Läutewerke, elektrische

[64] Läutewerke, elektrische. Verrichtungen, die dazu dienen, den Bahnwärtern und den auf der Bahnstrecke beschäftigten Arbeitern durch Läutesignale gewisse Nachrichten und Aufträge zu geben (s. durchlaufende Liniensignale und Läutelinien). Diese L. sind kräftig gebaute Schlagwerke mit Gewichtsbetrieb, ähnlich den Turmuhrschlagwerken und mit elektromagnetischer Auslösung.

Die verbreitetste Bauart ist die in Abb. 107 in einfachen Linien dargestellte der Siemens & Halske Aktiengesellschaft in Berlin. Das Gewicht G zieht an einer Seiltrommel und treibt durch diese das durch ein Gesperre mit ihr in Verbindung stehende Hauptrad R1 an. Dieses überträgt die Bewegung durch ein Zwischenrad R2 auf die Achse des Windflügels W, der die Ablaufgeschwindigkeit des Werkes regelt. Das Hauptrad ist an der Seitenfläche mit Stiften s besetzt, die beim Ablauf den Winkelhebel h1 h2 um seinen Drehpunkt d bewegen. Diese Bewegungen werden durch Drahtzug auf den Glockenhammer (in der Abbildung gestrichelt) übertragen, der bei jedem Anheben einen Schlag gegen die Glocke abgibt. Die Zahl der Stifte s wird nach der Zahl der Glockenschläge bemessen, die das Werk nach jeder Auslösung geben soll. Gewöhnlich geben die L. 5 oder 6 Schläge; dementsprechend hat das Rad R1 10 oder 12 Stifte s. Vielfach werden die L. auch mit zwei, zuweilen auch mit drei Glocken von verschiedenem Klang ausgerüstet. Die Werke erhalten dann zwei oder drei Hebel h1 h2, die nacheinander zwei oder drei Glockenhämmer in Bewegung setzen.

Das Werk kann nur laufen, wenn das Ende des auf der Achse des Zwischenrades R2 befestigten Armes h3 frei an der geraden Fläche der halbrunden Achse a des Auslösungshebels H vorbeigleiten kann; in der Grundstellung ist dieser Hebel aber, wie in der Abbildung ersichtlich mit seinem linken Ende an einer Nase des Ankerhebels h4 abgefangen. Dabei steht die Achse a so, daß ihre volle runde Fläche in die Bahn des Armes h3 hineinragt, der dadurch in seinem Umlauf gehemmt wird, so daß das Werk stillsteht. Der Elektromagnet E ist in die Läuteleitung eingeschaltet; da diese in der Ruhe stromlos ist, so ist der Elektromagnetanker nicht angezogen. Sobald aber eine der benachbarten Stationen behufs Abgabe eines Läutesignals ihren Läuteinduktor in Tätigkeit setzt, zieht der Elektromagnet E seinen Anker an; die Nase des Ankerhebels wird dabei so weit nach links bewegt, daß sie den Auslösungshebel H losläßt, der sich infolgedessen unter der Einwirkung des Gegengewichts g so einstellt, daß die Achse a den Hebel h3 nicht mehr aufhält, weil er jetzt an der geraden Fläche der Achse vorbeigleiten kann. Das Werk beginnt infolgedessen zu laufen. Von den am Hauptrade R1 sitzenden Stiften s sind zwei einander gegenüberstehende um so viel verlängert, daß sie beim Umlauf des Werkes gegen den Ansatz n des Auslösungshebels H stoßen und diesen so weit heben, daß er wieder von der Nase des Ankerhebels h4 abgefangen wird. Nach 5 bzw. 6 Schlägen steht also das Werk wieder still.

Zuweilen ist es erwünscht, daß das Werk nach jeder Auslösung nur einen Schlag gibt;[64] für diesen Fall wird an dem kurzen Arm des Winkelhebels h3 ein Hebestift e angebracht, der bei jeder vollen Umdrehung des Rades R2 den Auslösungshebel H wieder in die Sperrlage hebt. Das Übersetzungsverhältnis zwischen den Rädern R1 und R2 ist so bemessen, daß bei jeder vollen Umdrehung von R2 nur ein Hebestift s des Rades R1 zur Wirkung kommt. Verlängerte Hebestifte sind dann am Rade R1 nicht angebracht.

Das Schlagwerk ist in der Regel in einem budenartigen eisernen Gehäuse aufgestellt, in dem auch der zum Schutz des Elektromagneten erforderliche Blitzableiter angebracht ist. Abb. 108 zeigt eine Läutewerksbude der Siemens & Halske Aktiengesellschaft in Berlin mit geöffneter Tür und mit zwei Glocken.

Außer dem vorbeschriebenen ist bei einzelnen Bahnen auch noch das einfachere Spindel- oder Einradläutewerk der Siemens & Halske Aktiengesellschaft im Gebrauch, ein Werk – Abb. 109 –, das nur mit einem Rade nach Art der Schwarzwälder Wecker seine Aufgabe erfüllt. Seine Auslösung und Hemmung sind grundsätzlich dieselben wie bei dem vorbeschriebenen L. Der Hammerstiel ist am oberen Ende einer senkrechten Spindel befestigt, die oben und unten einen lappenartigen Vorsprung hat. Diese Vorsprünge sind um einen passenden Winkel gegeneinander so verstellt, daß beim Ablaufen des Werkes immer abwechselnd erst der eine, dann der andere von den dem Hauptrade angegossenen Knaggen erfaßt und so die Spindel mit dem Hammer hin- und hergeworfen wird. Dabei schlägt der Hammer an den inneren Rand der Glocke. Das Werk ist auf einer das Gewicht aufnehmenden Hohlsäule befestigt und von einem auf Stützen ruhenden Dach bedeckt, das die Glocke, die Isolatoren und die Leitungseinführung trägt; das Werk selbst ist durch einen Blechmantel geschützt, der an zwei Handgriffen herabgezogen werden kann. Abb. 110 zeigt diese Anordnung.

Die größte Verbreitung in Österreich-Ungarn hat das in Abb. 111 abgebildete Leopoldersche L. gefunden. Der Arm H1, Abb. 112, seines Auslösehebels H endet mit einer Verstärkung S, in der das rechtwinklig abgebogene Prisma e sich verstellen läßt; fällt das Prisma e in den Schlitz der auf der Achse x des Ankers A sitzenden Gabel G, so dreht ein Mitnehmerstift im Arme H3 des um die Achse x drehbaren Auslösehebels H (Abb. 111) den Hebel N um seine Achse o nach rechts, wodurch der bisher auf dem Vorsprunge n[65] des Hebels N gefangene Aufhaltarm c auf der Achse u des Windflügels W frei wird, das Triebgewicht mittels der Schnur t die Trommel T und das mit ihr auf einer Achse a sitzende Rad R in Umdrehung versetzt, das in ein Getriebe auf der Achse a1 eingreift und durch dieses seine Bewegung auf das auch auf der Achse a1 steckende Rad R1 und auf die Windflügelachse u überträgt. Das Rad R bewegt durch den nächsten Hebenagel r den auf der Achse D sitzenden Schlaghebel L, der bisher auf dem Stabe D1 ruhte, und veranlaßt dadurch einen Schlag auf die Glocke. Während dieser Zeit macht das Rad R1 eine ganze Umdrehung und bei dieser hebt der auf seiner Achse a1 sitzende Daumen d, indem er die jetzt in seinem Wirkungskreise liegende Nase m am Arme H2 des Hebels H fortschiebt, den Hebel H wieder auf die Nase p (oder auf die Nase q, wenn die Feder f den Anker A noch abgerissen hält) und legt zugleich den Vorsprung n wieder sperrend vor c. Der Arm c sitzt übrigens nicht fest auf der Achse u, sondern ist nur durch die Feder f, mit ihr gekuppelt. In Abb. 112 ist bei U ein hinter der Gestellwand B liegendes, exzentrisch auf seine Achse aufgestecktes Scheibchen zu sehen, gegen das sich bei abgerissenem Anker c der Arm y mit dem Stifte z anlegt; das durch einen Hebel stellbare Scheibchen und die Schräubchen j (Abb. 112) im Anker A begrenzten bei den ältesten Leopolderschen L. das Spiel des Ankers, doch ersetzte Leopolder diese unzuverlässige Anordnung sehr bald durch zwei Stellschrauben. y lag mit G vor B und z ging in einem geeigneten Schlitze durch B hindurch.

Die Leopolderschen Läutewerke arbeiten mit Ruhestrombetrieb, d.h. die Leitung ist im Ruhezustande vom Strome durchflossen, die Anker der Elektromagnete sind dauernd angezogen und die Auslösung erfolgt durch Stromunterbrechung.

Auch die L. der Siemens & Halske Aktiengesellschaft können für Ruhestrombetrieb und die Leopolderschen L. für Arbeitsstrombetrieb eingerichtet werden.

Vereinzelt werden die L. auch mit Wechselstrom ausgelöst, wobei die Auslösevorrichtung dann eine etwas andere Form erhält.

Literatur: Zetzsche, Handbuch der elektr. Telegraphie, Bd. IV, Berlin 1881. – Schellen, Der elektromagnetische Telegraph, Braunschweig 1888.

Fink.

Abb. 107.
Abb. 107.
Abb. 108.
Abb. 108.
Abb. 109.
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Abb. 110.
Abb. 110.
Abb. 111.
Abb. 111.
Abb. 112.
Abb. 112.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 64-66.
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