Gepäcktunnel

[299] Gepäcktunnel (luggage subway, luggage tunnel; tunnel à bagages; sottopassagio bagagli). Dieser dient ebenso, wie die Gepäckbrücke (s.d.) in Verbindung mit Hebevorrichtungen dazu, das der Eisenbahn übergebene in Gepäckkarren verladene Gepäck der Reisenden schienenfrei und möglichst ohne Kreuzung der Wege der Reisenden von der Gepäckannahmestelle zum Bahnsteig und vom Bahnsteig zur Gepäckausgabestelle zu befördern; bei durchgehendem Gepäck dient der G. auch zur Beförderung von Bahnsteig zu Bahnsteig. Häufig werden die G. zugleich zur Beförderung der Postkarren und des Eilgutes benutzt.

Die Breite der G. muß für das Begegnen zweier Gepäckkarren ausreichen, deren Breite etwa zwischen 0∙8 und 1∙3 m zu betragen pflegt, für deren Verkehr man aber zu berücksichtigen hat, daß in beladenem Zustande die Gepäckstücke seitlich überstehen. Entsprechend den gleichfalls hierauf berechneten üblichen lichten Breiten der Gepäckaufzüge (vgl. Aufzüge) von etwa 1∙5 bis 2∙0 m müssen die G. je nach der Größe der Gepäckkarren eine Mindestbreite von 3∙0 bis 4∙0 m erhalten. Die geringste zulässige Lichthöhe der G. beträgt entsprechend der geringsten üblichen Lichthöhe der Gepäckaufzüge (vgl. Aufzüge) 2∙0 bis 2∙25 m gegenüber einer bei Personentunnel etwa erforderlichen Mindesthöhe von 2∙3 m. Gegenüber einer geringsten Höhe zwischen Tunnelsohle und Schienenunterkante von etwa 3∙0 m bei Personentunnel kann man bei G. also mit etwa 2∙7 m knappster Höhe der Tunnelsohle unter Schienenunterkante auskommen. Wo die G. unter Bahnsteigen hinwegkreuzen, ist dann reichliche Bauhöhe vorhanden. G., die unter Bahnsteigen entlang gehen, oder die unter Personentunnel hinwegkreuzen, bedürfen bis zur Oberkante des darüber liegenden Fußbodens je nach ihrer Breite einer geringsten Höhe von etwa 2∙30 bis 2∙40 m.

Ob man Gepäcktunnel oder Gepäckbrücken anwendet, richtet sich in der Regel nach der Höhenlage der Gepäckabfertigungsräume zu Gleisen und Bahnsteigen. Tunnel haben vor Brücken den Vorzug, daß sie die Aussicht nicht beschränken, und daß in der Regel die Aufzüge einer geringeren Hubhöhe bedürfen. Für die Anordnung von G. die die Bahnsteiggleise zu unterkreuzen haben, ist es erwünscht, daß der Fußboden der Gepäckabfertigungsräume so tief unter den Bahnsteiggleisen liegt, daß die Tunnelsohle in gleicher Höhe mit ihm durchgeführt werden kann, d.h. mindestens etwa 2∙7 m. Die Gepäckkarren brauchen dann auf ihrem Wege von der Gepäckabfertigung zum Bahnsteig oder umgekehrt nur einmal gehoben oder gesenkt zu werden, nämlich zwischen Tunnelsohle und Bahnsteig. Fehlt nur wenig an der bezeichneten Höhe, so kann man sich helfen, indem man die Tunnelsohle geneigt anordnet. Befindet sich der Fußboden der Gepäckabfertigung ganz oder annähernd in Bahnsteighöhe, so müssen bei Anordnung von G. die Gepäckkarren auf ihrem Weg zwischen Abfertigung und Bahnsteig erst mit einem Aufzug gesenkt und gehoben werden. Diese doppelte Aufzugbehandlung ist umständlich und zeitraubend.

Wo man die Reisenden auf ihrem Wege zu Bahnsteigen Gleise überschreiten läßt, wird man für die Gepäckkarren die Gleisüberkreuzung gleichfalls unbedenklich zulassen können. Aber auch, wo man für die Reisenden [299] Personentunnel anordnet, wird man nicht in allen Fällen auch G. anordnen. Dies gilt namentlich, wenn der Gepäckverkehr unbedeutend ist, oder ganz fehlt, wie auf Nahverkehrstrecken. Es gilt aber auch von den eben erörterten Fällen, wo die Gepäckabfertigungsräume etwa in Höhe der Bahnsteige liegen; selbst auf Bahnhöfen mit lebhaftem Personen- und Gepäckverkehr und zahlreichen Bahnsteiggleisen, wo man für die Reisenden nicht daran denkt, eine Gleisüberschreitung zuzulassen, sondern für sie ab- und aufsteigende Treppen vorsieht, rollt man häufig die Gepäckkarren quer über die Schienen hinweg, um ihr Senken und Heben zu vermeiden.

Auf Bahnhöfen in Kopfform neuerer Anordnung (s. Bahnhöfe) kommen Personentunnel für den Bahnsteigzugang in der Regel nicht in Frage, wohl aber Gepäcklängstunnel, um die Gepäckkarren aus den im Kopfgebäude liegenden Gepäckannahmeräumen ohne Kreuzung des Querbahnsteigs mittels Aufzüge auf die jenseits des Querbahnsteigs beginnenden Gepäckbahnsteige oder, wo Gepäckbahnsteige fehlen, durch die ganze Länge der Bahnsteiganlage auf die Enden der Personenbahnsteige zu befördern. Liegt der Zugang zum Empfangsgebäude in gleicher Höhe mit den Bahnsteigen, so hat man mehrfach (so in Frankfurt und Altona) auf die Anlage von Gepäcktunneln verzichtet, und die Kreuzung des breiten Querbahnsteigs durch die Gepäckkarren zugelassen. Stellenweise hat man sowohl bei Kopfform (Wiesbaden, Dresden) als auch auf Bahnhöfen anderer Formen (Essen, Hamburg-Dammtor) sich vor doppelter Aufzugbehandlung des Gepäcks nicht gescheut, um mit Längs-G. unter Bahnsteigen, Korridoren, Wartesälen u.s.w. hinwegzugehen.

Für die Anzahl und Lage der G. ist außer der Stellung der Gepäckabfertigungsräume zu der Bahnsteiganlage die Frage von Bedeutung, ob Gepäckbahnsteige vorhanden sind, auf denen man mit den Aufzügen an beliebiger Stelle münden kann, oder ob das Gepäck zu und von den Packwagen der Züge über die Personenbahnsteige zu befördern ist. Hier ist man dann von der Lage der Personentunnel und Treppen abhängig und ordnet bisweilen auch in Verbindung mit Quertunneln Längswege oder Längstunnel für die Gepäckkarren an, um die Ausmündung der Gepäckaufzüge an die Enden der Personenbahnsteige zu verlegen, wo die Packwagen der Züge halten. Auch die Frage, ob Post und Eilgut die G. mit benutzen, oder besondere Tunnel besitzen, ist für Anzahl, Lage und Abmessungen der G. von Einfluß. Bisweilen hat man die Gepäckabfertigungsräume durch Verbreiterungen der G. erweitert (Bremen), oder auch die Gepäckabfertigungsräume ganz oder teilweise tunnelartig unter die Gleis- und Bahnsteiganlage, verlegt (Berlin-Stett. Bahnhof, Essen). Liegt das ganze Empfangsgebäude unter der Gleis- und Bahnsteiganlage (Berlin-Stadtbahn), so kann man von eigentlichen G. nicht mehr sprechen. Einzelne Hauptfälle der Gesamtanordnung werden zweckmäßig im Zusammenhange mit den Personentunneln (s.d.) durch Planskizzen verdeutlicht.

Die Bauart der G. entspricht im allgemeinen jener der Personentunnel (s.d.). Die Wände werden in Mauerwerk oder Beton, auch in Eisenbeton hergestellt. Wo die Tunnels mit ihrer Sohle in das Grundwasser eintauchen, ist eine Abdichtung hiergegen erforderlich, ebenso stets eine Dichtung der Tunnelrückwände gegen Regenwasser oder, selbst bei regensicherer Lage, gegen das von den Lokomotiven ausgeworfene Wasser. Statt einer Verkleidung der Innenwände wird meist Verfugung oder glatter Putz genügen. Dagegen ist auf Schutzvorrichtungen gegen Abstoßen der Ecken (Winkeleisen) besonderer Wert zu legen. Wegen Lage des G. neben dem Personentunnel oder Vereinigung beider s. Personentunnel.

Der Fußboden muß widerstandsfähig und glatt hergestellt werden. Besonders empfehlenswert ist. Asphalt- oder Fliesenbelag auf Betonunterlage, oder Beton mit einem Überzug von Zementmörtel mit Eisenfeilspänen.

Die Überdeckungen von G. werden meist nur eine einfache Stützöffnung aufweisen, Zwischenstützen höchstens da vorkommen, wo sich durch Verbindung mit einem Personentunnel (s.o.) oder einem Eilgut- u.s.w. Tunnel eine größere Breite ergibt. Die Überdeckungen werden ebenso, wie bei den Personentunneln, bei ausreichender Höhe durch Stein- oder Betongewölbe, auch Eisenbetongewölbe erfolgen; bei knapper Höhe wendet man, wie bei den Personentunneln, Walz- oder Blechträgerbrücken mit einer der üblichen wasserdichten die Durchführung des Schotterbettes gestattenden Abdeckungen (Buckelplatten, Hängebleche u.s.w.) an, oder die neuerdings immer mehr in Aufnahme gekommene Anordnung von Walzträgern in etwa 40 bis 60 cm Abstand mit zwischengestampftem Beton und wasserdichter Asphaltabdeckung. Hier hat diese Anordnung noch den besonderen Vorteil, daß sie ohne Erschwerung der Konstruktion gestattet, auch schräg unter den Gleisen hindurchzugehen, wie es geboten sein kann, um die Gepäckaufzüge aus dem Bereich der Bahnsteigtreppen herauszubringen.[300]

Da den G. nicht, wie den Personentunneln, durch große Treppenöffnungen Licht zuströmt, so ist die natürliche Beleuchtung, auch wo Oberlichter zwischen den Gleisen und durch Einlegen von Glasplatten in die Bahnsteige vorgesehen werden, oft mangelhaft. Oft wird daher die künstliche Beleuchtung auch bei Tage gebraucht.

Die mit den G. verbundenen Gepäckaufzüge müssen solche Stellung erhalten, daß die gehobenen Gepäckkarren in der Längsrichtung des Personen- oder Gepäcksteiges herausfahren, da sie sonst Gefahr laufen würden, vom Bahnsteig herunter auf das Gleis zu rollen. An Quertunnel angeschlossene Gepäckaufzüge müssen daher in seitlichen Nischen untergebracht werden, so daß die Gepäckkarren mit einer Wendung im rechten Winkel ein- oder ausfahren, wozu ausreichender Platz vorgesehen sein muß. An Längstunnel angeschlossene Gepäckaufzüge werden in deren Richtung angeschlossen. Doch sollten sie auch in eine seitliche Nische verschoben werden, wenn der Tunnel noch weiterführt, so daß nicht etwa die weiterfahrenden Gepäckkarren durch den Aufzug hindurchfahren müssen.

Literatur: Eis. T. d. G. II, 3. 2. Aufl. 1909. Hb. d. Arch. IV. 2, 4. Rev. gén. d. chem. 1912. S. 191. (Paris Nord.) Im übrigen vgl. Personentunnel.

Cauer.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 299-301.
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