Harmonik

[518] Harmonik. (Musik)

Sie ist der Theil der theoretischen Musik, der die brauchbaren Töne und ihr Verhältnis gegen einander fest setzet. Wenn die Harmonik vollständig abgehandelt werden soll, so muß sie folgende Theile enthalten. Erstlich die Theorie des Klanges überhaupt, worüber der Artikel Klang nach zu sehen ist. Zweytens die Festsetzung des Systems, oder der Reyhe der Töne, die man in der Musik brauchet; wovon in den Artikeln, System und Temperatur, gesprochen wird. Drittens muß sie aus dem gegebenen System die verschiedenen Töne und Tonarten bestimmen, auch die Intervalle, die in jeder Tonart vorkommen, genau anzeigen. Viertens müssen alle brauchbaren Accorde jeder Tonart angezeiget, und der Grad des Consonirens oder Dissonirens derselben richtig angegeben werden. Fünftens muß sie den Gebrauch und die Behandlung der Dissonanzen lehren; und endlich sechstens das, was bey der Modulation nothwendig zu beobachten ist, vortragen.

Es ist zu beklagen, daß dieser Theil der Theorie bis itzt noch so unvollkommen vorgetragen ist. Man sieht aus den Werken der besten Tonsetzer, daß sie alles, was zur Harmonik gehört, sehr gut gewußt haben: aber sie begnügen sich insgemein ihre Wissenschaft blos in der Anwendung zu zeigen, und scheinen ein Vergnügen daran zu haben, andern die mühsame Arbeit zu machen, die Wissenschaft der Harmonie aus ihren Tonstüken heraus zu ziehen. Dadurch wird das Studium der Harmonik erstaunlich mühsam, das itzt sehr leicht seyn würde, wenn Männer wie Händel, Bach oder Graun, so eyfrig wie Rameau und einige andre seiner Landsleute gewesen wären, die Wissenschaft der Harmonie methodisch vorzutragen. In Deutschland fehlet es mehr, als irgendwo, an guten Werken über diesen Theil der Theorie.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 518.
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