Diomedes

Fig. 96: Diomedes
Fig. 96: Diomedes

[168] Diomedes, (Gr. M.),

1) Sohn des Mars und der Cyrene, nach Andern des Atlas und der Asteria, König der Bistonen in Thracien, welcher vier Menschenfleisch fressende Stutten hatte. Diese zu holen, wurde dem Hercules als eine der zwölf Arbeiten von Eurystheus aufgetragen. Der Held tödtete den D. und warf ihn selbst seinen Rossen vor.

2) D., der Tapferste nach Achilles im Heere der Griechen, Sohn des Tydeus und der Deïpyle, einer Tochter des Adrast, von väterlicher Seite Enkel des Königs Oeneus von Calydon in Aetolien, Gemahl der Aegialea, einer Enkelin des Adrast, hochbegünstigter Schützling der Minerva. Die homerische Sage meldet, dass er als Knabe seinen Vater verlor, der auf dem Zuge der sieben Helden gegen Theben blieb, und dass er selbst im Zuge der Epigonen Theben mit erobern half, kennt ihn aber eigentlich genau nur als den vor Troja anwesenden Helden. Er greift den Hector wiederholt an und wirft ihn auch einmal mit der Lanze zu Boden, aber Apollo rettet den Trojaner; dem Aeneas entreisst er seine Rosse, verwundet dessen Mutter, Venus, die sich in den Kampf wirft, an der Hand, und scheucht sie aus der Schlacht; gegen Apollo stürmt er viermal an, bis ihn die drohende Stimme des Gottes zurückschreckt; den Mars verwundet er unter dem Beistand der Minerva so, dass dieser brüllt wie zehntausend Männer. - Er selbst wird von Pandarus verwundet, aber von Minerva geheilt, tödtet er den Pandarus. An Glaucus, einem Enkel des Bellerophon, entdeckte er mitten im Kampfe einen Gastfreund von den Grossvätern her, schloss mit ihm Freundschaft und tauschte mit ihm zum Zeichen derselben die Rüstung; siehe hiezu die nebenstehende Darstellung nach einem geschnittenen Stein. - Die Thracier im troïschen Lager überfällt er, tödtet, ausser zwölf Anderen, ihren König Rhesus, und entführt mit Ulysses dessen Rosse.

Die späteren Dichter und Mythologen haben diese homerische Grundlage der Sage von D. weitläufiger ausgeführt, aber mit zahllosen Abweichungen. Er verschwört sich mit Ulysses gegen den Palamedes, den sie, unter dem Vorgeben, einen Schatz gefunden zu haben, in einen Brunnen hinabliessen und mit Steinen tödteten, oder, als er fischte, ersäuften. Er wird mit Ulysses nach dem Tode des Paris in die Stadt gesandt, um wegen des Friedens zu unterhandeln, und steigt mit den übrigen Helden in das hölzerne Pferd. Endlich raubt er mit Ulysses[168] das Palladium (Bild der Minerva), nachdem Helenus den Griechen verrathen hatte, dass Troja nicht erobert werden könne, so lange jenes Bild in dessen Mauern sei. Entweder vor oder nach dem troïschen Zug kommt D. seinem Grossvater Oeneus gegen Agrius zu Hülfe, der ihn entthront hat und gefangen hält. Er rächt den Greis und nimmt ihn mit sich nach Argos, wo er selbst nach Adrasts Tode König ist. Auf und nach der Rückkehr von Troja hat er die manchfaltigsten, zum Theil auf widersprechende Weise überlieferten Schicksale, wovon nur diese Umstände den Kern bilden, dass er sein Weib Aegialea untreu findet, desshalb Argos verlässt, nach Italien kommt, sich mit dem König Daunus befreundet, dessen Tochter Evippe heirathet, auf Daunus in der Regierung folgt, zahlreiche Städte auf der Ostseite Unter-Italiens gründet, und nach seinem Tode, vornehmlich auf den nach ihm benannten diomedeischen Inseln (h. z. T. Isole Tremiti) als Heros verehrt wird.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 168-169.
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