Liebhaber

[712] Liebhaber. (Schauspielkunst)

Die Person, welche im Schauspiel die Role eines Verliebten hat. Wenn die Gesellschaft der Schauspieler vollkommen seyn soll, so müssen Liebhaber von mehr, als einer Art darin seyn. Denn die comische Liebe erfodert eine ganz andre Vorstellung, als die ernsthafte.1 Die Role der Liebhaber ist gewiß nicht die Leichteste. Die ernsthafte und edle Liebe erfodert nothwendig eine edle, angenehme Figur, ein gefälliges und zärtliches Wesen. Das beste Stük kann durch eine schlechte Figur, oder durch schlechte Manieren so verdorben werden, daß das Ernsthafte poßirlich, und das Zärtliche abgeschmakt wird; wovon leider die Beyspiele auf der deutschen Bühne nicht sehr selten sind. Wer kann Antheil an der Liebe eines Frauenzimmers nehmen, die einem Geken, oder doch ungeschikten und gar nicht liebenswürdigen Menschen, ihre Zärtlichkeit giebt? [712] Und wie lächerlich werden nicht die Seufzer eines Liebhabers, wenn die Geliebte eine Dulcinea ist?

Der Schauspieler muß die äußerste Sorgfalt anwenden, die Personen der Liebhaber gut zu wählen. Aber bey der schlechten Aufmunterung, die die deutsche Schaubühne bis hieher erfahren hat, ist nicht zu erwarten, daß auch der verständigste und uneigennüzigste Vorsteher der Bühne allemal solche Leute finde, die diesen Rolen eine Genüge leisten.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 712-713.
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