Brückenbuch

[101] Brückenbuch, die Zusammenfassung aller Ausführungseinzelheiten, der Ergebnisse der Materialproben, einer Skizze des Tragwerks, der ungünstigsten Belastung und Festigkeitsberechnung des Tragwerks, der vorgenommenen Belastungsproben einschließlich der gemessenen Formänderungen des Tragwerks. Für jede Brücke ist in der Regel ein besonderes B. anzulegen; sind mehrere ungleiche Tragwerke im Zuge einer größeren Brücke, so muß für jedes ungleiche Tragwerk ein B. angelegt werden. Besonders eingehende Vorschriften über das B. finden sich in Österreich, Belgien u.s.w. Nach den österr. Vorschriften gliedert sich jedes B. seinem Inhalt nach in 5 Gruppen, die als Brückenbuch I bis V bezeichnet sind. Jedes dieser Bücher hat am Titelblatte die Bezeichnung der Bahnverwaltung, der Strecke, des Betriebs/km und des Namens der Brücke, der Anzahl der Öffnungen und Gleise zu enthalten. Wird ein Tragwerk umgestaltet, verstärkt oder an anderer Stelle versetzt, so ist ein neues B. anzulegen, dem das bisherige als wesentlicher Bestandteil beizuschließen ist.

Brückenbuch I enthält die kilometrische Lage (Betriebs/km), Baujahr, Anzahl der Gleise, Breite der Straßenfahrbahn, Anzahl und Breite der Gehwege, Winkel zwischen Bauwerksachse und Bahn- oder Straßenachse, Neigung des Gleises oder der Straße, Richtung des Gleises (Halbmesser, Überhöhung des äußeren Schienenstranges), Lichtweite, senkrecht gemessen (in der Höhe des Nullwassers oder Terrains), Lichtweite in der Bahn- oder Straßenachse gemessen (in der[101] Höhe der Auflagerquader), Stützweite, größte Höhe der Hauptträger, Lage der Fahrbahn (oben, versenkt, unten), Konstruktionssystem, u. zw. Haupt-, Quer-, Längsträger, Bahnbestandteile, (bei Eisenbahnbrücken Art des Oberbaues, Quer-, Lang-, Holz-, Eisenschwellen, beschotterte Fahrbahn, Schienensystem, Dilatationsvorrichtungen, Sicherheitsschienen und -schwellen, Art und Befestigung des Brückenbelages, bei Straßen- und Wegbrücken die Konstruktionsart der Fahrbahn, Holz- oder Eisenbelag, gepflastert, beschottert u.s.w.), Windstreben, Widerlager, Zwischenpfeiler, Zweck der an Bahnbrücken vorhandenen Gehwegkonstruktionen (ob für Bahnbedienstete oder öffentlichen Verkehr), räumliche Anordnung, Art der Lager, Geländer und Rettungsnischen, geringste Höhe der Konstruktionsunterkante über dem Lichtraumprofile der darunter liegenden Lokomotiveisenbahn; Vorkehrungen zum Schutze gegen das Anbrennen, kleinster Abstand zwischen dem bekannten Höchstwasserstande und der Konstruktionsunterkante, bzw. dem tiefsten Teile der Lager, Wasserbottiche (Anzahl), Revisionsstege (Fahrstuhl, vorhandene Leitungen, Schutz vor Starkstromleitungen), Informations- und Warnungstafeln bei Straßen- und Wegbrücken, Gattung des Materials des Tragwerks, der Widerlager und Zwischenpfeiler, Bodengattung des Baugrundes und Belastung desselben in kg/cm2, liefernde Brückenbauanstalt, behördliche Genehmigung der Bauentwürfe, u. zw. für die Anlage der Widerlager und Zwischenpfeiler, für das Tragwerk und für allfällige militärische Anforderungen, Straßenverwaltungs- und Aufsichtsbehörde, Festigkeitsberechnung zum Bauentwurfe (zu grunde gelegte Belastungsnorm, bleibende Last in kg für den laufenden m Brücke, größte Inanspruchnahme auf Zug oder Druck in kg/cm2), Standsicherheit der Brücke (bei belasteter und unbelasteter Brücke), erstmalige Hauptprüfung, Kollaudierung, Abweichungen von der plangemäßen geometrischen Form des Hauptträgers sowie Zeitpunkt der Wahrnehmung, u. zw. im wag- und lotrechten Sinne, Temperatur- und Witterungsverhältnisse zur Zeit der Beobachtung und vor dieser, etwaige in der Folge diesfalls wahrgenommene Änderungen mit Angabe des Zeitpunktes (diese Abweichungen werden am besten durch kotierte Skizzen in verzerrtem Maßstabe gekennzeichnet; wichtig hierbei sind die Kenntnis der Temperatur, der Witterungsverhältnisse sowie des Umstandes, ob der eine oder andere Träger der direkten Sonnenbestrahlung ausgesetzt ist. Bei Tragwerksverstärkungen ergeben sich ebenfalls Änderungen; diese sind durch Aufnahmen vor und nach der Verstärkung festzulegen. Auch Änderungen der geometrischen Form infolge außerordentlicher Ereignisse wie Entgleisung, Felssturz, Hochwasser u. dgl. sind hier festzulegen). Des weiteren enthält B. I die Vormerkung der Zahl und des Gegenstandes aller auf die Brücke bezughabenden Erlässe, endlich Zeitpunkt, Art und Folgen von außerordentlichen Ereignissen bei der Brücke (Entgleisung, Felssturz, Lawinen, Hochwasser, Brand u.s.w.) sowie Art der Behebung der Folgen.

Brückenbuch II enthält die Ergebnisse der Güteproben und die Herkunft des Materials, u. zw. für Schweiß- u. Flußeisen, die Herkunft, Erzeugungsart, kleinste und größte Zugfestigkeit und zugehörige Dehnung in der Walzrichtung und quer zu dieser, kleinstes Produkt aus Zugfestigkeit und Dehnung ebenfalls nach beiden Walzrichtungen, für Roheisen- und Stahlguß die Herkunft, Erzeugungsart, kleinste Zugfestigkeit, kleinste Druckfestigkeit, bzw. kleinste Dehnung in %; für Stein die Gattung, Herkunft, Druckfestigkeit sowohl der Auflagerquader als auch des sonstigen Steinmaterials; für Zement zur Herstellung des Mörtels und Betons Gattung, Herkunft, kleinste Zugfestigkeit nach 7 und 28 Tagen, kleinste Druckfestigkeit nach 28 Tagen; für Mörtel und Beton Gattung und Herkunft des Sandes und Schotters, Mörtel- bzw. Betonmischungsverhältnis.

Brückenbuch III enthält schematische Skizzen der Brücke, u. zw. die Ansicht, bzw. Längenschnitt unter Angabe der Höhe der Schwellenoberkante, der Konstruktionsunterkante, des Hoch- und Niederwassers, der Objektssohle, ferner der Lichtweiten und Pfeiler-, bzw. Widerlagerstärken. Grundriß der ganzen Brücke mit eingezeichnetem Gleise, schematische Darstellung des Hauptträgers und der Windverbände, Querschnitt durch das Tragwerk, Querschnittsprofile der Vollwandträger (Haupt-, Quer- und Längsträger), der Gurte, Streben, der Windverbände, der Belageisen u.s.w. mit Angabe der jeweiligen Nietabzüge, die Deckung der Stöße der einzelnen Tragwerksteile.

Brückenbuch IV enthält die ungünstigsten Belastungsschemen für die Gurten, Streben, Quer- und Längsträger sowie der sonstigen Konstruktionsteile, die größte gestattete Fahrgeschwindigkeit sowie die Ergebnisse der Festigkeitsberechnung, u. zw. die Bezeichnung der einzelnen Konstruktionsteile, die größten Stabkräfte, bzw. größten Biegungsmomente von der bleibenden Last, den Wärmeschwankungen und der Verkehrslast einschließlich[102] der Fliehkraft, ferner die Kräfte vom Winddruck und jene von den Seitenschwankungen sowie allenfalls auftretende sonstige Kräfte; sodann die nutzbare Querschnittfläche und das Widerstandsmoment, die Inanspruchnahme aller Baumaterialien, u. zw. gesondert nach den verschiedenen Kräften.

Brückenbuch V enthält alle Daten und Einzelheiten der vorgenommenen Untersuchungen, bzw. Erprobungen, u. zw. die Ergebnisse der erstmaligen Hauptprüfung, allenfalls einer von der Bahnverwaltung vorhergegangenen internen Prüfung, die Ergebnisse der Kollaudierung, die bei den regelmäßig wiederkehrenden Untersuchungen (Turnusprüfungen) gemachten Wahrnehmungen und hierbei gewonnenen Probeergebnisse, endlich die Wahrnehmungen und Erprobungen, die bei Untersuchungen anläßlich außerordentlicher Ereignisse gemacht, bzw. gewonnen wurden. Für jede dieser verschiedenen Erprobungen sind anzugeben die Bezeichnung, Zeitpunkt, größtes Biegungsmoment der Probelast auch in % des Rechnungsmoments ausgedrückt, die berechnete elastische Formänderung sowie die gemessene sowohl bei ruhender als auch bei rollender Last mit Angabe in mm und auch in der Stützweite ausgedrückt; endlich die Ergebnisse der Untersuchung für die verschiedenen Konstruktionsteile.

Nowak.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 101-103.
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