfohlen, weil sie einen guten Ertrag abwirft, zur Befestigung der Böschungen beiträgt und die Korbflechtindustrie fördert. Hierzu wurden empfohlen: salix viminalis für feuchten, salix purpurea für trockenen und sandigen und salix prucinosa für unfruchtbaren Sandboden.

In Sachsen wurde im Landtage 1878 darauf hingewiesen, daß eine B. mit niedrigen Obstbäumen oder Korbweiden ein besseres Erträgnis liefern dürfte als Grasnutzung.

Besonders empfohlen werden als Hauptpflanzung Kern- und Steinobst, als Unterpflanzung Beerenobst; für freie ebene Strecken Hochstämme von Kernobst; für engbegrenzte Landstriche Pflaumen, für mäßig erhöhte Bahndämme (mit Rücksicht auf die Aussicht) Halbstämme von Kern- und Steinobst, als Unterpflanzung Johannis-, Stachel- und Himbeeren; in tieferen Einschnitten Himbeeren und Brombeeren; längs Strecken in Waldungen Haselnuß und an tief und feucht liegenden Strecken Weiden.

Der B. der Böschungen und des an die Gleise anschließenden Geländes stehen gewisse Bedenken entgegen. Wenn auch die Anpflanzung selbst mit keinen Schwierigkeiten verbunden ist, so ist doch eine sorgfältige Pflege erforderlich. Abgesehen von der Schwierigkeit der richtigen Auswahl der Pflanzen erfordern die Düngung-, das Anbinden, das Ausschneiden, die Veredlung, der Schutz der Bäume gegen Frost und Wildfraß und das Abraupen größeren Zeitaufwand, Verständnis, Lust und Liebe zur Sache. Das Bahnaufsichts- und Bahnunterhaltungspersonal ist durch seine eigentlichen Obliegenheiten so in Anspruch genommen, daß die freie Zeit der Ruhe gewidmet werden muß. Der Weg, die Pflege und Erhaltung der Pflanzungen an Unternehmer gegen teilweise oder gänzliche Überlassung des Ertrages zu vergeben, stößt auf die Schwierigkeit, daß den Bediensteten des Unternehmers das Betreten des Bahnkörpers gestattet werden muß, was leicht Unzuträglichkeiten im Gefolge haben kann. Dazu liegt die Gefahr nahe, daß schlecht beaufsichtigte Pflanzungen die Fernsicht für den Lokomotivführer beeinträchtigen und die elektrischen Leitungen beschädigen; auch können infolge Sturmes stürzende Bäume großen Schaden anrichten und den Betrieb gefährden.[204]

Daß jedoch alle diese Schwierigkeiten überwunden werden können, zeigen die Pflanzungen an den niederländischen Staatsbahnen. Im Jahre 1879 bildete sich unter dem Namen »Een nationaal belang« eine Genossenschaft von Baumzüchtern und schloß mit der Gesellschaft zum Betriebe der Staatsbahnen einen Vertrag wegen B. der Böschungen und sonstigen der Gesellschaft gehörigen Ländereien, der die Genehmigung des Handelsministeriums erhielt. Die Genossenschaft verpflichtete sich, die ihr übergebenen Grundflächen unter Aufsicht des Bahnpersonals auf eigene Kosten und Gefahr zu bepflanzen, für die Erhaltung Sorge zu tragen und die bestehenden Grasflächen tunlichst zu schonen. Der Reinertrag aus der Grasnutzung und ein Dritteil des Reinertrages aus dem Verkauf von Früchten u.s.w. ist an die Bahnverwaltung abzuliefern. Die Anpflanzungen bleiben Eigentum der Genossenschaft. Werden bepflanzte Flächen für Betriebszwecke benötigt, so hat die Genossenschaft die Pflanzen innerhalb eines Monates auf eigene Kosten zu entfernen. Die Beförderung der Pflanzen, des Arbeitsgeräts und des mit der B. betrauten Personals erfolgt kostenlos. Dieser Vertrag wurde zunächst mit der Gesellschaft zum Betriebe der Staatsbahnen auf 25 Jahre abgeschlossen; zurzeit (1910) steht die Genossen-schaft auch mit der holländischen Eisenbahngesellschaft im Vertragsverhältnis.


Die Pflanzungen gedeihen und die Genossenschaft hat bei einem Kapital von 60.000 holl. Gulden (= 101.250 M.) im Jahre 1909, das sie in ihrem Geschäftsberichte als schlecht bezeichnet, für Früchte




u.s.w. einen Erlös von9.551 M.
erzielt; nach Abzug der Betriebsausgaben von3.789 M.
verblieben5.762 M.
die folgendermaßen verteilt wurden:
Gesellschaft für den Betrieb der Staatsbahnen2.439 M.
Holländische Eisenbahngesellschaft 744 M.
21/2 % Dividende der Genossenschaft2.532 M.
Saldo 47 M.

Es wurden gepflanzt: Äpfel-, Birn- und Pflaumenbäume, Stachel-, Himbeer- und Johannisbeersträucher, Kohl, Kartoffeln, Rüben, Zwiebeln und Korbweiden.


Aus den in den Niederlanden gewonnenen Erfahrungen ergab sich bezüglich der Behandlung der Anpflanzungen folgendes:

1. Wo sich der Boden für Weidenbau eignet, ist dieser am schnellsten gewinnbringend. 2. Obstbäume sollten nur in nicht allzu magerem Boden gepflanzt werden. 3. Der Boden rings um die Obstbäume muß von Gras und Unkraut rein gehalten und reichlich gedüngt werden. 4. Für die Instandhaltung der Bäume ist stets Aufsicht erforderlich. 5. Für Äpfel und Birnen empfiehlt sich die Wahl von frühen Sorten.

In Deutschland und Österreich wurde hauptsächlich der Weidenkultur Sorgfalt zugewendet. Ausgedehntere B. mit Weiden finden sich besonders an Materialgewinnungsplätzen (Ausschachtungen), die bis zur Sohle des Grundwassers oder auch unter diese reichen. Gewöhnlich werden Parallelgräben ausgehoben, mit dem gewonnenen Material kleine Dämme gebildet und diese bepflanzt. Im Gebiete des Vereines deutscher Eisenbahnverwaltungen ist die Frage der B. noch immer strittig; doch haben sich in neuerer Zeit besonders Betriebsfachmänner vielfach gegen die B. ausgesprochen.

In Belgien bestehen hauptsächlich lebende Einfriedungen aus Äpfel- und Birnbäumen in Spalieren. Mit diesen Pflanzen wurden gute Erfolge erzielt; das gleiche gilt von den in Frankreich bestehenden Kulturen. In England sind lebende Hecken gepflanzt, die Böschungen bloß berast.

In Amerika legte die Besorgnis, daß das rasche Steigen der Holzpreise die Kosten für die Schwellen zu einer unerträglichen Höhe hinaufschrauben werde, den Gedanken nahe, die erträgnislosen, sehr ausgedehnten Ländereien der Eisenbahnen (right of way) mit Bäumen zu bepflanzen und zur Erzeugung von Schwellen zu benützen. Schon in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts pflanzte die St. Louis, Iron Mountain & Southern Ry. Hunderttausende von Bäumen; ihrem Beispiele folgten viele andere Eisenbahnen. Man bevorzugte damals die weiße Esche, schwarze Walnuß, die wilde Kirsche, Ailanthus u.a. Die anfangs dicht stehenden Bäume ergaben in den ersten Jahrzehnten beim Verdünnen Hölzer für die Einfriedungen und sollten später Telegraphenstangen und Schwellenhölzer liefern. In den ersten 40 Jahren haben diese Versuche – soweit es sich um Schwellen handelte – kein befriedigendes Ergebnis gehabt. Trotzdem haben mehrere große Eisenbahnen neuerdings Hunderttausende von Bäumen gepflanzt, wobei besonders die echte Kastanie und Catalpa speciosa als ausgezeichnete Schwellenhölzer bevorzugt wurden. Das Ergebnis dieser Versuche ist abzuwarten.

C. Neuerdings werden zuweilen Anpflanzungen auf Dämmen oder ungenützten Flächen zwecks Verschönerung des Landschaftsbildes durchgeführt. Diese Anpflanzungen lassen sich mit geringen Kosten herstellen, weil keine vollständige B. der Flächen, sondern nur die Anordnung von einzelnen Baumgruppen erforderlich wird, für die man vorteilhaft immergrüne Bäume und Sträucher verwenden kann.

D. Über Nutz- und Zierpflanzungen auf Bahnhöfen s. Bahnhofgärten.

E. Zu erwähnen ist die B. mit dem Fieberbaum (Eucalyptus), der in den südlichen Lagen Europas leicht gedeiht und ähnlich wie[205] die Weide in Ausschachtgräben verwendet wird. Die Bahnverwaltungen wurden in Südeuropa zur Herstellung derartiger Anpflanzungen aus Gesundheitsrücksichten von den staatlichen Aufsichtsbehörden veranlaßt. Auch anderwärts haben die Weidenpflanzungen in feuchtem Gelände gesundheitlichen Wert.

Literatur: Petzold, Die Pflanzung von Obstbäumen und Sträuchern an Eisenbahnen und Chausseen, Dresden 1868. – Lukas, Die Bepflanzung der Eisenbahndämme und -böschungen. Ravensburg 1870. Heusinger, Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik. Leipzig 1877. – Camp, Notes on Track, Selbstverlag, Auburn Park, Chicago 1903.

v. Enderes.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 203-206.
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