Halbschatten

[505] [505] Halbschatten. (Mahlerey)

Dieses Wort wird in der Mahlerey gebraucht, aber nicht allemal in dem eigentlichen, ihm zukommenden Sinn. Nach seiner wahren Bedeutung muß es bey der Farbengebung von den Stellen gebraucht werden, wo die eigenthümliche Farbe der Körper, aus Mangel des vollen Lichts, etwas dunkeler wird, als sie da ist, wo das ganze Licht auffällt. Wenn ein an der Sonne liegender Körper einen Theil seiner Fläche der Sonne gerade zukehret, daß alle Strahlen senkrecht, oder beynahe so darauf fallen, so erscheinet auf dieser Stelle des Körpers seine eigenthümliche Farbe in vollem Lichte; die Theile, die von der Sonne weggekehrt sind, auf die folglich gar kein Sonnenstrahl fallen kann, sind im völligen Schatten; die Stellen aber, wo das Licht schief auffällt, die von demselben nur gestreift werden, haben ein merklich vermindertes Sonnenlicht, folglich wird die eigenthümliche Farbe weniger hell. Weil die Farbe weder das volte Licht hat, noch in vollem Schatten liegt, so giebt man dieser Verminderung der Helligkeit der eigenthümlichen Farbe den Namen des Halbschattens. Die Verdunklung der eigenthümlichen Farbe kann durch Beymischung einer dunkeln Farb in die Helle, und also durch das Brechen der Farben erhalten werden, deswegen haben einige das Wort Halbschatten überhaupt von den gebrochenen Farben gebraucht. Andre haben überhaupt die Mittelfarben Halbschatten genennt, weil die Verdunklung der hellen Farbe des vollen Lichtes auch durch ganze Mittelfarben kann erhalten werden. Hieraus läßt sich begreifen, woher die Ungewißheit und Verwirrung in Ansehung der Bedeutung des Worts entstanden ist, über welche der Hr. von Hagedorn, in seinen Betrachtungen über die Mahlerey, sich beklagt.1

1S. 681.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 505-506.
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