Geschoß

[469] Geschoß. (Baukunst)

So nennt man in einem Gebäude, das aus mehrern über einander liegenden Abtheilungen besteht, die oberen Abtheilungen, zu denen man durch Treppen hinaufsteiget. Sie werden auch Stokwerke, und itzt schon vielfältig mit dem französischen Namen Etages genennt. Man sagt von einem Hause, es sey von einem, zwey, drey Geschossen, oder Stokwerken, wenn über die untersten, gerade über der Erde liegenden Zimmer, noch ein, zwey oder drey Aufsätze von Zimmern gebauet sind. Nämlich die untersten Wohnungen werden eigentlich noch nicht zu den Geschossen gerechnet. Dieser Bedeutung des Worts zu Folge wär ein Haus von drey über einander liegenden Wohnungen, und drey Reyhen über einander stehender Fenster, nur von zwey Geschossen, weil die unterste Wohnung noch zwey andre über sich hat.

Man unterscheidet auch ganze und halbe Geschosse. Die Ganzen sind in gemeinen Wohnhäusern wenigstens zehen und höchstens vierzehen Fuß hoch; in Pallästen funfzehen bis zwanzig; die halben Geschosse, die auch Attiken1 genennt werden, haben nur die halbe Höhe.

An den Aussenseiten werden gemeiniglich die Geschosse durch Bänder und Gesimse von einander abgesöndert; es sey denn, daß nach römischer Art Säulen oder Pilaster von dem Fuße des Gebäudes bis an das Gebälke gehen, in welchem Fall diese Absönderung der Geschosse nicht statt haben kann. Man giebt auch dem ersten Geschoß ofte seine besondere Plinthe. Eine Aussenseite von zwey und mehrern Geschossen, die nicht durch Bänder oder Gesimse abgetheilt sind, hat ein zu mageres Ansehen; hingegen giebt die Abtheilung der Geschosse den Aussenseiten nicht nur ein gutes Ansehen, sondern erwekt auch zugleich den Begriff einer mehrern Festigkeit. An den Aussenseiten gemeiner Wohnhäuser zeiget sich der gute oder schlechte Geschmak eines Baumeisters auf den ersten Blik, aus der Abtheilung der Geschosse. Der gute Baumeister weiß alles so einzurichten, daß jedes Geschoß ein Ganzes ausmacht, dessen Theile nicht gegen das ganze Gebäude, sondern nur gegen das Geschoß abgemessen werden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 469.
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