Desinfektionsgebühren

[285] Desinfektionsgebühren (disinfection taxes; frais de désinfection; spese per disinfezione), Gebühren, die von den Eisenbahnen als Ersatz ihrer Selbstkosten und Leistungen bei der behördlich vorgeschriebenen Desinfektion (s.d.) von zur Beförderung von Tieren und tierischen Rohprodukten verwendeten Wagen eingehoben werden können. Über die Verrechnung der Anteile an den D. für die Auf- und Abgabsbahn bestehen zwischen den Eisenbahnverwaltungen zumeist besondere Vereinbarungen und werden die angefallenen D. in der Regel wie die übrigen Nebengebühren aus dem Güterverkehr behandelt.

Die Gebühren sind unabhängig von der Entfernung, auf die das Vieh befördert wird, unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Beträge der Selbstkosten für alle Stationen im Bereiche einer und derselben Eisenbahnverwaltung in gleicher Höhe, u. zw. in einem Satz lediglich für den Wagen, oder Wagenboden (Etage) oder für die Einzelsendung festgesetzt.


1. In Deutschland werden laut Eisenbahnverkehrsordnung und dem deutschen Tiertarif, Teil I, gültig vom 1. April 1909 dann der Ausführungsbestimmung II zu § 50 der Eisenbahnverkehrsordnung an D. in allen deutschen Staaten eingehoben:

  • a) für einbödige Wagen 1 M.;
  • b) für mehrbödige Wagen 2 M.;
  • c) für Geflügelspezialwagen mit besonderer Einrichtung, d. s. Käfige, Futtertröge u.s.w. 30 M.;
  • d) für Stücksendungen: Großvieh für jedes Stück 0∙5 M., für die Sendung höchstens 1 M.;
  • e) für Stücksendungen: Kleinvieh, für jedes Stück 0∙1 M., höchstens für die Sendung 0∙5 M.;
  • f) für Kleinvieh in Käfigen, Kisten u.s.w. wird eine D. nicht eingehoben;
  • g) im übrigen wird bei Beförderung fäulnisfähiger Stoffe eine D. von 1 M. für den Wagen eingehoben.

In Württemberg und Bayern wird auch für Militärsendungen die D. eingehoben.

2. In Österreich-Ungarn, in Bosnien und der Hercegovina gelten nach dem vom 1. Januar 1910 gültigen Eisenbahntarif, Teil I, rücksichtlich der D. folgende Bestimmungen:

a) für die Desinfektion der zur Beförderung von Tieren benützten Eisenbahnwagen werden erhoben für

1. Stiere, Ochsen, Kühe, Pferde, Fohlen, Ponys, Maultiere, Esel, ohne Rücksicht auf die Anzahl der in die Eisenbahnwagen verladenen Tiere, Kälber, Lämmer, Schafe, Widder, Hammel (Schöpse), Zicklein, Ziegen, Ziegenböcke, Spanferkel, Frischlinge und Schweine, wenn wenigstens 4Stück in einem Wagen verladen wurden:

α) für einen einbödigen Wagen oder für einen mehrbödigen Wagen bei Benutzung nur einer Etage 3 K;

β) für einen einbödigen Wagen mit mehr als 2 Achsen oder für einen einbödigen Wagen bei Benützung zweier Etagen einschließlich der Trommel 5 K;

2. Geflügel ohne Behältnisse:

α) für einen einbödigen Wagen mit 2 Achsen 3 K, mit mehr als 2 Achsen 5 K;

β) für einen mehrbödigen Wagen oder für einen Wagen mit bahneigenen Geflügelkarren bei Benützung einer Etage 3 K, bei Benützung von 2 Etagen 5 K, bei Benützung von 3 und mehr Etagen 7 K;

3. Kälber, Lämmer, Schafe, Widder, Hammel (Schöpse), Zicklein, Ziegen, Ziegenböcke, Spanferkel, Frischlinge oder Schweine, wenn weniger als 4 Stück in einem Wagen verladen, für 1 Stück 0∙80 K;

4. Geflügel in Behältnissen, für jedes Behältnis höchstens für jeden Wagen, die unter 2–α festgesetzten Gebühren;

5. andere lebende Tiere in Behältnissen, für jedes Tier 0∙10 K, mindestens für jede Sendung 0∙40 K, höchstens für jeden Wagen die unter 1 festgesetzten Gebühren;

  • b) für mehrbödige Wagen mit Abteilungen oder für Wagen mit bahneigenen Geflügel karren werden die unter a festgesetzten Gebühren auch dann eingehoben, wenn nur einzelne Abteilungen der Etagen oder Karren benützt werden;
  • c) fordert der Absender vor der Beladung die nochmalige Desinfektion der bereits desinfizierten Wagen, hat er d e unter a und b festgesetzten Gebühren zu entrichten;
  • d) für die Desinfektion der beim Verladen und Ausladen der Tiere benützten Platze, Stiegen, Schranken und Gerätschaften wird eine besondere Gebühr nicht erhoben;
  • e) die D. wird für jede Sendung ohne Rücksicht auf die Beförderungsstrecke nur einmal erhoben. Ausgenommen sind Sendungen, die aus einem der Eisenbahn nicht zur Last fallenden Grunde,[285] z.B. über behördliche Verfügung, umgeladen werden müssen; in diesem Falle wird die D. auch für den neu beigestellten Wagen in gleicher Höhe erhoben.

Für Sendungen von oder nach Schmalspurbahnen wird die D. sowohl für die Normalbahnen als auch für die Schmalspurbahnen erhoben;

  • f) werden statt eines vom Absender verlangten mehrbödigen Wagens zur Verladung von Lämmern, Ziegen, Kälbern und Geflügel, Wagen anderer Bauart beigestellt, wird für die Desinfektion von je 2 Wagen nur die für einen mehrbödigen Wagen entfallende D. von 5 K erhoben;
  • g) werden lebende Tiere in einer Versandstation von einem Absender gleichzeitig an mehrere Empfänger in derselben Bestimmungsstation oder in einer Versandstation von mehreren Absendern gleichzeitig an einen Empfänger in derselben Bestimmungsstation aufgeliefert und in einem Wagen befördert, so wird für sämtliche Sendungen die D. nur für einen Wagen erhoben.

Hiezu sei bemerkt, daß insbesondere die D. für Geflügelwagen viel zu klein bemessen ist, da z.B. in einem serbischen (C. E. S.) Geflügelwagen (M. D. W.) mit 7 Etagen sich außer den fixen Eisengerüsten noch 118 Futtertröge, 10 Fußbodentürchen und 786 Fußbodenbrettchen befinden, die einzeln aus den Wagen herausgenommen, sodann abgekratzt, gewaschen, desinfiziert und wieder in den Wagen eingebracht werden müssen.

3. In Belgien ist den Eisenbahnen gestattet, eine Gebühr für die Desinfektion des zum Viehtransport benutzten Betriebsmateriales zu erheben. Diese Gebühr beträgt bei Vollbahnen 3 Fr., bei Kleinbahnen 1 Fr. für den Wagen.

4. In Dänemark wird für die Reinigung und Desinfektion von Viehtransportwagen keine Gebühr eingehoben. Nur für die Reinigung und Desinfektion von Wagen nach der Beförderung von fäulnisfähigen Stoffen und Knochen sind 2 Kr. für den Wagen zu bezahlen.

5. In Frankreich sind die Bahnen (Ministerialverordnung vom 27. Oktober 1900) berechtigt, nachstehende D. einzuheben:

  • a) für Pferde, Fohlen, Esel, Maultiere für ein Stück 0∙40 Fr.;
  • b) für Ochsen, Stiere, Kühe, Jungvieh, Hirschkuh, Hirsch und Dammwild für ein Stück 0∙30 Fr.;
  • c) für Kälber, Schweine oder Rehbock für ein Stück 0∙15 Fr.;
  • d) für Hammeln, Schafe, Lämmer, Ziegen für ein Stück 0∙05 Fr.;
  • e) für Geflügel 0∙20 Fr. für 100 kg, mindestens 0∙10 Fr. für die Sendung.

Die obigen Taxen dürfen bei einbödigen Wagen den Betrag von 2 Fr., bei mehrbödigen Wagen den Betrag von 3 Fr. nicht überschreiten (s. Recueil genéral des Tarif généraux de chemin de fer pour grande et petite vitesse).

6. In Italien wird für die Wagenladung Vieh oder Geflügel die Gebühr von 1 Fr. eingehoben, gleich gültig, ob ein- oder mehrbödige Wagen benutzt werden. Für Einzelsendungen (nicht in Behältern) wird eine Gebühr von 0∙60 Fr. für jedes Tier, höchstens jedoch 1 Fr. für die Sendung berechnet. Für die Beförderung von Vieh, Geflügel u.s.w. in Körben, Kisten oder Käfigen beträgt die D. 10 Cts. für ein Kollo, höchstens jedoch 1 Fr. für die Sendung.

7. In den Niederlanden wird für jeden Wagen, einerlei, ob ein- oder mehrbödig, eine Gebühr von 0∙6 fl. eingehoben.

8. In Norwegen wird keine D. eingehoben. Nur in dem Falle, wenn der Versender eine besondere Reinigung des Wagens vor der Verladung ausdrücklich verlangt, ist eine Gebühr von 2 Kr. für den Wagen zu entrichten.

9. In Rußland wird von den Parteien keine D. eingehoben und erfolgt die Desinfektion der Wagen auf Kosten der Bahnverwaltung.

10. In Schweden wird keine D. eingehoben.

11. In der Schweiz hat der Bundesrat die Eisenbahnen ermächtigt, für die Desinfektion des Transportmaterials folgende Gebühren zu erheben, u. zw.:

I. Ganze Wagenladungen Vieh oder frische Häute, u. zw.: für einfache Wagen 3 Fr., für doppelbödige Wagen 4 Fr.;

II. Einzelnstücksendungen:

a) Großvieh (Pferde, Maulesel, Stiere, Ochsen, Kühe, Esel, Rinder und über 1 Jahr alte Fohlen) für den Kopf 75 Cts.;

b) Kleinvieh (Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen u.s.w.) für den Kopf, bzw. für die Kiste oder Behälter, wenn der Transport in solchen stattfindet 40 Cts.

Für alle Einzelsendungen dürfen höchstens 3 Fr. für den Wagen eingehoben werden.

III. für fäulnisfähige Stoffe werden für den Wagen 3 Fr., in Einzelsendungen 0∙75 Fr. eingehoben, wenn bei letzteren eine gründliche Reinigung und Desinfektion nötig war;

IV. für Geflügelsendungen wird sowohl bei Wagenladungen als auch bei Einzelsendungen keine D. eingehoben.

12. In Großbritannien und Irland werden als D. 1 sh. für den Wagen eingehoben.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 285-286.
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