Vogel, Friedrich Christian Wilhelm

[987] Vogel, F. C. W. Friedrich Christian Wilhelm Vogel wurde am 30. April 1776 zu Casendorf im Bayreuthischen geboren. Er bildete sich in Nürnberg, Frankfurt a. M., München und Leipzig zum Buchhändler aus und erwarb in letzterem Orte im Jahre 1808 die bekannte Buchhandlung von L. Crusius. Dieses Geschäft wurde 1730 in Braunschweig von Joh. Mich. Teubner (geb. 1695 zu Grimma, gest. 1757 zu Leipzig) gegründet, welcher mit seinem antiquarischen Lager später nach Leipzig übersiedelte und daselbst neben einem festen Sortimentslager, namentlich auch hervorragender französischer und holländischer Artikel, ein eigenes Verlagsgeschäft errichtete. Teubner gab schon damals dem Geschäft die ernste wissenschaftliche Richtung, die dasselbe noch heute verfolgt.

Im Jahre 1764 ging das Geschäft an Siegfried Leberecht Crusius (geb. 1738, gest. 1824) über. Das Geschäftslokal befand sich damals, wie ein von Joh. Chr. Gottsched, Collegii Paulini Praepositus et Administrator, vollzogener, vom 16. Januar 1766 datierter Mietskontrakt erweist, im »Paulinum«, an der Universitätsstraße in Leipzig.

Crusius leitete das Verlagsgeschäft, unter der Firma seines eigenen Namens, mit großer Umsicht und brachte es zu großer Blüte. Sein liebenswürdiger und tadelloser Charakter und der klare Blick, mit welchem er das literarische Bedürfnis und die »literarischen Leute« seiner Zeit erkannte, erwarben ihm nahe und freundschaftliche Beziehungen zu den hervorragendsten Gelehrten und Fachschriftstellern und der Firma einen sicheren Platz unter den ersten Verlagsfirmen Deutschlands.

Der Crusius'sche Verlagskatalog gibt von Crusius' ausgedehnter Tätigkeit Zeugnis. Neben umfangreichen und illustrierten technischen, naturwissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Unternehmungen finden wir darin die Werke von Chr. Felix Weiße, dessen »Kinderfreund«, »Briefwechsel«, »Schauspiele« auf die deutsche Literatur und Gesittung einen merklichen Einfluß geübt haben, ebenso wie die Werke des freisinnigen, philanthropischen Hamburger Theologen Joh. Berhn. Basedow und Chr. Gotth. Salzmann's Schriften, des Gründers der weltbekannten Erziehungsanstalt »Schnepfenthal«, dessen berühmtes »Moralisches Elementarbuch« Chodowiecki mit seinen unvergleichlichen Kupfern schmückte; ferner Sam. Hahnemann's, des Stifters der Homöopathie, Schriften; Planck's Geschichte des protestantischen Lehrbegriffs. 6 Bände. 1791-1800; J. G. Beyer's Allgem. Magazin für Prediger. 12 Bände mit 72 Porträts. 1789-96; Millot's Universalhistorie alter, mittlerer und[987] neuerer Zeit. 13 Bände. 1777-1806; G. F. Hoffmann's Plantae lichenosae delineatae et descriptae. 3 Vol. gr. Folio. 1789 bis 1801; Friedrich Schiller verlegte die Geschichte der merkwürdigsten Verschwörungen und Rebellionen (1788), die Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande (1801) und seine Gedichte (1807) bei Crusius.

Nach 46jähriger gesegneter Tätigkeit zog sich Crusius auf die von seinem Onkel, dem Kammerrat Crusius, ihm vererbten Güter, Sahlis und Rüdigsdorf, zurück und überließ das Geschäft im Jahre 1808 Friedrich Christian Wilhelm Vogel, seinem Mitarbeiter, der dasselbe unter der noch jetzt bestehenden Firma bis 1836 führte. Vogel begründete neben dem Verlagsgeschäfte eine, namentlich auch für die Herstellung orientalischer Werke trefflich eingerichtete Druckerei sowie ein ausgedehntes Kommissions- und Sortimentsgeschäft. Er brachte die altberühmte Dieterichsche Buchhandlung in Göttingen durch Kauf in seinen Besitz und hatte sich so ein weites Feld für seine rastlose Tätigkeit geschaffen, das gute Früchte trug. Mit seinen Autoren unterhielt auch Vogel, wie die, in freundschaftlichstem Tone gehaltene, ausgedehnte Korrespondenz bezeugt, die intimsten Beziehungen.

Die Haupterzeugnisse seiner Verlagstätigkeit mögen hier kurz genannt sein. Es sind: A. Koberstein's Grundriß der deutschen Nationalliteratur, in erster Auflage (1827) ein kleiner Oktavband; W. Gesenius' Werke, darunter die Geschichte der hebräischen Sprache, 1815; dessen hebräisch-deutsches Handwörterbuch, erste Auflage 1812; sein Thesaurus. 3 Vol. 1829-58; Franz Passow's griechisch-deutsches Handwörterbuch, dessen 5. Auflage in 4 Teilen 1841-57 erschien; de Wette's Lehrbuch der hebräisch-jüdischen Archäologie; Winer's Grammatik des neutestamentlichen Sprachidioms; Matthiae's griechische Grammatik; Broeder's lateinische Grammatik; J. E. Erdmann's Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der neueren Philosophie. 3 Bände. 1834-53.

Die selbst unternommenen, wie die für fremden Verlag gedruckten orientalischen Werke, die in arabischen, syrischen, äthiopischen, phönizischen, Sanskrit-, Hieroglyphen-, koptischen, Keilschrift-, Zend-, hebräischen, griechischen, lateinischen Werken fast alle toten Sprachen vertreten, zeugten von der trefflichen Ausstattung der Vogel'schen Druckerei.

Zunehmende Kränklichkeit veranlaßte Fr. Chr. W. Vogel, die mehr und mehr ausgedehnten Geschäfte am 31. Dezember 1836 seinem Sohne Friedrich Theodor Wilhelm Vogel abzutreten, welcher sie bis 1862, in den letzten Jahren von Göttingen[988] aus, leitete, nach und nach aber die Druckerei, das Kommissions- und das Sortimentsgeschäft wieder eingehen ließ.

Am 1. Oktober 1862 übernahm Dr. Carl Lampe-Vischer das Verlagsgeschäft unter Beibehaltung der alten Firma. Sein besonderes Interesse für die medizinische Wissenschaft veranlaßte ihn, mehr und mehr dem Verlage medizinischer Werke seine Tätigkeit zuzuwenden. Neben den medizinischen Zeitschriften und Jahresberichten, welche regelmäßig erschienen, nennen wir: von Ziemssen's großes Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie. 16 Bände. 1874; von Ziemssen's Handbuch der allgemeinen Therapie. 4 Bände (10 Teile). 1880; Hermann's Handbuch der Physiologie. 6 Bände. 1879; C. Hueter's Klinik der Gelenkkrankheiten, 1876; desselben Grundriß der allgemeinen und speziellen Chirurgie. 1880; v. Tröltsch's Lehrbuch der Ohrenheilkunde; A. Weil's Handbuch und Atlas der topographischen Percussion; Birch-Hirschfeld's Lehrbuch der pathologischen Anatomie. 1877; W. His' Anatomie menschlicher Embryonen mit Atlas; und dessen sonstige histologischen Werke etc.

Außer diesen medizinischen Werken seien noch erwähnt: die von der historischen Kommission in München publizierten »Historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert«, herausgegeben von R. von Liliencron. 5 Bände. 1869; J. H. H. Schmidt, die Kunstformen der griechischen Poesie und ihre Bedeutung. 4 Bände. 1868-72; Ferd. Justi's Handbuch der Zendsprache. 1864; dessen »Bundehesh«. 1868; C. Justi's Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen. 2 Bände. 1872; Flügel's große Ausgabe des Kitâb al-Fihrist. 1872; Gesenius' hebräisches Lesebuch; dessen hebräische Grammatik; K. Bartsch's altfranzösische Chrestomathie; dessen treffliche Uebersetzung von Dante's Göttl. Komödie. 3 Teile. 1877; von demselben herausgegeben Koberstein's Grundriß. 5 Auflage. 5 Bände. 1872-73; A. Ebert's allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendlande; B. Stade's Lehrbuch der hebräischen Grammatik usw.

Nach dem Tode Dr. Lampe-Vischers übernahm das Geschäft im Jahre 1890 der jetzige Besitzer, Carl Friedrich Lampe. Er hat insbesondere den medizinischen Verlag in großartiger Weise ausgebaut. Das Ziemssensche Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie wurde neu-aufgelegt in 17 Bänden (30 Teile 1875 bis 1885). Ferner seien genannt: Ch. Bäumler; A. von Strümpell, Mitherausgeber der seit 1891 erscheinenden »Deutschen Zeitschrift für Nervenheilkunde«; E. Lesser (Haut- und Geschlechtskrankheiten); W. von Leube; C. von Liebermeister; Professor Birch-Hirschfeld;[989] O. Vierordt; R. Böhm; H. Curschmann; W. Erb; A. Eulenburg; A. von Kölliker; Fr. von Esmarch; A. Landerer; M. von Pettenkofer; C. Flügge usw.

(Nachtrag)

Vogel, F. C. W. Während die Vorbesitzer des Vogelschen Geschäftes sich vorwiegend dem Verlage theologischer und philologischer Werke und verwandter[995] Literatur widmeten, wendete Dr. Carl Lampe-Vischer sein Hauptinteresse der Herausgabe medizinischer Werke zu. Von den wichtigsten Erscheinungen seien hervorgehoben das große 17 Bände umfassende Ziemßen'sche Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie 1874; L. Hermann, Handbuch der Physiologie 1879; v. Pettenkofer und v. Ziemßen, Handbuch der Hygiene und der Gewerbekrankheiten 1882. Ferner das in vielen Auflagen erschienene Strümpell'sche Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie 1883. Von bekannten Medizinischen Autoren seien genannt: Bäumler, Birch-Hirschfeld, Braune, Bunge, Edinger, Erb, v. Esmarch, Eulenburg, Flügge, His, F. A. Hoffmann, Hueter-Lossen, Kußmaul, Lesser, v. Leube, Liebermeister, Naunyn, Oertel, Quinke, Ribbert, Schmiedeberg, Schroeder, H. Schwartze, Tappeiner, v. Tröltsch, v. Zenker u.a.m.

Begründet wurden folgende Zeitschriften: Deutsches Archiv für klinische Medizin, Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, Deutsche Zeitschrift für Tiermedizin, Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen, Archiv für Ohrenheilkunde, ging 1873 von Stahel in Würzburg in den Vogel'schen Verlag über. Das Aerztliche Vereinsblatt für Deutschland war vom Jahre 1881-1902 in Kommissionsverlag.

Im Jahre 1890 trat sein Sohn Carl Friedrich Lampe-Vischer als Teilhaber in die Firma ein. Von 1897 leitete dieser das Geschäft selbständig und ist seit dem 1907 erfolgten Tode des Geh. Hofrat Dr. Lampe-Vischer alleiniger Inhaber der Firma.

Unter ihm ist der medizinische Verlag weiter ausgebaut worden. Von Zeitschriften wurden neu begründet: Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik 1898, Zeitschrift für soziale Medizin 1906.

Von hervorragenden Werken erschienen: Bier, Hyperaemie als Heilmittel, Handbuch der Kinderheilkunde von Pfaundler und Schloßmann, Krehl, Pathologische Physiologie, Reißig, Aerztliches Hausbuch, ferner eine Reihe Medizinischer Spezial-Encyklopädien.

Fr. Lampe-Vischer bekleidet seit dem Jahre 1906 das Amt des Schatzmeisters der »Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte«, das sein Vater 18 Jahre lang vor ihm inne hatte.

Die Verhandlungen dieser Gesellschaft erscheinen in dem Vogel'schen Verlag seit dem Jahre 1890 (63. Versammlung.)

Quellen: Neuer Nekrolog der Deutschen 20. Jahrgang; Verlagskataloge 1817, 1863, 1887; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1880; Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandel Bd. 7, 8, 15.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 987-990,995-996.
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