Dampfstrahlpumpen

[248] Dampfstrahlpumpen, Injektoren (injectors; injecteurs; iniettori), Kesselspeisevorrichtungen, bei denen die durch Kondensieren eines Dampfstrahls erzeugte lebendige Kraft dem Wasser eine derartige Beschleunigung erteilt, daß dieses den entgegenstehenden Kesseldruck überwindet und in den Kessel eintritt. Dieser Wirkungsweise entsprechend besteht die D. aus einer Anzahl von Rohrstücken oder Düsen, die infolge ihrer Gestalt und Anordnung zur Einleitung und Erhaltung dieses Vorgangs geeignet sind.

Ebenso einfach wie die Wirkungsweise ist die Bauart der D., die keinen während des Arbeitens sich bewegenden Teil besitzen; hierin liegt ihr Vorzug vor den bei Lokomotiven und Stabilmaschinen zu gleichem Zweck seinerzeit ausschließlich benutzten Kolbenpumpen, die viele bewegte Teile besitzen, daher kostspielig zu erhalten sind.

Die Arbeitsweise einer D. ist (s. Abb. 214) im wesentlichen die folgende:

Der Dampf wird in eine Dampfdüse a eingeleitet, aus deren Öffnung er mit großer Geschwindigkeit in die Mischdüse b überströmt; hier mischt sich der Dampf mit dem in gleicher Richtung eintretenden Wasser, kondensiert sich darin und überträgt dabei seine lebendige Kraft auf das Wasser. Dieses erhält dadurch eine so große Geschwindigkeit, daß es den Durchstich zwischen b und c überspringt und in die Fangdüse c einströmt; hier wird seine Geschwindigkeit verzögert und dadurch der Druck derart erhöht, daß er den im Kessel herrschenden Druck übersteigt, so daß das Wasser in den Kessel einströmt.

Der Überlauf (Schlabberraum) d dient dazu, die Speisung einzuleiten; wenn zunächst der Wasserzufluß und dann allmählich der Dampfzufluß geöffnet wird, strömt das Wasser durch den Überlauf so lange aus, bis seine Geschwindigkeit groß genug geworden ist, um den Gegendruck in der Fangdüse zu überwinden. Sobald dies der Fall, tritt der Wasserstrahl in die Fangdüse über und das Ausströmen aus dem Überlauf hört auf. Wenn das Wasser der D. nicht durch Druckwirkung zufließt, so muß es angesaugt werden. Dies ist nicht ohneweiters möglich, weil der aus der Dampfdüse austretende Strahl sich in der engeren Mischdüse anstaut. In der Regel wird daher in die Dampfdüse eine sog. Saugspindel eingeschoben, die durch eine enge Bohrung einen feinen Dampfstrahl in die Mischdüse treten läßt und daselbst eine Luftverdünnung erzeugt, durch die das Wasser angesaugt wird. Erst nachdem dieses aus dem Überlauf ausströmt, wird durch Zurückziehen der Spindel die Dampfdüse ganz geöffnet und dadurch die D. in Gang gesetzt. Man unterscheidet daher saugende und nichtsaugende D.; letzteren muß das Speisewasser aus einem höher liegenden Behälter zufließen.

Aus der Wirkungsweise der D. ergibt sich, daß ihr sicheres Arbeiten an gewisse Bedingungen geknüpft ist; es müssen nicht nur die Düsen[248] passende Formen und Querschnitte erhalten, sondern es muß auch in der Mischdüse insbesondere ein rasches Kondensieren des Dampfes stattfinden; das Speisewasser darf daher eine gewisse Temperatur nicht überschreiten.

Wie warm das Speisewasser sein darf, hängt von dem System der D. ab. Als allgemeine Regel kann gelten: je höher der Dampfdruck im Kessel ist, desto weniger warm darf das Speisewasser sein. Aber auch der Überlauf hat auf die Wassertemperatur Einfluß. Die D. mit offenem Überlauf saugen Luft nach, weshalb sie weniger warmes Wasser nehmen als wenn der Überlauf mittels eines Ventiles von der Außenluft abgeschlossen ist. Wird der Überlauf noch künstlich belastet, so kann die Temperatur des Speisewassers bedeutend erhöht werden. Diese künstliche Belastung des Überlaufventiles wird auf verschiedene Weise ausgeführt. Entweder wird es, wenn die D. in Gang ist, durch das aus dem Druckrohr kommende Wasser niedergedrückt, oder es wird Dampf aus dem Zuleitungsrohr abgezweigt, um das Überlaufventil niederzuhalten. Diesen Einrichtungen haftet der Nachteil an, kompliziert und unverläßlich zu sein, weil bei der hier erforderlichen Verwendung von Kolben oder Schiebern der notwendige dichte Abschluß gegen den Überlaufraum schwer herzustellen ist. Die einfachste und am meisten verwendete Absperrung des Überlaufventiles ist die von Hand aus. Sie genügt in den Ausnahmefällen, wo mit übernormal warmem Wasser gespeist werden muß, vollkommen.

Der erste Erfinder der D. ist der Franzose Manoury d'Ectot, der im Jahre 1818 ein Patent auf einen Apparat (Abb. 215) nahm, den er »Dynatransfère« nannte, und der bereits die drei Hauptbestandteile: Dampfdüse, Wassersaugkammer und Mischdüse aufweist. Doch war dieser Apparat sowie auch der später (1848–1857) von Bourdon gebaute, nicht geeignet, als Kesselspeisapparat zu dienen. Es gebührt dem französischen Ingenieur H. Giffard das Verdienst, den ersten zur Dampfkesselspeisung geeigneten Apparat erfunden zu haben (Abb. 216).

Durch die Anordnung eines Trop-plein-(Überlauf) Raumes und die entsprechende Entfernung der Fangdüse von der Mischdüse erwies sich dieser im Jahre 1858 patentierte Apparat geeignet, unter Überwindung des Dampfdruckes Speisewasser in den Kessel zu fördern.

Die mannigfachen von 1858 bis 1868 aufgetretenen Bauarten, von denen die von Fletscher & Bower (1863), Sellers (1865), Krauß (1866), Schau (1866) als die bekannteren zu nennen wären, erlangten während dieses Zeitraumes keine erhebliche Verbreitung; es blieb vielmehr der Giffardsche Injektor der führende, bis der im Jahre 1868 von Alex. Friedmann in Wien patentierte Apparat bekannt wurde, der gleich zu Anfang eine rasche Verbreitung fand, immer weiter entwickelt, ausgebaut und vervollkommnet wurde und als der heute am meisten verwendete Lokomotivinjektor bezeichnet werden kann.

Alex. Friedmann ging von dem Grundgedanken aus, eine bessere Kondensation und gleichzeitige Verminderung der Stoßverluste zu erstreben; er erzielte dies dadurch, daß er die zu fördernde Wassermenge in mehreren Abteilungen schichtenweise zu dem durch die Mitte laufenden Dampfstrahl gelangen ließ (Abb. 217).

Während die verhältnismäßig schwere und wenig verläßliche Giffardsche D. die damals verwendete Dampfspeisepumpe nicht recht verdrängen konnte, wurde erst seit dem Auftreten der Friedmannschen D. die Dampfspeisepumpe immer mehr verlassen.[249]

Eine verbesserte Ausführungsform der D. von Friedmann, die im Jahre 1878 bekannt wurde, zeigt Abb. 218.

Die eine kurze Zeit hindurch im Lokomotivbetriebe vielfach verwendeten D. mit geschlossenem Schlabberraum, von Gebrüder Körting (Abb. 219) ermöglichen eine Speisung mit sehr warmem Wasser (65° C), haben aber den Nachteil, daß ein Abstoßen (Versagen) der D. während der Fahrt nicht gleich bemerkt wird, da der beim Abschlagen der D. ausströmende Dampf nicht ins Freie gelangt, sondern durch die D. nach dem Tender geleitet wird. Die hierdurch erfolgte Erwärmung des Gehäuses der D. macht ein Wiederanlassen in diesem Falle schwierig.

Den neuesten Fortschritt bilden jene Arten von D. (Restarting), die stets selbsttätig wieder in Gang kommen, wenn durch irgendwelche Ursachen, harte Stöße, Lufteinsaugen u.s.w. ein unbeabsichtigtes Absetzen stattgefunden hat. Bei diesen selbsttätig anspringenden D. wird das Wiederangehen dadurch erreicht, daß die ersten ins Freie tretenden Dampfmengen möglichst ungedrosselt durch den Überlaufraum austreten können. Zu diesem Zweck ist die Mischdüse entweder mit einer Klappe versehen (Bauart Davies & Metcalfe), oder die Mischdüse ist in der Richtung ihrer Längsachse verschiebbar (Bauart Gresham & Craven). Solche D. mit beweglichen Düsenteilen sind in England vielfach verbreitet, während im übrigen Europa sowie in Amerika die unbeweglichen Mischdüsen (Bauart Friedmann oder Seilers) bevorzugt werden. Die Möglichkeit des raschen Dampfaustrittes durch den Schlabberraum wird bei diesen mit festen Mischdüsen ausgestatteten D. dadurch erreicht, daß die Mischdüse mit senkrecht zu ihrer Achse angeordneten Schlitzen versehen ist. Zudem haben diese D. – im Gegensatz zu den mit beweglichen Mischdüsen versehenen, die mit einer Dampfdüse arbeiten – zwei konzentrisch angeordnete Dampfdüsen. In letzter Zeit hat die Dampfzuführung insofern eine Änderung erfahren, als nach Bauart Friedmann der Ringraum zwischen den beiden konzentrischen Dampfdüsen erheblich vergrößert wurde und die Bestimmung der Ringdampfmengen nicht durch den Ringquerschnitt selbst, sondern durch entsprechende Bemessung der in den Ringraum führenden Öffnungen für den Dampf erfolgt.

Auch wird neuestens in den Wasserweg, kurz vor Eintritt in die Düsen, ein Sieb eingebaut (Bauart Friedmann), das das eintretende Wasser reinigt, eine überaus zweckmäßige Einrichtung, da ein großer Teil der Versager an dem Eindringen und Festklemmen von Fremdkörpern im Düsensystem zuzuschreiben ist.

Als Kombinationsdampfstrahlpumpen (Abb. 220), bezeichnet man Apparate, die außer einer vollständigen D. das Dampfventil und das Speiseventil enthalten. Diese Apparate werden von den Lokomotivkonstrukteuren sehr gerne verwendet, da sie an der Kesselrück- oder -seitenwand, sowohl lotrecht als auch wagrecht leicht angebracht werden können.

Kombinationsdampfstrahlpumpen werden viel in England, Belgien, Österreich und Rußland verwendet; die bekanntesten Bauarten sind jene von Friedmann, Gresham & Craven, Davies & Metcalfe und Holden & Brooke.

Wahl zwischen saugenden und nichtsaugenden D. Erstere sind empfindlicher als[250] nichtsaugende, sie gehen schwerer an, wenn die Rohrleitungen ungünstig angeordnet oder Undichtigkeiten vorhanden sind, ebenso bei starker Erwärmung der D. und an den Grenztemperaturen des Speisewassers.

Die Umstände, die die Wirkung der saugenden D. bereits nachteilig beeinflussen, machen sich bei der nichtsaugenden D. noch nicht fühlbar. Dafür hat die nichtsaugend angeordnete D. den Nachteil, daß sie nicht im Handbereich des Führers ist und daß zur Betätigung des Wasserhahnes, des Schlabberventiles und des Purgierhahnes Gestänge notwendig sind. Die von der Außentemperatur stark beeinflußte nichtsaugende D. kann durch Einfrieren des Wassers in den Rohrleitungen und im Körper der D. selbst geschädigt werden.

Es empfehlen sich daher bei warmem Klima, wenig geschultem Bedienungspersonal und bei hochgelegenen Gebirgsbahnen die nichtsaugenden D., in Ländern nordischen Klimas die D. saugender Anordnung.


Rohrleitungen für die D.


Dampfzuleitung. Das Dampfrohr soll tunlichst hoch in den Dampfdom hinaufragen, von der Regulatoröffnung möglichst entfernt gelegt und abgebogen werden, um der D. trockenen Dampf zuzuführen und zu verhindern, daß bei geöffnetem Regulator der D. der Dampf weggesaugt werde. Besteht das Dampfrohr aus mehreren Stücken, so müssen die Verbindungsflanschen oder Verschraubungen vollkommen dicht sein. Das Dampfrohr soll keine Säcke bilden und keine, auch nur örtliche Verengung aufweisen.

Wasserzuleitung. Scharfe Krümmungen, Säcke und selbst lokale Verengungen sind hier besonders schädlich; absolute Dichtigkeit der Wasserleitungen ist, insbesondere bei saugenden D. unumgänglich notwendig, da die geringsten Öffnungen und Haarrisse, durch die Luft eintreten kann, das Ansaugen der D. beeinflussen. Es ist darauf zu achten, daß der Tenderhahn den vollen vorgeschriebenen Querschnitt gibt. Das Tenderwasser muß vor Zutritt[251] zur D. durch ein Sieb geleitet werden, dessen Löcher zusammen mindestens den vierfachen Querschnitt der Rohröffnung haben müssen.

Schlabberrohr. Die Schlabberrohrleitung ist ähnlich der Dampfaustrittsleitung einer Dampfmaschine auszubilden. Sie soll ohne die geringsten Querschnittsverengerungen möglichst geradlinig, für den Lokomotivführer sichtbar ins Freie ausmünden. Es empfiehlt sich, das Schlabberrohr möglichst kurz anzuordnen. Das Schlabberrohr des saugenden Apparates muß oberhalb des höchsten Tenderwasserspiegels mit einem Luftloch von etwa 10 mm versehen sein, damit es nicht als Heber wirkend den Tender entleeren könne.

Druckleitung. Verengungen und Krümmungen der Druckleitung vermindern die Leistungsfähigkeit der D. Da Ablagerungen von Kesselstein nach längerem Betriebe Querschnittsverengungen herbeiführen, muß das Druckrohr von Anbeginn reichlich bemessen sein.

Sonstige Verwendung der D. Neben ihrer Hauptbestimmung, der Kesselspeisung, dienen die D. auch vorübergehend nachstehenden Zwecken:

1. Zum Ablassen des Dampfes bei Außerbetriebsetzung der Lokomotive. Hierzu wird das Schlabberventil geschlossen, das Dampfventil geöffnet, und durch dieses der Dampf in den Tender geleitet.

2. Zum Bespritzen der Kohle und zum Einspritzen in den Aschenkasten, wenn an der D. die entsprechenden Vorkehrungen angeordnet sind.

3. Zu Löschzwecken bei Feuergefahr.

Die Leistungsfähigkeit der D. richtet sich nach der Größe des engsten Querschnittes der Fangdüse und ist je nach der Bauart der Apparate sehr verschieden. Bezeichnet man den engsten Querschnitt der Fangdüse mit d in mm, so beträgt die Liefermenge in 1/2 Minute bei erstklassigen Systemen d2 l, welche Menge bei den meisten anderen Bauarten bis auf die Hälfte vermindert ist. Der kleinste Durchmesser der Fangdüse d in mm gibt im Handel die Größe der D. an. Die Größe der D. für eine bestimmte Lokomotive richtet sich nach der Heizfläche des Kessels. Je nach der Art und Verwendung der Lokomotive verdampft 1 m2 Heizfläche erfahrungsgemäß zwischen 30 und 55 l Wasser in der Stunde. Zur Bestimmung der Größe der D. rechnet man aus Sicherheitsgründen mit dem doppelten Wasserverbrauch.

Die D. wird heute überall als Speisevorrichtung an Lokomotiven verwendet; am verbreitetsten sind in Deutschland die Systeme Friedmann, Strube, Körting, Schäffer & Budenberg; in Österreich Friedmann, in Frankreich Friedmann, in England Gresham, in Amerika Sellers und Nathan.

Blauhorn.

Abb. 214.
Abb. 214.
Abb. 215.
Abb. 215.
Abb. 216.
Abb. 216.
Abb. 217.
Abb. 217.
Abb. 218.
Abb. 218.
Abb. 219.
Abb. 219.
Abb. 220.
Abb. 220.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 248-252.
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248 | 249 | 250 | 251 | 252
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