Camin

[188] Camin. (Baukunst)

Ein offener Feuerheerd an einer Wand eines Zimmers, zu dessen Wärmung er dienet. Die Camine verstatten, daß man im Zimmer ein offenes Feuer geniessen kann, sonst aber sind sie in kalten Ländern zur Wärmung der Zimmer nicht hinreichend, wo man nicht eine gar zu grosse Menge Holz oder Kohlen verbrennen will. Da sie aber gleichwol den sehr guten Nutzen haben, durch Abführung der Ausdünstungen in den Zimmern eine reine Luft zu unterhalten; und da überdies das Feuer im Zimmer unter die wenigen Schönheiten der Natur gehört, deren Genuß kalten Ländern im Winter übrig bleibet; so ist die Untersuchung über die beste Art Camine anzulegen, ein nicht ganz unwichtiger Punkt in der Baukunst. Folgende Anmerkungen werden nachdenkenden Baumeistern nicht ganz überflüßig scheinen.

Die vornehmste Eigenschaft eines guten Camines ist diese, daß er bey einem hinlänglichen Zug, um allen Rauch abzuführen, einen nicht gar zu starken Zug in dem Zimmer verursache, welches der Fehler fast aller Camine ist, die eine weite Oefnung über dem Feuerheerd haben. Ein etwas starkes Feuer verursachet einen Zug in dem Zimmer, der beynahe einem Wind gleichet, wodurch auch zugleich alle warme Luft aus dem Zimmer weggeführet wird. Diesem Fehler wird dadurch abgeholfen, daß die Röhre oder der Schornstein, gegen den Heerd des Camines ins enge gezogen wird. Ich habe selbst einige Camine über den Sturz zuwölben, und nur mitten in dem Gewölbe eine Oefnung von 5 Zoll ins gevierte machen lassen, und diese Art sehr vortheilhaft gefunden. Nur muß dabey veranstaltet werden, daß die Schornsteinfeger von oben in die Röhre kommen können, und gegen das untere Ende müssen die Röhren, als eine umgekehrte Pyramide, nach und nach enger werden, daß der herunterfallende Ruß nirgend aufsitze, sondern auf den Heerd herunterfallen könne. Die Oefnung wird durch einen über den Sturz angebrachten Schieber, sobald das Feuer ausgebrennt ist, zugemacht. An solchen Caminen habe ich oft beobachtet, daß der Schieber bey ziemlich starkem Feuer, bis auf zwey Finger breit konnte eingeschoben werden, so daß die ganze Oefnung nur 5 Zoll lang und etwa 2 Zoll breit geblieben, ohne daß der Camin rauchte. Aber in diesen Caminen muß das Holz an der Feuermauer in die Höhe gestellt, und in der Mitte gut zusammengehalten werden. Also kann man eine enge Oefnung, als eine wesentliche Eigenschaft eines guten Camins ansehen. Hiernächst wird die Würkung [188] eines Camines sehr vermindert, wenn er tief in die Mauer gelegt wird. In diesem Fall genießt man fast keine Wärme, als die unmittelbar von dem Feuer kommt, weil die Mauren selbst wenig erwärmt werden. Darum ist es gut, daß die Röhre nicht ganz in die Dike der Mauer, sondern gegen das Zimmer herausgelegt werde, so daß drey Seiten desselben in das Zimmer herausstehen. Weil diese durch das Feuer erwärmt werden, welches, da man sie nicht mehr als einen halben Stein (fünf Zoll) stark zu machen braucht, allemal geschieht; so thun sie einigermaassen den Dienst eines Ofens, und unterhalten die Wärme im Zimmer, wenn gleich das Feuer bereits ausgegangen ist.

In Ansehung der Bekleidung und Verzierung der Camine, wird ein verständiger Baumeister zwischen dem schweerfälligen Geschmak der ältern Baumeister, welche die Camine mit Säulen oder Wandpfeilern, und einem darüber gelegten förmlichen Gebälke, bekleidet hatten, und der unverständigen Ausschweifung vieler Neuern, die Schnörkel mancherley Art, Muscheln und Laubwerk dabey anbringen, leichte die Mittelstrasse halten. Einfache Gewände, ohne viel Glieder, und ein gerader, mit einem guten Gesims versehener Sturz darüber, ohne alles Schnitzwerk, ist ohne Zweifel das schiklichste dazu.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 188-189.
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