[20] Aesopus.
Der älteste bekannte Fabeldichter. Er lebte zu den Zeiten des Crösus und Solons. Die Nachrichten von seiner Person und seinem Leben haben einigen so unzuverläßig geschienen, daß sie so gar auf die Gedanken gerathen, ein solcher Mann habe gar niemals gelebt. Doch ist es wahrscheinlicher, daß Aesopus eine würkliche Person gewesen, daß er in Phrygien gebohren, eine Zeitlang in der Knechtschaft gelebt, hernach frey geworden und in Sardis, am Hofe des Crösus, sich aufgehalten habe.
Man findet seine wahre oder erdichtete Lebensgeschichte an hundert Orten beschrieben. Planudes, ein Grieche, aus den mittlern Zeiten, hat viel fabelhaftes davon zusammen getragen. Unter den neuern hat Meziriac die zuverläßigsten Nachrichten von diesem Fabeldichter gesammelt.
Seine Fabeln stunden bey den Griechen in grossem Ansehen, welches sie nun seit zwey tausend Jahren bey allen Völkern, die Wissenschaften und Geschmak besitzen, behauptet haben. Einige halten ihn für den Erfinder der Fabel, die nach ihm die Aesopische genennt wird. Es ist wahrscheinlich, daß er selbst seine Fabeln nicht aufgeschrieben, sondern bey gewißen Gelegenheiten, als lehrreiche und witzige Einfälle blos erzählt habe. Wenigstens sind die griechischen Fabeln, die man für die seinige ausgiebt, nur ihrer Erfindung nach von ihm, sein Ausdruk aber ist verlohren gegangen.1 Sokrates schätzte die äsopischen Fabeln so hoch, daß er sie in Verse eingekleidet hat. Plato sagt: er habe dieses zufolge einiger wiederholten Träume, die er für göttlich gehalten habe, gethan. S. ⇒ Fabel.
1 | S. Vavassor de ludicra dictione. |