[568] Koehler, K. F. In der Reihe der Welthäuser, welche in der deutschen Buchhandelsmetropole ansässig sind, nimmt die Firma K. F. Koehler nicht die geringste Stelle ein. Das Emporwachsen des großen Buchhandelshauses ist ebenso charakteristisch wie interessant und seine Geschichte bietet einen bedeutsamen Beitrag zu dem Kapitel vom »Fleiß und Preis deutscher Arbeit«.
Der Gründer des Hauses, Karl Franz Gottfried Koehler, dessen Familie schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in Leipzig ansässig war und vorzugsweise das ehrsame Gerberhandwerk betrieb, wurde 1764 (getauft am 5. Juni) als Sohn des 1787 verstorbenen Korduanmachers Johann Gottfried Koehler zu Leipzig geboren und trat in seinem 13. Lebensjahre als Buchhandlungslehrling bei dem »alten Kummer« ein. Nach der vierjährigen Lehrzeit finden wir Koehler als Gehilfe in Wien und Dessau, und später einige Zeit als Geschäftsführer der Weygandschen Buchhandlung in Leipzig.
Als Leipziger Bürger begründete der junge Koehler im April 1789 im väterlichen Hause in der Nikolaistraße sein eigenes[568] Geschäft, vorzugsweise als Verlagsbuchhandlung. Der älteste Verlagsartikel stammt aus dem Jahre 1790, wenn man annimmt, daß nach der ersten Anzeige der Firma die schon etwas früher angekündigten zehn Bücher nach der Art der damaligen geschäftlichen Thätigkeit »eingetauscht« waren und daher nicht als eigener Verlag gelten konnten. 1791 findet sich die Buchhandlung in dem neuen Geschäftshause in der Ritterstraße, wo sie bis zum Jahre 1839 verblieb. 1805 wurde der Verlag durch Kauf einiger Artikel der Bödnerschen Buchhandlung in Wismar und Schwerin und 1817 durch solche der Akademischen Buchhandlung in Frankfurt a. O. (gegründet um 1780 als Kunzische Buchhandlung) erweitert.
Im Jahre 1830 (der Gründer der Handlung starb drei Jahre später, am 29. 12. 1833) übernahm der älteste Sohn, Franz Koehler (geboren 23. 3. 1805, gestorben 2. 12. 1872) die väterliche Buchhandlung und zwar nach der am 1. April 1830 aufgenommenen Inventur für die Summe von 5300 Thalern den gangbaren Verlag, wozu noch der als Makulatur gerechnete ältere Verlag mit 699 Thalern und das Sortiment mit insgesamt 499 Thalern kam. Franz Koehler hatte, nachdem er die Herrnhuter Erziehungsanstalt in Ebersdorf und einige Klassen des Leipziger Nikolaigymnasiums absolviert hatte, den Buchhandel bei Horvath in Postdam und Heyer in Gießen erlernt, und war in seinen Wanderjahren in Wien, Berlin, Aarau, Freiburg und München gewesen. Unter Franz Koehler begann die schnelle Entwicklung des jetzt so umfangreichen Kommissionsgeschäftes, welches heute einschließlich von Hunderten von nicht im Buchhändler-Adreßbuch aufgeführten nichtdeutschen buchhändlerischen Verbindungen nahezu 1000 Kommittenten zählt; doch blieb er auch dem Verlage treu, den er im besonderen in Philosophie, Jurisprudenz und Medizin ausbaute. Während das erste Verlagsverzeichnis der Koehlerschen Firmen, vom Jahre 1828 auf 24 Seiten 240 allerdings meist kleine, unbedeutende Artikel aufzählt, von denen nur 16 durch einen * als Kommissionsartikel bezeichnet sind, sind es deren nach dem Verlagskatalog vom Jahre 1845 schon 171, und zwar zum Teil sehr stattliche, geworden. Einen Teil des Verlages von Fr. Laue in Berlin hatte Koehler bereits früher übernommen.
1839 verlegte die Firma ihre Geschäftsräume nach der Nikolaistraße, wo sie bis 1846 verblieben. Dann zog Koehler in das für 11000 Thaler erworbene eigene Haus in der Poststraße, wo die Handlung bis 1881 verblieb. In das Jahr 1847 fällt die Gründung[569] von K. F. Koehlers Antiquarium, dessen erste Erwerbungen auf großen Reisen des Leipziger Universitätsantiquars Armbruster gemacht wurden und einen Betrag von 2000 Thalern absorbierten. Der erste Antiquariatskatalog der neuen Firma erschien 1850, bis Ende 1872 hatte sie deren bereits 237 mit 315000 Titeln veröffentlicht. Seit dem Jahre 1849 hatte Adolf Ulm (geboren 1824 in Weilburg a. d. Lahn, gestorben 22. 4. 1884) die Leitung des sich immer mehr ausdehnenden Geschäftszweiges übernommen. Ulm war es, der das deutsche »wissenschaftliche Antiquariat« zu jener Höhe erhob, die es noch heute unbestreitbar an erster Stelle in der wissenschaftlichen Welt einnimmt. 1873 ging K. F. Koehlers Antiquarium an Hugo Koehler über, der Ulm als Teilhaber aufnahm. 1883 finden wir K. W. Hiersemann als Prokuristen und seit 1. Juli 1894 befindet sich das Geschäft im Besitz von Bernhard Liebisch.
Das Jahr 1848 mit seinen Unruhen und Stürmen brachte Franz Koehler außer geschäftlichen Verlusten die Notwendigkeit, das seit 1835 bestehende, von Chr. W. Löflund 1780 gegründete Geschäft seines Bruders Heinrich Koehler (geb. 29. 4. 1806, gest. 4. 10. 1871) in Stuttgart, übernehmen zu müssen, das dieser nicht mehr zu halten vermochte. Er ließ die Handlung zunächst von seinem als Teilhaber aufgenommenen Schwager Hugo Liebing, und später, als dieser 1853 nach Philadelphia übersiedelte, von 1854 an von C. Hensel fortführen und verkaufte das Geschäft 1855 an ⇒ Karl Aue.
Am 1. Januar 1873 übernahm Karl Franz Koehler (III) geb. 22. 8. 1843, das väterliche Geschäft. Der neue Besitzer hatte, mit guter Schulbildung ausgestattet, seine buchhändlerische Lehrzeit bei Vandenhoeck und Ruprecht in Göttingen verbracht, war in seinen Gehilfenjahren in London, Paris und Wien gewesen und bereits 1867 in das väterliche Geschäft eingetreten. Am 22. August 1869 hatte ihm der Vater Prokura erteilt. Nach der eigenen Uebernahme nahm Koehler zunächst, den fortgeschrittenen Zeitverhältnissen entsprechend, höchst notwendige und nützliche Reformen im inneren Geschäftsbetrieb vor, worunter die 1873 erfolgte Einführung der doppelten Buchführung wohl an erster Stelle steht. Das immer mehr sich erweiternde Kommissionsgeschäft machte eine neue Uebersiedelung nötig, diese geschah 1881 in die neuerbauten, ein Areal von 2550 Quadratmeter bedeckenden Geschäftsräume in der Stephanstraße. Die neuen großen Geschäftsräume konnten bald um so besser ausgenutzt werden, als Koehler 1881 auch das 208 Kommittenten[570] zählende Kommissionsgeschäft von Herm. Fries übernahm. (Die Firma Herm. Fries vergl. auch Artikel ⇒ Baensch war am 1. 10. 1858 gegründet. 1865 trat deren Inhaber als Teilhaber in das von Wilhelm Baensch 1851 gegründete das Kommissionsgeschäft und übernahm es 1867 in alleinigen Besitz. 1874 hatte Fries dann noch das Kommissionsgeschäft der Firma ⇒ Wilhelm Engelmann mit 73 Kommittenten erworben. So wurden bald auch die neuen Geschäftsräume zu eng und man mußte ein großes Hintergebäude aufführen.
Am 1. Januar 1888 erfolgte die Gründung des bekannten Barsortiments der Firma, von der Erwägung ausgehend, daß ein Geschäft von dem Umfang, wie das der Firma K. F. Koehler, an seinem umfangreichen Kommittentenkreis eine Kundschaft ganz von selbst habe. Die Gründung war um so erfolgreicher, als zum Teil neue Bahnen beschritten wurden, welche vorzugsweise das Gebiet des wissenschaftlichen Barsortiments berührten. Sollte nun das Geschäft in dem das Barsortiment mit dem Kommissionsgeschäft und dem diesem angegliederten Sortiment in steter Wechselwirkung war, nicht schweren Schaden leiden in seiner weiteren Entwickelung, so waren abermals gänzlich neue Einrichtungen nötig. Man entschloß sich also abermals zu einem Neubau. Zu diesem Zwecke erwarb die Firma Anfang 1893 das 4883,50 Quadratmeter große Terrain am Täubchenweg, wo das moderne, allen Anforderungen des großen, gesteigerten Verkehrs in vollem Maße Rechnung tragende neue Geschäftshaus, eine Sehenswürdigkeit Leipzigs, am 3. August 1893 begonnen und am 1. Oktober 1894 bezogen wurde. Hier hat sich die Firma in allen ihren Zweigen stetig weiter entwickelt. Leider starb Karl Franz Koehler nach einem arbeits-, aber auch erfolgreichen Leben im kräftigsten Mannesalter schon am 5. August 1897 im Alter von noch nicht 54 Jahren. Das Geschäft ging an seine Witwe, Bertha Koehler geb. Schall über und wurde von den beiden Teilhabern Rudolf Winkler (seit 1890) und Otto Engert (seit 1895) für diese und ihre Kinder weitergeführt. Von den letzteren haben sich zwei Söhne dem Buchhandel gewidmet, die in nicht ferner Zeit in die Firma eintreten und das alte Haus im zweiten Jahrhundert seines Bestehens und in der vierten Generation seiner Inhaber weiter führen werden.
Quellen: Winkler, das Buchhandlungshaus K. F. K., Leipzig 1889; vergl. auch Koehlersche Separatfestschr. zur Hauseinweihung 1894 etc.
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