[221] Grazien oder Charitinnen, (Gr. u. röm. M.), die Göttinnen der Anmuth. Sie versinnbildlichen die Anmuth des durch Sitte und Schönheits-Sinn geregelten, durch Schmuck und Freude gehobenen geselligen Beisammenseins. Homer nennt in der Ilias nur eine G. (Charis), die er zur Gattin des Vulcan macht. Später erscheinen sie in der Mehrzahl, zu zwei, wie zu Sparta, wo man sie Cleta und Phaënna, und zu Athen, wo man sie Auxo und Hegemone nannte; oder zu drei, welches die gewöhnliche Vorstellung geworden ist, nach der sie Euphrosyne, Aglaja und Thalia heissen. Sie werden für Töchter des Jupiter und der Oceanide Eurynome, oder des Sonnen-Gottes und der Aegle, oder des Bacchus und der Venus ausgegeben. Pausanias erzählt, dass in dem Tempel der Nemesis zu Smyrna, im Odeum, von Apelles gemalt, in Pergamus, im Tempel des Apollo Pythius, und am Eingange zur Burg in Athen (von Socrates gemeisselt) die G. bekleidet gewesen. Später aber pflegte man sie nackt darzustellen, und diess ohne Zweifel erst, als die vollendete Kunst den Versuch wagen durfte, Ideale weiblicher Schönheit aufzustellen. Die G. erst geben nach[221] griechischer Vorstellung dem Leben alle Annehmlichkeiten; ein Opfer, dem Bacchus gebracht, wird ohne sie ein Bacchanal, wie das der Venus eine Orgie; in ihrer Gesellschaft kehrt sanfte Freude, Scherz und Frohsinn ein; in diesem Sinne erscheinen sie im Gefolge der Venus, der Juno, des Bacchus, des Apollo, als diejenigen, durch welche erst die Geliebte dem liebenden Jüngling, die Gattin dem Gatten reizend wird, als diejenigen, welche der Freude den höchsten Schmuck verleihen. Wir sehen auf unserer Abbildung die G. nackt nach einem Glasgemälde, mit einer Umschrift aus halb griechischen, halb lateinischen Wörtern, aber ganz in lateinischen Buchstaben. Die G. sind auch Symbol der Dankbarkeit (gratia, Dank) eines Genesenen gegen seinen Arzt Aesculap.