Belebung

[145] Belebung. (Redende Künste)

Eine Figur der Rede, die leblose Wesen, oder bloße Begriffe, als lebendige und handelnde Personen vorstellt. Sie hat, wie alle Figuren, ihren Ursprung in einer starken Leidenschaft, in welcher Berge und Thäler, Luft und Himmel, als lebendige und denkende Wesen angerufen werden, oder in einer höchst lebhaften Einbildungskraft, die jedem Begriff einen Körper, jedem Körper ein Leben und eine Seele giebt; die den Blik eines schönen Auges als einen Pfeil, der tief in die Brust gedrungen ist, fühlet, in einem reizenden Auge die Grazien,1 auf einer schönen Brust eine Schaar Liebesgötter sieht. Aus dieser Quelle entstehen die allegorischen Wesen, deren Gebrauch sich so weit in der Dichtkunst ausgebreitet hat.2 Jederman fühlt, wie stark und sinnlich die Rede, dadurch werde, daß Dinge, die sonst nur im Verstande liegen, der Einbildungskraft und einigermaaßen den Sinnen körperlich vorgestellt werden.

᾽Οινωπας ὀσσοις χαριτας

᾽Αφροδιτης ἰχων.

Eurip. Bacch. vs. 236.

1
2S. Allegorie auf der 31. u. f. S.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 145.
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