Becker, Rudolph Zacharias

[38] Becker, Rudolph, Zacharias. B. wurde am 9. April 1752 als Sohn eines Mädchenschullehrers in Erfurt geboren, besuchte die Universität Jena, um Theologie zu studieren und nahm dann eine Hofmeisterstelle zu Klettenberg am Harz an. Nebenbei beschäftigte er sich mit kleineren litterarischen Arbeiten, um seine Mutter und vier unverheiratete Schwestern zu unterstützen. Nach nicht langer Zeit ging er nach Erfurt als Instruktor im Hause des Kammerpräsidenten von Dacheröden, dessen Haus ein Sammelpunkt der vornehmen und gebildeten Welt war. Mit Beginn des Jahres 1782 erhielt B. einen Ruf an das Philanthropin nach Dessau. Er redigierte 1782/83 die »Dessauische Zeitung für die Jugend und ihre Freunde«, ein Wochenblatt, das für die Sache des Philanthropinismus warb. Beckers publizistische Thätigkeit war sehr reich. Nachdem er sich im Herbst 1783 in Gotha niederlassen hatte, widmete er sich zunächst der Herausgabe der Wochenschrift »Deutsche Zeitung für die Jugend und ihre Freunde«, sie sollte eine Fortsetzung der vorerwähnten sein, 1796 änderte er ihren Titel in »Nationalzeitung der Deutschen«, um sie nach seinem Willen zu einem Archiv der Zeitgeschichte zu erheben. Becker hat seine Absichten nach Kräften wahr gemacht, in den 10 Jahren von 1796-1805 war die Nationalzeitung durch ganz Deutschland verbreitet, denn die ebenso entschiedene, wie maßvolle und gerechte Haltung B. im Kampfe gegen veraltete Einrichtungen, Unduldsamkeit und Standeshochmut gewann ihm allseitiges Vertrauen. Ein an und für sich harmloser Aufsatz gab 1811 den französischen Machthabern erwünschte Gelegenheit B. Blatt zu unterdrücken[38] und ihn zu einer 17monatlichen Gefangenschaft zu verdammen. Becker hat 1814 in einer ausführlichen Schrift »Leiden und Freuden in 17monatlicher Gefangenschaft« eine ergreifende Schilderung seiner Erlebnisse gegeben. – 1814 begann die Zeitung von neuem zu erscheinen bis sie 1829 mit dem 1791 ebenfalls von Becker gegründeten Deutschen Reichsanzeiger verschmolzen wurde, der seinerseits nach dem Aufschwung des Tageszeitungswesens 1848 einging. – Den Haupterfolg und seine große Popularität erzielte Becker durch die Herausgabe seines »Noth- und Hülfsbüchleins für Bauersleute, welches lehret, wie man vergnügt leben, mit Ehren reich werden und sich und anderen in allerhand Nothfällen helfen kann.« Bis zur Herausgabe des zweiten Bandes waren von dem ersten schon 150000 Exemplare verkauft und bis zum Jahre 1838 ist das Buch in nahezu 1 Million Exemplaren verbreitet gewesen. – Während Becker in den Anfängen seiner Schriftstellerlaufbahn seine Schriften unter der Firma »Expedition der Deutschen Zeitung« ausgehen ließ, gründete er am 1. 11. 1795 eine eigentliche Buchhandlung, die 63 Jahre unter der Firma Beckersche Buchhandlung bestand, dann aus den Händen von Beckers Sohn Friedrich Gottlieb (geb. 1792, gest. 1865) am 1. 1. 1857 in den Besitz von E. F. Thienemann in Gotha überging.

Die Hauptartikel des B. Verlages bildeten naturgemäß seine eigenen Schriften; neben dem Notbüchlein das Mildheimische Liederbuch, und das Evangelienbuch, Fragebuch für Lehrer, Pflichten und Rechte des Menschen u. v. a. Daneben verlegte er Schriften astronomischen Inhalts, wie z. B. Baron de Zachs Schriften, Predigtsammlungen, Schulbücher u. dergl. mehr. Ein von ihm 1808 begonnenes kunstgeschichtliches Sammelwerk hat es innerhalb 8 Jahren nur auf 3 Lieferungen gebracht. – Becker starb am 28. 3. 1822.

Friedr. Gottlieb Becker eröffnete 1839 in Gemeinschaft mit dem Sohne seines Schwagers Friedrich Perthes, Andreas Perthes, (geb. 1813, gest. 1890) ein Sortimentsgeschäft. Am 1. Januar 1842 trat Andreas Perthes aus dem Geschäft aus, um sein väterliches Verlagsgeschäft Fr. Andr. Perthes zu übernehmen. Becker trennte von diesem Tage ab Verlag und Sortiment – die Beckersche Verlagsbuchhandlung behielt er selbst, die Beckersche Sortimentsbuchhandlung, in die Ferd. Otte aus Greifswald als teilhabender Geschäftsführer eingetreten war, übernahm dieser am 1. Jan. 1843 käuflich auf alleinige Rechnung unter der alten Firma.

1846 ging die Becker'sche Sortimentsbuchhandlung an Ernst[39] Friedr. Thienemann (geb. 1823, gest. 1899) käuflich über, der sie unter der Firma E. F. Thienemann weiterführte. 1858 erwarb Ernst Friedr. Thienemann von dem erkrankten Friedr. Gottlieb Becker die Beckersche Verlagsbuchhandlung und vereinigte sie wiederum mit seiner Sortimentsbuchhandlung unter der unveränderten Firma E. F. Thienemann. 1881 trat der Sohn E. F. Thienemanns, Friedrich Thienemann, als Teilhaber in die Firma ein.

1893 wurde Verlag und Sortiment wiederum getrennt, indem das letztere unter der Firma Thienemanns Hofbuchhandlung (V. Schroeder) an die Herren Viktor Schroeder senior und junior käuflich überging, von denen ersterer bereits seit 1858 als Gehilfe, Geschäftsführer und Prokurist, letzterer als Gehilfe im Geschäft thätig gewesen war.

Der Verlag wurde unter der alten Firma E. F. Thienemann von den bisherigen Besitzern weiter geführt, und ging nach dem am 9. März 1899 erfolgten Tode Ernst Friedr. Thienemanns in den alleinigen Besitz von Friedr. Thienemann (geb. 1854) über.

Die Verlagshandlung ist auch in neuerer Zeit der pädagogischen Verlagsrichtung treu geblieben, wie die Schriften eines Dr. C. Kehr (Geschichte der Methodik des Volksschulunterrichts, Kehr u. Kriebitzsch, Lesebuch), W. Pfeifer, von der Heydt, Dr. C. Rohrbach, H. O. Lenz, K. Muthesius (Herausgeber der Beiträge zur Lehrerbildung, bis jetzt 24 Hefte) u. v. a.

Quellen: F. Burbach, R. Z. Becker, Gotha 1895; Börsenblatt.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 1. Berlin/Eberswalde 1902, S. 38-40.
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