Hafenbahnhof

[40] Hafenbahnhof (harbour station; gare maritime; stazione di porto) ein Bahnhof, der dem Umschlagverkehr zwischen Eisenbahn und Wasserstraßen dient. Wo der Übergang zwischen Schiff und Bahn einen gewissen Umfang erreicht, hat man fast überall Eisenbahngleise unmittelbar an das Ufer herangeführt, um die kostspielige Zwischenbeförderung durch Landfuhrwerke auszuschalten. Bei mäßigem Umfang des Verkehrs erfolgt die Zustellung und Abholung der Eisenbahnwagen nach und von den Ufergleisen von einem benachbarten Bahnhof aus. Bei starkem Verkehr errichtet man dagegen möglichst in unmittelbarer Nähe der Ufer einen besonderen Betriebsbahnhof, der lediglich oder doch in erster Linie für die Regelung des Wagenlaufes nach und von den Hafengleisen bestimmt ist. Er bildet zusammen mit den Ladegleisen den eigentlichen H.

Den Betrieb auf dem H. führt entweder die Eisenbahnverwaltung, an deren Netz der Bahnhof angeschlossen ist, oder die Hafenverwaltung. Im letzteren Falle werden die Wagen von der Eisenbahn dem Hafen meist ungeordnet zugeführt; dagegen muß die Hafenverwaltung die rückkehrenden Wagen nach gewissen Gruppen ordnen, um die Abfuhr zu erleichtern. Da die rasche Zuführung und Abholung der Eisenbahnwagen nach und von den Kais von großer Bedeutung für die Leistungsfähigkeit eines Hafens ist, so sollte man bei dem Entwerfen der wasserbaulichen Anlagen stets von Anfang an auf die Gleisentwicklung Rücksicht nehmen. Man muß die Form der einzelnen Hafenbecken so einzurichten suchen, daß die Gleise ohne allzuscharfe Krümmungen und ohne Benutzung von Drehscheiben den Uferkanten folgen können. Hierfür ist eine sägeförmige Anordnung der einzelnen Hafenzungen am günstigsten (Taf. III, Abb. 1); liegen die Zungen rechtwinklig zum Ufer, so muß man entweder wenig leistungsfähige Drehscheibenverbindungen (Taf. III, Abb. 2) oder langgezogene Weichenstraßen mit starken Gegenkrümmungen anwenden. Ferner sollte man für den Verschiebebahnhof, wenn möglich, einen langgestreckten Bauplatz vorsehen, um die Gleisanlage nach der Länge entwickeln zu können; andernfalls lassen sich rückläufige Bewegungen der Wagen nicht vermeiden (s. Verschiebebahnhöfe). Der Verschiebebahnhof selbst soll – wenn möglich – in der Längsrichtung so gegen die Hafenbecken verschoben sein, daß bei den Fahrten von und nach den Ufergleisen Sägebewegungen ganz vermieden werden. Meist läßt sich dies wegen örtlicher Schwierigkeiten allerdings nicht erreichen.[40]


I. Die Gleisanlagen an den einzelnen Ladestellen.


Die Anordnung der Gleise an den einzelnen Ladestellen hängt davon ab, in welcher Weise sich der Umschlag abwickelt; handelt es sich um Güter, die direkt vom Schiff in den Eisenbahnwagen oder umgekehrt verladen werden, so legt man ein Ladegleis möglichst dicht an das Ufer heran. Wird seine Länge sehr groß oder wird infolge der Verschiedenheit des Verkehrs in seinen einzelnen Teilen ein Auswechseln der Wagen zu verschiedenen Zeiten nötig, so empfiehlt es sich, ein zweites Gleis (Verkehrs- oder Durchlaufgleis) neben das Ladegleis zu legen und beide von Zeit zu Zeit durch Weichenkreuze zu verbinden (Abb. 10). Ist der Umschlag bedeutend, so muß man ein besonderes Aufstellgleis hinzufügen (Abb. 11). Die Verbindung dieser drei Gleise erfolgt durch Weichen oder auch durch unversenkte Schiebebühnen.

Häufig werden in den Häfen Schuppen (auch Lagerhäuser, Werfthallen oder Hangars genannt) errichtet, in denen man die Güter vor der Weiterversendung zeitweise lagert, um sie zollamtlich zu behandeln, die Verpackung zu ändern, den Inhalt zu prüfen oder sie bis zur weiteren Verfügung zu stapeln. Meist rückt man die Schuppen vom Ufer ab und ordnet auf der Wasserseite ein oder zwei Gleise, auf der Landseite dagegen zwei bis vier Gleise an, die alle durch Schiebebühnen miteinander verbunden werden (Taf. III, Abb. 3). Bei Massengütern, wie Getreide, Erz, Kohlen, bei denen man besondere Lade- und Lagereinrichtungen benutzt, werden eigenartige Gleisanordnungen erforderlich (s. Kohlenbahnhöfe, Ladevorrichtungen).


II. Die Gleisanlagen für den Betrieb.


Die Verteilung der Eisenbahnwagen nach einzelnen Hafenbecken und das Sammeln der von dort zurücklaufenden Wagen erfolgt, wie erwähnt, bei starkem Verkehr auf einem besonderen Betriebsbahnhof, dessen Anlage im wesentlichen der eines Verschiebebahnhofs in Großstädten oder auf Knotenpunkten entspricht. Bei bedeutenden H. sind für die ankommenden Züge zahlreiche Einfahrgleise vorzusehen; von hier aus werden die Wagen mittels einer besonderen Gleisgruppe zunächst nach den einzelnen Uferkanten getrennt; darauf erfolgt die Zusammenstellung zu Bedienungszügen. Hierbei werden die Wagen vielfach zuvor in einer zweiten Gleisgruppe nach den einzelnen Ladestellen geordnet. Oft fahren aber auch die Bedienungszüge ungeordnet ab; dann erfolgt die Ordnung in unmittelbarer Nähe der Verwendungsstellen in besonderen Gleisgruppen, den sog. Bezirksbahnhöfen. Diese letzteren benutzt man gleichzeitig dazu, um die an den Ladestellen erledigten Wagen von den unfertigen zu sondern. Die vom Hafen zurückströmenden Wagen werden in einer besonderen Gruppe von Einfahrgleisen gesammelt und sodann mittels einer zweiten Gruppe (Richtungsgruppe) nach Hauptrichtungen (etwa 4–6) getrennt. Aus dieser Gruppe erfolgt dann die Abfahrt.

Ein derartiger H. mit starkem Verkehr ist also als Verschiebebahnhof mit zwei gesonderten Gleissystemen für jede Hauptrichtung (zum Hafen und vom Hafen) anzusehen (Duisburg, Meiderich, Hamburg). Bei geringerem Verkehr begnügt man sich dagegen meist mit einem gemeinsamen Gleissystem. Die H. müssen vielfach noch mit Anlagen für den Zolldienst, wie Rampen, Gleiswagen u. dgl. ausgestattet werden.


Beispiele. Hafenbahnhof für den Kaiser Franz-Josefs-Hafen in Triest (Entwurf) (Taf. III, Abb. 4).

Der Hafen ist sägeförmig gestaltet und soll nach dem Ausbau drei ins Meer ragende Zungen (Moli) V bis VII besitzen. Zur Zeit sind erst zwei erbaut und auch diese noch nicht vollständig mit Hangars ausgerüstet. Für den Eisenbahnbetrieb ist ein besonderer »Hafenrangierbahnhof« vorgesehen, der indes erst teilweise zur Ausführung gekommen ist. Von ihm aus sind, alle Ladegleise zu erreichen. Besonders bemerkenswert ist die auf der mittleren[41] Zunge (Molo VI) geplante Hochbahn, die das Obergeschoß der Schuppen direkt mit dem Hafenrangierbahnhof verbinden wird, ohne den Verkehr auf der Kaioberfläche zu behindern. Das Obergeschoß des Schuppens soll dem Export, das Untergeschoß dem Import dienen. Für den Betrieb wäre es vielleicht vorteilhafter gewesen, wenn man den Hafenrangierbahnhof noch weiter nach Osten hin hätte verschieben können. Doch war dies wegen der Dockanlagen des Österr. Lloyd nicht möglich.

Der neue Rangierbahnhof Hamburg-Süd (Abb. 12 sowie Taf. III, Abb. 5), nach den Plänen des Baurates Voß in Hamburg erbaut, soll nach seiner Fertigstellung (1916?) dem Güterverkehr des auf dem linken Elbufer liegenden Hafenlandes dienen, das als Freibezirk Zollausland bildet. Er besteht aus zwei Gleissystemen; auf dem einen werden die Wagen vom Inlande nach den Hafenbecken, auf dem andern die der umgekehrten Richtung behandelt.

Die aus dem Inland eintreffenden Wagen kommen in geschlossenen Zügen von Wilhelmsburg oder Hamburg und laufen in die Einfahrgruppe E1 ein. Von hier aus werden sie über einen Ablaufberg in die Richtungsgleise R1 gedrückt und dabei nach den einzelnen Hafenbecken geordnet. Eine Verschiebelokomotive zieht sie sodann nach rechts in ein Ausziehgleis oder in das Gleis nach Kuhwärder hinaus und ordnet sie in den Gruppen St1 und St2 nach den einzelnen Ladestellen (Empfängern); dann werden die Wagen wieder in die Gruppe R1 zurückgesetzt und zu Zügen zusammengestellt, die nach den einzelnen Hafenbecken fahren. Soweit die Anschlußgleise nach den verschiedenen Hafenteilen unmittelbar mit der Gruppe R1 verbunden sind, können die Bedienungszüge direkt dorthin ausfahren, z.B. nach Roß-Neuhof, Kuhwärder, Steinwärder u.s.w. Die Züge nach andern Hafenteilen (Saalehafen, Hansahafen, Indiahafen u.s.w.) müssen dagegen zunächst nach der Gruppe V umgesetzt werden.

Die von den Hafenbecken kommenden Wagen laufen in die Einfahrgleise E2 ein. Soweit eine direkte Einfahrt nicht möglich ist, werden die Züge zunächst wieder nach der Gruppe V geleitet und von dort mittels eines Verbindungsgleises, das unter dem Ablaufberg zwischen E1 und R1 hindurchgeht, nach der Gruppe E2 überführt. Aus den Einfahrgleisen werden die Wagen über einen Ablaufberg in die Ausfahrgleise A2 gedrückt und dabei nach fünf Richtungen geordnet. Nach Fertigstellung eines Zuges in den Ausfahrgleisen findet seine zollamtliche Untersuchung statt. Die Wagen, deren Ladungen der Zollbehörde vorgeführt werden müssen, werden entweder an die lange Zollrampe Rp2 für abgehende Wagen oder in die Gleise S2 gesetzt. Wird die Ladung beanstandet, so gehen die Wagen erforderlichenfalls zurück. So werden z.B. Kleiewagen von der Rampe Rp2 zur Denaturierung an die Rampe Rp3 gesetzt, von hier aus später in eines der Sammelgleise S1 vorgezogen und von dort nach den Ausfahrgleisen A2 abgedrückt. Erwähnt sei, daß auch für Wagen, die aus dem Inlande kommen, eine besondere Rampe Rp1 vorgesehen ist; doch wird diese voraussichtlich wenig benutzt werden. Alle Rampen sind überdacht und haben schienenfreie Zugänge, so daß das Publikum ohne Gleisüberschreitung zu ihnen gelangen kann.

Zur Aufstellung leerer Wagen ist eine besondere Gruppe von Stumpfgleisen am rechten Bahnhofsende vorgesehen. Zu erwähnen sind noch die Gleiswagen in der Nähe der Rampen sowie ein Stückgutschuppen am linken Ende des Bahnhofs. In Abb. 3, Taf. III. sind einzelne Gleise als Durchfahrtsgleise bezeichnet; sie sollen dem Verkehr geschlossener Züge dienen.

Die Anlage zeichnet sich durch die geschickte Ausnutzung des Bauplatzes, die Vermeidung von Hauptgleiskreuzungen sowie durch die umfangreichen Anlagen für den Zolldienst aus.


Literatur: Hd. d. Ing. W. V, 4, 1. Leipzig 1907. Organ 1912, Heft 16, S. 285. Neuer Hafenbahnhof der Boston- und Albany-Bahn zu Boston, Massachusetts.

Oder.

Tafel III
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Abb. 10.
Abb. 10.
Abb. 11.
Abb. 11.
Abb. 12.
Abb. 12.
Tafel III.
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Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 40-42.
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