Die Kunst, vermittelst eines scharfen Wassers die Zeichnung auf metallene Tafeln einzugraben, von welchen sie hernach auf Papier abgedrukt werden. Das Aezen ist eine Art, ohne Grabstichel zu stechen, und ist zum Gebrauch der Kupferstecherkunst erfunden worden.
Die Hauptumstände des Aezens sind folgende. Man nimmt eine wohl geglättete und fein polirte Tafel, fast allezeit von feinem Kupfer. Diese überzieht man mit einer dünnen Haut von Firniß, welche man hernach mit dem Rauch einer Lampe schwärzt, oder mit einem andern matten Grund überzieht. Auf diesen Grund wird die Zeichnung ganz leicht mit Bleystift oder Röthel aufgetragen, oder auf eine andre Art des Abzeichnens darauf gebracht.
Nach dieser Zeichnung wird mit einer scharfen Radiernadel der Firniß bis auf das Kupfer weggerissen, auch wird wol etwas in das Kupfer hineingerizt. Diese Verrichtung wird eigentlich das Radiren genennt.1
Alsdenn wird um den Rand der Tafel ein Bord von Wachs gemacht, und das Aezwasser auf die Tafel gegossen. Dieses frißt alle aufgerissene Striche in das Kupfer ein, ohne den Firniß selbst anzugreifen, und dieses wird eigentlich das Aezen genennt. Wenn es tief genug eingefressen hat, so wird das Aezwasser von der Tafel abgespühlt, der Firniß abgenommen, und damit ist die Tafel fertig. [23] Jede der beschriebenen Verrichtungen erfodert gewisse Handgriffe, die in besondern Artikeln umständlicher beschrieben werden. S. ⇒ Gründen, ⇒ Abzeichnen, ⇒ Radiren, ⇒ Firniß. Das Besondere aber, was bey dem eigentlichen Aezen in Acht zu nehmen ist, wollen wir hier umständlicher beschreiben.
Die Vollkommenheit des Aezens besteht darinn, daß das Wasser jeden Strich der Radiernadel mit der Stärke oder Schwäche ausfresse, welche die Haltung des Ganzen erfodert. Hiezu trägt zwar schon das Radiren selbst das Vornehmste bey, indem man mit der Nadel einige Striche breiter oder feiner, stärker oder schwächer in das Kupfer eingräbt: allein das Aezen selbst muß diese Vorsichtigkeit unterstützen, indem das Schwache flächer, das Starke tiefer eingeprägt werden muß. Dieses erfodert große Vorsichtigkeit bey dem Aezen.
Die Schwierigkeiten, die sich dabey zeigen, kommen so wol von dem Aezwasser, als von andern Umständen her. Selten kann man den Grad der Schärfe des Wassers vorher bestimmen: dasselbige Wasser ist schärfer oder schwächer, nach Beschaffenheit der Luft und besonders der Wärme derselben. Bisweilen ist eine halbe Minute der Zeit zu viel, und schon im Stande alles zu verderben.
Es ist überhaupt nothwendig, daß auf den schwachen Stellen das Wasser eine kürzere Zeit fresse, als auf den starken. Damit man dieses erhalte, so läßt man das Wasser erst nur so lange würken, als etwa zu den schwachen Stellen nöthig ist; alsdenn läßt man es ablaufen, und dekt dieselben mit einer fetten Materie, welche die Würkung des Wassers hemmet, zu: wenn dieses geschehen ist, so kann es auf die stärkern Stellen wieder aufs neue angegossen werden. Wenn man dieses sorgfältig beobachtet, so wird die Tafel ihre gehörige Haltung bekommen.
Doch darf man auch die allerkräftigsten Stellen nicht allzu lange der Würkung des Wassers überlassen. Es frißt so wohl in die Breite als in die Tiefe, so daß durch ein zu langes Fressen die stärkern Striche, die nahe an einander liegen, ganz in einander fließen, welches denn eine üble Würkung thut. Es ist deswegen nöthig, daß man, ehe dieses geschieht, die Würkung des Wassers kenne, und wenn die Striche noch nicht stark genug sind, daß man sie durch den Grabstichel hernach kräftiger mache: wie denn überhaupt der Grabstichel den geäzten Platten allemal sehr zu Hülfe kommen kann. Der Grabstichel dringt tiefer in das Kupfer als Aezwasser, seine Striche sind schärfer, und geben beym Abdruk die Farbe schwärzer. Daher können durch Vermischung der beyden Gattungen vortheilhafte Würkungen hervor gebracht werden.
Das Aezwasser kann gemeines Scheidewasser seyn, dessen Schärfe durch gemeines Wasser etwas gemildert worden. Da es aber auch einige Firnisse angreift, so ist es etwas gefährlich. Das beste Wasser zum Aezen wird aus abgezogenem Weineßig, Salmiak, gemeinem Salz und Grünspan gemacht. Der Eßig wird in einen wol glasurten, oder besser in einen porcellainen Topf gegossen, darinn auch die andern Materien, nachdem man sie klein gestoßen, die beyden ersten jede zu sechs Theilen, der Grünspan aber zu vieren, geschüttet werden. Diese Mischung wird bey gutem Feuer ein Paar mal aufgekocht und wol umgerührt; hernach abgeklärt und zum Gebrauch aufbehalten. Eine einzige Probe ist hinreichend, um zu sehen, ob dieses Wasser zu stark oder zu schwach ist. Im ersten Fall gießt man mehr Eßig zu.2
Die Aezkunst ist neuer, als die Kunst, mit dem Grabstichel in Kupfer zu stechen. Einige schreiben die Erfindung derselben dem Albrecht Dürer zu. Die Sache ist aber ungewiß. Einer der ersten, die sich darinn hervor gethan haben, ist Simon Erisius, ein Holländer. Er führte die Nadel mit großer Fertigkeit, und kam dem Feinen des Grabstichels sehr nahe. Abraham Bosse hat in einem besondern Werke die Handgriffe dieser Kunst beschrieben.3 Eine umständliche Beschreibung derselben findet man auch in dem französischen Dictionaire encyclopedique.
Diese Erfindung ist bey nahe noch wichtiger als die Kunst, mit dem Grabstichel zu stechen. In der Zeit, da eine Tafel durch diese letztere Art fertig wird, kann man bey nahe hundert geäzte Tafeln verfertigen. Dadurch wird also die Ausbreitung der Kunst sehr erleichtert. Und da jeder, der gut zeichnen kann, in kurzer Zeit die Aezkunst vollkommen lernt, so sind die Maler selbst im Stande, ihre Werke in Kupfer zu bringen, die denn unstreitig mehr von dem ursprünglichen Geist und der Originalvollkommenheit behalten, als wenn sie von andern ängstlich nachgemacht werden. Dergleichen von den Malern selbst geäzte Stüke werden von [24] Kennern allemal denen vorgezogen, die blos von Kupferstechern verfertigt sind. Hiezu kömmt noch dieser wichtige Vortheil, daß die Radirnadel allemal mit mehr Freyheit geführt wird, und eine größere Mannigfaltigkeit der Charaktere des Zeichnens ausdrüken kann, als der Grabstichel. Die Zeichnung der Nadel ist allemal freyer, und kann der Natur des Gegenstandes besser angemessen werden, als die Stiche des Grabstichels.
Gewisse Sachen, die der Grabstichel niemals mit ihrem gehörigen Charakter darzustellen weiß, besonders Landschaften, Viehstücke und alles, wo viel Rauhes, Mattes und Abgebrochenes vorkömmt; wo freye oder unbestimmte Umrisse mit beständig veränderten Krümmungen nöthig sind; da wird allemal mit der Nadel vollkommener gearbeitet, als mit dem Grabstichel. Wenn also ein Gemälde, das sich durch eine freye und feurige Zeichnung, durch einen sehr natürlichen Charakter, durch eine mehr geistreiche als verflossene Haltung und Harmonie hervor thut, soll in Kupfer gebracht werden, so ist das Aezen dem Stechen allemal vorzuziehen. Aber die gestochenen Platten haben vor den geäzten diesen Vortheil, daß sie mehr gute Abdrüke geben. Denn von einer gut gestochenen Platte muß man sechs bis achthundert haben, da die geäzten schon im vierten Hundert merklich abnehmen.
Ferner muß man auch wieder gestehen, daß durch bloßes Aezen viel Gemälde, in Absicht auf die Haltung und Harmonie, niemals vollkommen können dargestellt werden; denn zu geschweigen, daß gewisse ganz feine und leichte Dinge der Gefahr des Aezens nicht können überlassen werden, so kann man auch den starken Theilen in den Vorgründen durch das bloße Aezen selten die nöthige Stärke geben. Die Hülfe des Grabstichels ist dabey unvermeidlich. Die vollkommensten Kupferstiche sind also unstreitig diejenigen, worinn beyde Arten, je nachdem es die verschiedenen Theile des Gemäldes erfodern, verbunden werden.
Die Künstler, deren geäzte Platten am höchsten geschätzt werden, sind unter den ältern, Peter Testa, Salvator Rosa, die Carrache, Rembrand, Matthäus Merian, Stephan della Bella, Callot, Hooghe, le Clerc; unter den neuern, Cochin und die deutschen Künstler, Schmidt, der eben so fürtrefflich in der Radiernadel, als im Grabstichel ist; und Meil, dessen eigene Manier eben so angenehm ist, als seine Erfindungen geistreich sind.
Buchempfehlung
»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818
88 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro