Einkleidung

[306] Einkleidung. (Redende auch zeichnende Künste)

Eine Vorstellung einkleiden heißt so viel, als ihr etwas beyfügen, wodurch sie einigermaassen verstekt wird, damit sie sich desto vortheilhafter zeige. So wird ein Begriff durch ein Bild ausgedrukt; eine Wahrheit oder eine Lehre in einer Fabel, oder in einer Allegorie vorgetragen, und also in etwas sinnliches eingekleidet. Das Einkleiden setzt allemal etwas Bloßes voraus; man kann auch in der That diejenigen Vorstellungen blos nennen, die durch abgezogene Begriffe und also durch den Verstand müssen gefaßt werden. Diesen Vorstellungen Sinnlichkeit geben heißt also sie einkleiden.

Die schönen Künste, welche abgezogene oder allgemeine Vorstellungen erweken können, müssen sie einkleiden, weil sie nicht für den Verstand, sondern für die Sinnlichkeit arbeiten; also ist die Einkleidung der Begriffe und der Gedanken eine den schönen Künsten eigenthümlich zugehörige Arbeit. Nicht als ob jeder einzele allgemeine Begriff oder Gedanken nothwendig müßte eingekleidet seyn; denn dieses würde mehr schaden, als nützen. Es muß nur bey den Hauptvorstellungen geschehen, von denen eigentlich die Würkung, die der Künstler im Ganzen zuerhalten sucht, abhängt.

Die Einkleidung betrift entweder nur einzele Theile, oder das Ganze. Von ihr bekommt bisweilen im letztern Fall das ganze Werk seine Form oder seine Art, und wird zur Allegorie, oder zur Fabel, auch wol zur Ode, zur Elegie, zum Traum. Denn bisweilen besteht die Art eines Werks blos in der Einkleidung.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 306.
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