Fahrkartensteuer

[481] Fahrkartensteuer. Unter dieser Bezeichnung ist in Österreich eine Verkehrssteuer eingeführt, die in der Form eines proportionellen Zuschlags zu den Fahrpreisen zur Einhebung gelangt.

Sie beruht auf dem Gesetz vom 19. Juli 1902. Der Abgabensatz ist für Hauptbahnen mit 12%, für Lokalbahnen mit 6% und für Kleinbahnen mit 3% vom jeweiligen, tatsächlich zur Einhebung gelangenden Fahrpreise festgesetzt.

Zum Zwecke der Steuerermittlung sind als Fahrpreis alle Transportgebühren zu betrachten, die als Entgelt für die Beförderung von Personen in Österreich unter welchem Titel immer zur Einhebung gelangen.


Es gehören somit dazu insbesondere auch die Gebühren für Sonderzüge, Sonderwagen und Ergänzungskarten sowie die Nachzahlungen. Dagegen sind die sonstigen Leistungen an die Eisenbahnverwaltung, wie Strafbeträge, die von den ohne Fahrkarte eingestiegenen Reisenden zu entrichtenden Zuschläge zum tarifmäßigen Preise, verfallene Gestellgelder und Wartegebühren für Sonderzüge, Gebühren für Bahnhofseintrittskarten, Reugelder bei Abbestellungen, bzw. die Vergütungen einzelner Reisenden für besondere von der Bahn in Anspruch genommene Leistungen, wie die Gebühren für Platzkarten, für die Benützung von Polstern, für die Hin- und Rückbeförderung der auf besonderes Verlangen der Reisenden gestellten Wagen, für die Kosten der Bewachung der Bahn außerhalb der Dienstzeit, für die Zusammenstellung oder Auflösung von Sonderzügen, die Ausfertigungsgebühren für Fahrbegünstigungsanweisungen u. dgl. darunter nicht zu subsummieren.


Im Verkehre mit direkten Fahrkarten nach und von den Ländern der ungarischen Krone, dann Bosnien und der Hercegovina sowie über diese Ländergebiete hinaus, beträgt die Abgabe 10% von jenem Teile des Fahrpreises, der auf die Beförderung in Österreich entfällt; gleichzeitig bleibt für diese Relationen[481] die Fahrkartenstempelgebühr (s.d.), die im gleichen Ausmaße auch in Ungarn besteht und im allgemeinen einer Abgabenbelastung von 2% des Fahrpreises entspricht, aufrecht.

Bei Hauptbahnen, deren normaler Tarif für die III. Wagenklasse durchschnittlich um mehr als 20% höher ist als der gleiche Tarif der österreichischen Staatsbahnen, ermäßigt sich der 12% ige Steuersatz für diese Wagenklasse auf 9∙5%, bzw. der 10%ige auf 7∙5%.

Die F. wird als Zuschlag zum Preise der Fahrkarte von den zur Zahlung desselben verpflichteten Personen durch die Eisenbahnverwaltungen eingehoben und an die Staatsverwaltung unmittelbar abgeführt. Auf der Fahrkarte ist der Fahrpreis zuzüglich der Abgabe ersichtlich zu machen.

Die Erhebung erfolgt seitens der Eisenbahnverwaltungen unentgeltlich, mithin für den Staat vollkommen kostenlos.

Von der Abgabe sind wegen persönlicher Eigenschaft befreit:

a) der Allh. Hof,

b) Personen, die in dienstlichen Reisen unter Anwendung des Militärtarifes befördert werden und

c) Arbeiter, soferne sie mit besonderen, um mindestens 50% des normalen Fahrpreises ermäßigten Arbeiter-Fahrkarten (Arbeiter-Wochenkarten, Arbeiter-Rückfahrkarten, Spezialkarten für Arbeiterzüge u. dgl.) befördert werden sowie arbeitsuchende von den hierzu bevollmächtigten öffentlichen Stellenvermittlungen legitimierte Arbeiter, deren Beförderung mit besonders ermäßigten Fahrkarten erfolgt.

Die sachliche Befreiung von der F. gemessen:

1. Der Personentransport auf Kleinbahnen, die den Verkehr in einer Gemeinde und ihrer Umgebung, innerhalb des Weichbildes der Gemeinde und des Umkreises von 10 km von der Gemeindegrenze aus vermitteln, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe des Fahrpreises.

2. Der Personentransport auf den mit Konzessionsurkunde vom 18. Dezember 1882 konzessionierten Bahnlinien der Wiener Stadtbahn auf die Dauer von 30 Jahren vom Zeitpunkte der Betriebseröffnung an gerechnet, mindestens bis zum 1. Januar 1928.

3. Der Personentransport auf direkten Fahrten im Übergangsverkehre zwischen den unter 2 gedachten und den künftig zu konzessionierenden Bahnlinien des Wiener Stadtbahnnetzes sowie den innerhalb des Wiener Stadtgebietes gelegenen Strecken der bestehenden Eisenbahnen.

Bei Fahrpreisermäßigungen irgendwelcher Art wird die F. nur von dem ermäßigten Fahrpreise, bei Freikarten überhaupt nicht eingehoben.

Dagegen unterwirft das Fahrkartensteuergesetz die im Eisenbahnverkehr ausgegebenen Anweisungen zur freien Fahrt sowie zur Fahrt zu ermäßigtem Preise einer besonderen Stempelgebühr.


Der von der staatlichen F. befreite Kleinbahnverkehr ist in Graz, Triest, Krakau und Czernowitz auf Grund besonderer Landesgesetze mit einer kommunalen Abgabe, einer Gemeindefahrkartensteuer belegt. Diese beträgt für jede zur einmaligen Befahrung einer im Stadtgebiete gelegenen Strecke berechtigenden Fahrkarte, ohne Rücksicht auf die Länge dieser Strecke, in Graz und Triest fix 2 h, in Krakau 2 h von den Karten I. Kl. und 1 h von den Karten II. Klasse, in Czernowitz für die Wagenabteilung I. Kl. 25%, für die Wagenabteilung II. Kl. 20% des jeweilig für die Beförderung im betreffenden Stadtgebiete zur Einhebung gelangenden Fahrpreises.

Von der Gemeindefahrkartensteuer sind im allgemeinen die Schüler-, Kinder- und Arbeiterkarten zu ermäßigten Preisen befreit.


Der finanzielle Ertrag der staatlichen F. stellt sich wie folgt: 1903 16∙4 Mill. K, 1907 20∙5 Mill. K, 1910 25∙3 Mill. K, 1911 26 Mill. K.

Hiervon entfallen annähernd auf den Hauptbahnverkehr 24,730.000 K, auf den Lokalbahnverkehr 1,280.000 K und auf den Kleinbahnverkehr 300 K.

Allgemein wird als F. auch die in Deutschland mit Ges. v. 1. August 1906 eingeführte Stempelabgabe von Fahrkarten, Fahrscheinen und sonstigen Ausweisen über die erfolgte Zahlung des Personenfahrgelds im Eisenbahnverkehr auf deutschen Bahnlinien bezeichnet. Sie beträgt bei einem Fahrpreise von


in der Wagenklasse - Pfennig

III II I
0·60 M. bis 2 M. 5 10 20
mehr als 2 M. bis 5 M. 10 20 40
mehr als 5 M. bis 10 M. 20 40 80
mehr als10 M. bis 20 M. 40 80160
mehr als20 M. bis 30 M. 60120240
mehr als30 M. bis 40 M. 90180360
mehr als40 M. bis 50 M.140270540
mehr als50200400800

Von der F. sind befreit die Fahrkarten unter 60 Pf., die zu ermäßigten Preisen ausgegebenen Militär-, Schüler- und Arbeiterkarten, Schnellzugszuschlagkarten, Fahrkarten III. Kl., wenn eine IV. Kl. nicht geführt wird, und der Fahrpreis III. Kl. den Satz von 2 Pf. für 1 km nicht übersteigt, endlich die Fahrkarten IV. Kl.

Von Zusatzkarten zum Übergang in eine höhere Wagenklasse ist die Abgabe in der Höhe des Unterschiedes zwischen dem Steuerbetrag für diese Klasse und dem zur Hauptkarte geschuldeten Steuerbetrag zu entrichten, Für halbe Fahrkarten ist die Hälfte der für[482] die ganze Karte festgesetzten Steuer, jedoch mindestens 5 Pf. zu entrichten. Zeitkarten und zusammengestellte Fahrscheinhefte gelten als eine Fahrkarte und wird die F. aus dem Gesamtpreis berechnet.

Im übrigen ist die deutsche F. viel geringer als die österreichische, da sie die Fahrpreise mit durchschnittlich nur 21/2% gegen 12% in Österreich belastet; sie trägt annähernd nur 20 Millionen Mark.

Wegen der in anderen Staaten bestehenden Transportsteuern von der Personenbeförderung s. Transportsteuern.

Raspottnigg.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 4. Berlin, Wien 1913, S. 481-483.
Lizenz:
Faksimiles:
481 | 482 | 483
Kategorien:

Buchempfehlung

Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon